Der Kunde will den Nutzen des Produkts erfahren und nicht dessen Eigenschaften

27.03.2003
Nachdem Andreas Herch* in der ersten Folge Grundsätzliches zur Struktur eines Systemhaus-Vertriebs geschildert hat, befasst er sich in einem weiteren Teil seiner bei ComputerPartner auszugsweise veröffentlichten Doktorarbeit mit Vertriebsstrategien, Verkaufstechniken und Beschwerdemanagement.

Nahezu jeder Verkäufer handelt nach einer anderen Methode, um sein Produkt am Markt abzusetzen. Doch beinhalten alle erfolgreichen Musterprozesse die gleichen Vorgehensschritte im Verkauf (siehe Grafik "Professio-nelles Verkaufen" auf Seite 34).

Der Verkäufer soll über die verschiedenen, auf die Konsumenten einwirkenden Faktoren hinausblicken und verstehen, wie es zu Kaufentscheidungen kommt. Dabei muss festgestellt werden, wer die Kaufentscheidung trifft, welcher Art diese Entscheidung ist und welche Schritte dazu führen.

Kontaktieraufnahme

Der Aufbau einer neuen Kundenbeziehung gehört, wie bereits im ersten Teil erwähnt, neben der Bindung bestehender Kunden zu den wesentlichen Aufgaben einer Vertriebsabteilung. Durch die zunehmende Informationsüberflutung und die Veränderung hin zum Käufermarkt sind neue Wege und kreative Ideen zum Aufbau von Neukunden notwendig.

Noch vor einigen Jahren galten im IT-Handel die Teilnahme an Computer-Messen und die Versendung von Mailings als beste Möglichkeiten, neue Kunden zu gewinnen oder bereits bestehende Kontakte zu intensivieren. Neuere, praktische Erfahrungswerte zeigen jedoch, dass diese beiden Wege zunehmend ausgetreten sind und im Verhältnis zu den Kos-ten kaum den erhofften durchschlagenden Erfolg versprechen.

Ähnliches trifft auf Anzeigenwerbungen zu. Da Firmenkunden, also die Zielgruppen der Systemhäuser, nur schwer über Anzeigen zu erreichen sind, verpuffen derartige Aktivitäten ohne die gewünschte Wirkung. Die Anzeigenwerbung erzielt im Regelfall wenig Aufmerksamkeit für Firmenkunden.

Dagegen geht die Veranstaltung von Workshops oder Produktpräsentationen etwas individueller auf den Kunden ein. Ein Workshop zielt bereits detaillierter auf Kundenwünsche ab, und in einer lockeren Atmosphäre lässt es sich auch zwangloser ins Gespräch kommen als etwa auf einer Messe. Sollte der Kunde oder Interessent auch an der vorzustellenden Software oder dem neuen Hardwareprodukt kein unmittelbares Interesse zeigen, so kann dennoch im Gespräch der Bedarf an anderen Produkten oder Dienstleistungen ausgelotet werden.

Erfolgsfaktor Direktmarketing

Die besten Resultate lassen sich jedoch über Direktmarketing erzielen: Den entscheidenden Erfolg bestimmt die richtige Auswahl eines Mitarbeiters, der das Telefon als wichtiges Direkt-marketinginstrument beherrscht. Durch Vorauswahl geeigneter Adressen und den richtigen Aufhänger bleiben "Nieten" die Ausnahme.

Das Telefonat mit einem Interessenten sollte anhand eines persönlichen Leitfadens durchgeführt werden. Nach der kurzen Gesprächseröffnung beabsichtigt der Call-Agent, möglichst viele Informationen über den Kunden zu erhalten. Dazu gehören die derzeitige EDV-Ausstattung, das zukünftige Potenzial und die Zufriedenheit mit dem aktuellen Lieferanten. Gerade das Herausfiltern dieser Daten erfordert vom Kontakter Know-how und Einfühlungsvermögen in die Denkweise des Kunden. Jedes Telefonat mündet in die Abschlussphase, in der versucht wird, weiter gehende Schritte mit dem Interessenten zu vereinbaren. Als Beispiel wäre ein neuer Telefontermin in 14 Tagen zu nennen.

