Verfahrensbeteiligte und Rechtsfolgen

"Deal" mit dem Gericht – ist das gerecht?

11.04.2012

Strafmaß und Aufhebung des Haftbefehls

Während nach der schriftlichen Erklärung der Verteidigerin des Beschwerdeführers im Ergebnis eine Verständigung auf ein Strafmaß von zwei Jahren und zehn Monaten bei gleichzeitiger Aufhebung des Haftbefehls getroffen worden sei, erklärte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft in der von ihr eingeholten dienstlichen Stellungnahme, es habe kein regelrechtes Gespräch über ein bestimmtes Strafmaß gegeben; ihr sei es vor allem um die Fortsetzung der Untersuchungshaft gegangen, während der Beschwerdeführer in erster Linie eine Aufhebung des Haftbefehls habe erreichen wollen. Dem Vorsitzenden des Schöffengerichts war nach seiner dienstlichen Erklärung der Vorgang nicht mehr genau erinnerlich.

Das Landgericht verwarf die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig, weil es das Zustandekommen einer Absprache für nicht erwiesen und deshalb den Rechtsmittelverzicht für wirksam hielt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde blieb vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg. Die Annahme der Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts sei nicht zu beanstanden. Da das Verhandlungsprotokoll die von § 273 Abs. 1a StPO geforderten Angaben nicht enthalte, sei seine Beweiskraft entfallen. Im Freibeweisverfahren habe der Beschwerdeführer aufgrund der sich widersprechenden Erklärungen der Verteidigerin und der Vertreterin der Staatsanwaltschaft den Nachweis einer Verständigung nicht zur Überzeugung des Senats führen können.

Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben, weil er den Beschwerdeführer in seinem Prozessgrundrecht auf ein faires Strafverfahren (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt, und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts weicht in einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Weise von den Anforderungen an die richterliche Sachaufklärung ab.

Einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte es schon im Hinblick auf die augenfällige Ungereimtheit in der dienstlichen Erklärung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft bedurft, die einerseits primär das Ziel einer Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft verfolgt haben will, andererseits aber in der Hauptverhandlung selbst die Aufhebung des Haftbefehls beantragte. Ferner hätte das Oberlandesgericht Stellungnahmen der Schöffen und der Urkundsbeamtin einholen müssen, da nach der widerspruchsfreien Erklärung der Verteidigerin die Gespräche im Sitzungssaal fortgesetzt worden sein sollen.

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