Noch Erfolg versprechender ist es, wenn der Kunde den Anrufer sofort um ein Angebot über eine bestimmte Konfiguration bittet oder sich im Idealfall ein Termin beim Kunden vereinbaren lässt. Ein Termin vor Ort eröffnet für den Verkäufer die größten Chancen, ein Geschäft anzubahnen, da Firmenkunden meist nur bei Händlern kaufen, die sie persönlich kennen gelernt haben.

Ein persönliches Gespräch wiederum bringt weit mehr Informationen, als sie telefonisch überhaupt erfragbar wären. Zudem gehen nicht alle Wettbewerber diesen persönlichen Weg, sondern versuchen, nur über das Medium Telefon zu verkaufen. Erfahrungen bestätigen jedoch immer wieder, dass ein Interessent erst nach einem Termin vor Ort zu einem Kunden entwickelt werden kann.

Das Verkaufsgespräch

Der erste Eindruck des Verkäufers ist von hoher Priorität für den kompletten Verlauf des Beratungsgespräches. Das Erscheinungsbild des Vertriebsmitarbeiters, die Gesprächseröffnung und die sich daran anschließenden Erläuterungen sind hier die wesentlichen Elemente. Der Verkäufer kann sich beispielsweise von der Kleidung her dem Käufer anpassen, sich höflich und aufmerksam benehmen und störende Verhaltensweisen vermeiden. Im Gesprächseinstieg sollte ein positiver Ansatz erkennbar sein, etwa "Sie haben ja ein schönes neues Firmengebäude". Anschließend werden wichtige Fragen angesprochen und durch aktives Zuhören Verständnis für den Käufer und seine Bedürfnisse entwickelt. Entscheidend hierbei ist es, gezielt Fragen zu stellen und den Kunden ausreden zu lassen. Aus Fragen ergeben sich folgende Vorteile:

- Fragen verkürzen und strukturieren das Gespräch.

- Fragen öffnen den Dialog.

- Fragen beweisen Qualifikation.

- Frage und Antwort = Zusammenarbeit.

Handelt es sich um einen wichtigen Neukunden, sollte der Termin vor Ort von zwei Mitarbeitern des Systemhauses wahrgenommen werden. Der zweite Mitarbeiter kann Notizen machen, während der erste das Gespräch mit dem Kunden führt. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass keine wichtigen Informationen verloren gehen, da alles mitnotiert wird. Des Weiteren kann der notierende Vertriebsbeauftragte bei Bedarf selbst Fragen stellen, falls der Gesprächsführer etwas Wichtiges verges-sen hat.

Gleichzeitig machen sich beide Mitarbeiter Gedanken über den Kunden und sind im Nachhinein in der Lage, ihn optimal zu betreuen. Für den Kunden ergibt sich auch ein positiver Eindruck, da sich der potenzielle neue Lie-ferant gleich mit zwei Personen um ihn bemüht. Auf keinen Fall sollten mehr als zwei Mitarbeiter den Kunden besuchen, außer er wünscht es ausdrücklich.

Wichtig beim ersten Termin ist die gründliche Vorbereitung. Hat die Telefonakquise bereits einige Informationen über den Kunden erbracht, sollten diese auf jeden Fall für das Gespräch mitverarbeitet werden.

Angebotspräsentation

Ist der Kontakt mit dem Kunden bereits so weit fortgeschritten, dass zu einem Termin gleich ein Angebot mitgebracht werden kann, sollte dieses auch entsprechend präsentiert werden. Der Verkäufer erklärt dem Kunden, worum es sich bei seinen Produkten oder Lösungen handelt, und kann sich dabei unter anderem des AIDA-Ansatzes bedienen:

Er geht schrittweise vor und weckt zunächst die Aufmerksamkeit (Attention) des Kunden, erhält das Interesse (Interest) aufrecht, schürt seinen Wunsch (Desire) nach dem Produkt und lenkt ihn schließlich hin zum abschließenden Kauf (Action). Der Vertriebsmitarbeiter stellt im Gespräch immer wieder den Nutzen für den Kunden heraus, wobei ihm die Ausstattungsmerkmale seines Produkts als Beleg für diese Vorteile dienen. Oft wird im IT-Verkauf der Fehler begangen, Produkteigenschaften in den Vordergrund zu stellen, statt das Plus für den Kunden zu betonen.

Es haben sich drei typische Arten von Angebotspräsentationen herausgebildet, nämlich die Fertigmethode, die Bausatzmethode und die individuelle Bedürfnis-erfüllung. Sehr früh schon wur-de die Fertigmethode entwi-ckelt: Hier deckt eine einstudierte Unterhaltung die wesentlichen Punkte ab. Gedanklich liegt diesem Ansatz der Stimulus-Res-ponse-Mechanismus zugrunde, das heißt, dass ein passiver Käufer durch ein passendes Wort oder Bild beziehungsweise die richtige Formulierung oder Handlung zu einer Kaufreaktion bewegt werden kann. "Fertigpräsentationen" werden vor allem im Verkauf per Telefon oder an der Haustür eingesetzt.

Die Bausatzmethode beruht ebenfalls auf dem Stimulus-Response-Mechanismus, zielt jedoch darauf ab, im Frühstadium zunächst die Bedürfnisse des Kunden und sein Kaufverhalten zu erfassen. Für unterschiedliche Käufertypen und Situationen wird jeweils ein anderer Ansatz vorformuliert. Wie der Käufer denkt und was er braucht, stellt der Verkäufer in der Diskussion fest. Danach geht er zur vorformulierten Präsentation über, mit der dargelegt wird, auf welche Weise das Produkt oder die Lösung dem Käufer hilft. Die Präsentation ist dabei nicht im Einzelnen vorgefertigt, sondern folgt einem generellen Ablaufplan.

Die individuelle Bedürfniserfüllungsmethode beginnt mit der Suche nach den wirklichen Wünschen des Kunden, indem man ihn ermutigt, ausführlich darüber zu sprechen. Hier kommt es da-rauf an, gut zuzuhören und passende Problemlösungen vorzu-tragen. Wenn die Angebotspräsentation durch Hilfsmittel wie Broschüren, audio-visuelle Hilfsmittel, Computersimulationen oder Multimediaeinsatz veranschaulicht wird, ist bereits der erste Schritt in Richtung Wett-bewerbsvorteil getan.

Einwandbehandlung und Abschluss

Der Endkunde bringt oft Einwände vor - entweder bereits während der Präsentation oder erst dann, wenn es um die Bestellung geht. Die Ursachen dafür können psychologische oder logische Widerstände sein. Psychologische Widerstände liegen vor, wenn der Kunde meint, man mische sich in seine Angelegenheiten ein, wenn er seine alten Gewohnheiten liebt, gleichgültig ist, nur zögerlich etwas aufgibt, mit dem Verkäufer Unangenehmes assoziiert, glaubt, bevormundet zu werden, oder Entscheidungen scheut. Logische Widerstände resultieren aus Einwänden gegen den Preis, den Liefertermin oder gewisse Merkmale des Produkts oder des Unternehmens.

Um diese Einwände zu entkräften, sollte der Verkäufer sie möglichst von der positiven Seite anpacken. Er sollte den Käufer zur Präzisierung seiner Einwände veranlassen, ihm Fragen stellen, sodass er selbst eine Antwort auf sein "Aber" findet, die Gültigkeit des Einwands in Frage stellen oder den Einwand selbst in einen Kaufgrund ummünzen. Der Mitarbeiter sollte in Verhandlungstechniken geschult sein, die auch die Entkräftung von Einwänden beinhalten. Beispiele für diese Techniken sind die Methode der bedingten Zustimmung ("Ja natürlich, aber ..."), die Bumerang-methode ("Ja, gerade weil das Produkt so teuer ist, ...") und die Referenzmethode ("Auch Kunde XY setzt unsere Lösung ein").

Der psychologisch richtige Moment des Abschlusses

In der Abschlussphase zielt der Verkäufer auf den Vertragsabschluss ab. Manche Vertriebsmitarbeiter schaffen es nicht, bis in diese Phase vorzudringen, oder sie schlagen sich hier nicht besonders gut. Sie verfügen entweder nicht über das nötige Selbstvertrauen, bekommen ein schlechtes Gewissen, wenn Sie um den Auftrag bitten, oder sie verpassen den psychologisch richtigen Moment des Abschlusses.

Verkäufer müssen lernen, aus dem physischen Verhalten, den Behauptungen, Anmerkungen und Fragen des Käufers Abschlusssignale zu entnehmen. Zum richtigen Zeitpunkt muss dann als logische Folge der eigentliche Abschluss eingeleitet werden, und zwar geschieht das auf vielerlei Weise: Er kann schlicht und einfach um den Auftrag bitten; er kann die Punkte zusammenfassen, in denen Übereinstimmung erzielt wurde; er kann den Käufer fragen, ob er das PC-Modell A oder B wünscht, oder er kann auf die Nachteile hinweisen, wenn die Bestellung aufgeschoben wird. An dieser Stelle werden auch spezielle Abschlussanreize angeboten: ein Sonderpreis, eine mengenmäßige oder eine symbolische Zugabe.

Reklamationsmanagement

Von besonderer Bedeutung für die Beziehung zwischen Un-ternehmen und Kunden ist die Art der Reklamationsbehandlung. Fehler hierbei sind für den Ruf der Firma äußerst schädlich und gefährden dadurch massiv die eigene Wettbewerbsfähigkeit.

Untersuchungen zur Kundenzufriedenheit ergaben, dass sich durchschnittlich 25 Prozent der Kunden nach dem Kauf unzufrieden fühlten. Es überrascht he-rauszufinden, dass ungefähr fünf Prozent davon sich beschweren, während 95 Prozent der Unzufriedenen glauben, dass der Aufwand sich nicht lohnt oder dass sie schlichtweg nicht wissen, an wen sie die Beschwerde richten sollen.

Von den fünf Prozent, die sich beschweren, berichtet etwa die Hälfte, dass das Beschwerdeprob-lem zufrieden stellend gelöst wurde. Im Durchschnitt leitet der zufriedene Kunde gute Erfahrungen an drei Personen weiter, während der unzufrieden Kunde sich bei elf Leuten negativ äußert. Wenn jeder dieser elf anderen darüber berichtet, dann wächst die Anzahl der Leute außerordentlich, die schlechter Mundpropaganda ausgesetzt sind.

Auch wurde ein interessantes Phänomen herausgefunden: Kunden, deren Beschwerdeproblem zufrieden stellend gelöst wurde, halten dem Unternehmen in größerem Maße die Treue als Kunden, die nie Anlass zur Unzufriedenheit haben. Etwa 34 Prozent der Kunden kauften erneut vom Unternehmen, wenn ihre Reklamation perfekt gelöst wurde. Bei kleineren Mängeln waren es sogar 52 Prozent. Wenn das Problem schnell gelöst wird, dann waren es zwischen 52 Prozent (bei großen Beschwerden) und 95 Prozent (bei kleinen Beschwerden), die erneut vom Unternehmen kauften. Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, welchen Stellenwert das Reklamationsmanagement in einem Unternehmen genießen sollte.

Die Händler sollten deshalb ein Programm zur systematischen Leistungsnachbesserung einrichten, denn bisher wird eine Reklamation häufig als etwas Lästiges angesehen, was schnell aus der Welt geschafft werden muss, denn als eine Chance, den Kunden langfristig an das Unternehmen zu binden.

Zwei Ansprechpartner für den Kunden

Dazu gehört als Erstes, dass es den unzufriedenen Kunden leicht gemacht wird, sich beim Unternehmen zu beschweren, und sie dabei den Eindruck gewinnen, sich an die richtige Stelle zu wenden. Optimal wäre, wenn der Kunde zwei Ansprechpartner erhielte, einen aus dem Vertrieb und einen aus der Technik, die er bei Problemen direkt ansprechen kann.

Zweitens müssen Mitarbeiter, denen Beschwerden vorgebracht werden, gut geschult und ermächtigt sein, Kundenprobleme schnell und zufrieden stellend zu lösen. Jeder Kunde, der eine EDV-Anlage kauft, sollte zu diesem Zweck einen technischen Ansprechpartner erhalten, wenn möglich denselben, der die Anlage konfiguriert hat. Bei Fragen und Problemen steht ihm dieser "persönliche Techniker" zur Verfügung.

Als Drittes gehört zu solch einem Programm mehr, als nur den einzelnen Kunden zufrieden zu stellen. Es müssen die Gründe für wiederholte Kundenprobleme gesucht und beseitigt werden. Wenn Beschwerdemuster systematisch analysiert werden, kann das Unternehmen Systemschwächen erkennen und beseitigen, die in der Regel die Ursachen für die Unzufriedenheit der Kunden sind.

Eine wesentliche Rolle in diesem Zusammenhang spielen die eigenen Mitarbeiter. Führende Dienstleistungsunternehmen sind der Meinung, dass sich die Beziehungen zu den eigenen Mitarbeitern auch auf die Beziehungen zum Kunden auswirken. Daher schaffen sie ein Arbeitsumfeld, in dem die Mitarbeiter gefördert und für gute Leistungen belohnt werden. Außerdem erkundigt man sich regelmäßig danach, ob die Mitarbeiter selbst mit ihrer Tätigkeit zufrieden sind. Manche Ansichten gehen sogar so weit, dass die Mitarbeiter des Unternehmens und nicht die Kunden erste Priorität haben.

Als goldene Grundregeln für die Reklamationsbehandlung lassen sich folgende anführen:

- schweigen und zuhören,

- Probleme notieren,

- sich entschuldigen,

- sich bedanken und rasch erledigen,

- nach Problemlösung nochmals anrufen.

Neukundengewinnung

Die Aktivitäten eines Unternehmens zur Gewinnung neuer Abnehmer unterscheiden sich fundamental von denen, die zur Betreuung von Bestandskunden benötigt werden. Für ein Systemhaus ist es aus folgenden Gründen von entscheidender Bedeutung, seine Kundenbasis stetig zu erweitern:

Bestehende Kunden können verloren gehen durch

- Abwanderung zur Konkurrenz,

- Konjunkturschwierigkeiten,

- Wechsel der Ansprechpartner,

- Änderung der Unternehmenspolitik und

- Insolvenz.

Risikominimierung aufgrund breiterer Kundenbasis durch

- geringere Abhängigkeit von wenigen Kunden,

- größere Marktübersicht,

- Wissen, wie sich die Konkurrenz verhält und

- weniger Schwankungen im Absatzvolumen.

Bleibende "Verkaufsstärke" des Vertriebes durch

- ständige Aktivität am Markt,

- Druck auf den Wettbewerb und

- Forderung nach ständiger Weiterentwicklung der Verkaufstechniken.

Für die systematische Neukundengewinnung sind gewisse Grundregeln zu beachten: Zunächst sollten Mitarbeiter im Vertrieb definiert sein, die primär für den Neukundenaufbau eingesetzt werden. Da sich die Anforderungen von Neukundengewinnung und Bestandskundenbetreuung unterscheiden, empfiehlt es sich, die Aufgaben des Vertriebes hie-rin zu trennen. Beispielsweise betraut man einen oder zwei Verkäufer in einem Team mit dem reinen Neukundenaufbau.

Nach der Definition der Betreuer sollte deren Kenntnisstand abgefragt werden. Wichtig im Neukundengeschäft sind Geschicklichkeit in der Telefonakquise und entsprechendes Auftreten beim Kunden. Durch Schulungen lassen sich eventuelle Defizite in diesen Bereichen aufheben. Die effektive Neukundengewinnung erfordert zudem klar definierte Vorbereitungen. Zunächst ist festzustellen, welche Industriezweige und Firmen bearbeitet werden sollen.

Eine weitere Frage stellt sich nach der geplanten Absatzregion. Es ist sinnvoll, im Neukundengeschäft die Akquise in einer ausgewählten Region zu forcieren und nicht unabhängig vom Standort einer Firma zu agieren. In einem Gebiet lassen sich demgegenüber schnell Synergieeffekte erzielen. Die potenziellen Kunden sind leicht zu erfassen. Dies gelingt über einen Zugriff auf Branchen- und Unternehmensverzeichnisse oder bereits vorhandene Daten.

Gute Analysen können auch durch Vorabbesuche aufgebaut werden, indem der Neukundenverkäufer sein Zielgebiet abfährt und alle in Frage kommenden Firmen notiert. Unter Umständen lässt er sich gleich an der Pforte den richtigen Ansprechpartner nennen. Dieser Weg ist zwar mühsam, doch kann eine Neukundendatenbank relativ lückenfrei aufgebaut werden.

Nach der Erarbeitung einer Akquiseliste beginnt die eigentliche Arbeit, die Aktivität beim Kunden. Da die Unternehmen zunehmend mit Informationen überschüttet werden, empfiehlt es sich als telefonisches Gesprächsziel, Termine beim Kunden vor Ort zu vereinbaren. Dies erfordert Können in der telefonischen Kommunikation, das nur durch Beständigkeit und Übung erreicht wird. Nach der Terminvereinbarung muss sich der Verkäufer auf das bevorstehende Gespräch gut vorbereiten.

Wichtige Gesprächsinhalte bei einem Neukunden sind

- überzeugende Präsentation des eigenen Unternehmens,

- Herausstellen von Besonderheiten im Angebotsspektrum,

- Nutzenargumente für den Kunden,

- detaillierte Analyse der Kundensituation sowie

- Abschluss und weitere Vorgehensweise.

Es ist wichtig, zum Ende des Gesprächs einen Ansatzpunkt für weitere Kontakte zu finden. Das bedingt eine zielgerichtete Analyse des Kunden (W-Fragen), durch die die Grundlage für ein Angebot oder eine weitere Information geschaffen wird. Nach dem Termin müssen die offenen Punkte oder Fragen des Kunden umgehend abgearbeitet werden. Oft wird der Fehler gemacht, sich sofort in andere Projekte und Termine zu stürzen, anstatt den Termin ordentlich abzuschließen. Nur dann schafft der Verkäufer sich die Basis für weitere Gespräche.

Management derBestandskunden

Von entscheidender Bedeutung neben der Neukundengewinnung ist für das Systemhaus jedoch die gute und langfristig angelegte Betreuung der bestehenden Kunden. Bestandskunden sind aus folgenden Gründen wichtiger.

Die Kosten zur Gewinnung eines Neukunden liegen bis zu 14 Mal höher als zur Betreuung eines Bestandskunden:

- Ein Neukunde muss zunächst über einen längeren Zeitraum besucht und kontaktiert werden, um überhaupt erst einmal Aufträge zu erbringen.

- Die Rahmenkonditionen (Liefer- und Zahlungsbedingungen et cetera) im Neukundengeschäft sind häufig schlechter als bei Bestandskunden, da ja der bestehende Partner meistens unterboten werden muss.

- Für die Akquisition sind hohe Anlaufkosten notwendig (Mailings, Workshops, Unternehmensbroschüren).

Bei Bestandskunden sind die Erträge um ein Vielfaches höher:

- Der bestehende Kunde honoriert eine langfristige Geschäftsbeziehung.

- Einem Bestandskunden kann die ganze Palette des Leistungsangebots offeriert werden.

- Der Konkurrenzdruck ist geringer als bei Neukunden.

Bestandskunden sind als Referenz für neue Projekte ausbaufähig:

- Treue Bestandskunden werden ein Unternehmen gerne weiterempfehlen.

- Der Bezug auf einen Bestandskunden bringt Vorteile bei anderen Kunden.

Bestandskunden sind kalkulierbar für den angestrebten Umsatz:

- Bei Bestandskunden kann zu Beginn des Jahres mit einem gewissen Umsatz kalkuliert werden.

- Neukunden müssen immer wieder erarbeitet werden.

Leichtere Überzeugungsarbeit als bei Neukunden:

- Bestandskunden sind leichter von neuen Angeboten des Sys-temhauses zu überzeugen als neue, da hier schon eine Vertrauensbasis besteht.

Um einen Kunden langfristig an ein Unternehmen zu binden, muss zuerst analysiert werden, weshalb ein Kunde überhaupt eine Geschäftspartnerschaft von sich aus beendet. Eine Befragung von Jan L. Wage unter 487 europäischen Unternehmen gibt hierüber erstaunlichen Aufschluss (siehe Tabelle "Gründe für Lieferantenwechsel").

Das entscheidende Problem liegt demnach nicht in den Preisen oder in der Qualität, sondern in der Betreuung des Kunden. Ein Kunde, der nicht zufrieden stellend und zuvorkommend behandelt wird, ist trotz guter Preise und guter Qualität bereit, zu einem Wettbewerber überzuwechseln.

Es zeigt sich, dass viele herkömmliche Methoden der Kundenbindung damit ganz deutlich ihre Relevanz verlieren. Ein Beispiel ist der gute technische Service, mit dem viele Händler einen Kunden zufrieden stellen wollen.

Ein taktisch klug vorgehendes Systemhaus würde nun versuchen, sich über einen anderen Kanal als die Technik bei dem Kunden zu etablieren. Aufbauend auf gute Leistungen in diesem Bereich könnte der Kunde Zug um Zug gewonnen und die Vorzüge des alten Partners umgangen werden.

Um nun die Treue und Loyalität eines bestehenden Kunden zu einem Systemhaus zu stärken, sind zwei Vorgehensweisen denkbar:

- Hürden gegen den Wechsel zu Konkurrenten einrichten und

- Kundenzufriedenheit erhöhen.

Kunden sind weniger geneigt, ihren Lieferanten zu wechseln, wenn damit neue Investitionen, der Verlust von Bonusregelungen und andere hinderliche Umstände verbunden sind. Die Einführung solcher Hürden geschieht in der Regel im Interesse des Anbieters und nicht des Kunden.

Kunden mögen in der Regel vom Anbieter gestaltete Barrieren nicht, denn sie werden dann wirksam, wenn der Händler gegenüber dem Wettbewerber in der Betreuung abfällt und der Kunde besser zu dem leistungsfähigeren Wettbewerber wechseln sollte. Gerade im Softwaremarkt gibt es viele Fälle, in denen Händler den Kunden durch eine Individualprogrammierung derart an ihre Software binden, dass diese nur unter erheblichen Kosten zu anderen Produkten wechseln können.

Zufriedenheit ist die beste Kundenbindung

Die zweite und bessere Alternative der Kundenbindung besteht darin, den Kunden in hohem Maße zufrieden zu stellen. Dann wenden sich die Kunden zuerst an "ihren" Anbieter, ohne sich intensiv zu bemühen, die alternativen Wettbewerber in Betracht zu ziehen. Gelingt dies, wird es für einen Wettbewerber schwieriger, diesen Kunden für sich zu ge-winnen. Eine solch starke Kundenbindung kann insbesondere durch ein umfassendes und starkes Beziehungsmarketing erarbeitet werden.

Bausteine dieser Beziehungspflege können folgende Aspekte sein:

- freundliche Begrüßung am Telefon seitens der Zentrale, des Verkäufers oder eines Technikers,

- generelle Höflichkeit gegenüber allen Kunden, nicht nur gegenüber den Großkunden,

- Verbesserung der telefonischen Erreichbarkeit von Vertrieb und Technik,

- zuverlässige Rückrufe aller Mitarbeiter innerhalb vier bis sechs Stunden fördern das Vertrauen des Kunden,

- regelmäßige Besuche von wichtigen Kunden, nicht nur zwecks Neuabschluss,

- Kundendiensttechniker als positive "Imageverkäufer" vor Ort,

- Garantiefälle werden zügig und kulant abgewickelt,

- Kunde wird über den Bearbeitungsstand des Servicefalles informiert,

- Kunde wird aktiv über neue Technologien in Workshops oder Hausmessen informiert und

- wichtige Kunden werden von mehreren Ansprechpartnern betreut.

Beziehungsmarketing kann sich für ein Systemhaus durch höheren Umsatz und Gewinn auszahlen. Wichtig dabei ist, dem Kunden vom eigenen Unternehmen einen positiven Eindruck zu vermitteln und diesen dann durch laufende Aktionen zu vertiefen.

*Andreas Herch ist Vorstand der Sahl Computer AG in Augsburg.

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