Der Einfluss der weichen Faktoren

Die Unternehmenskultur gezielt verändern



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Kulturveränderungen erfordern Zeit

Viele Unternehmensführer sind zudem (zu Recht) davon überzeugt: Die Kultur eines Unternehmens lässt sich nur allmählich und mit einem hohen Energieaufwand verändern. Also verzichten sie im Alltag ganz auf einen entsprechenden Versuch, weil es nach ihrer Auffassung stets "Wichtigeres" beziehungsweise "Dringlicheres" zu tun gibt. Diese Haltung ist verständlich. Denn ebenso wie es seine Zeit dauert, Rennpferde zu züchten, dauert es auch seine Zeit, aus behördenähnlich agierenden Unternehmen kundenorientierte Dienstleister zu machen.

Drei bis fünf Jahre muss man hierfür bei größeren Organisationen schon einkalkulieren. Denn um einen solchen (mentalen) Turnaround zu vollziehen, genügt es nicht, die Strukturen zu verändern. Das Unternehmen muss auch neue Formen der Zusammenarbeit wie zum Beispiel eine "hierarchiearme" Projektarbeit fördern. Zudem müssen die Mitarbeiter neue Denk- und Handlungsmuster und -routinen entwickeln. Das erfordert seine Zeit.

Trotzdem sollte der Versuch nicht unterbleiben, die Unternehmenskultur zu gestalten. Denn anders lassen sich viele unternehmerische Ziele, wie zum Beispiel der "Technologie-" oder der "Serviceführer" oder das "ertragsstärkste Unternehmen" in der Branche zu werden, nicht erreichen.

Dranbleiben und Konsequenz zeigen

Doch Vorsicht! Nicht selten scheitert der Versuch, die Kultur zu verändern. Eine häufige Ursache hierfür: Die Unternehmensführer formulieren zwar entsprechende Entwicklungsziele, doch kaum sind sie verkündet, wenden sie sich anderen Dingen zu. Und die Aufgabe, die für die Veränderung nötigen Entwicklungsmaßnahmen einzuleiten und umzusetzen? Diese delegieren sie an eine junge Führungskraft, die sich bewähren soll, oder eine Stabsabteilung.

Bei einem solchen Vorgehen kommt bei den Mitarbeitern die Botschaft an: Allzu wichtig kann das Ganze für unsere "Chefs" nicht sein, sonst würden sie sich selbst darum kümmern. Fatal wird dieses Signal, wenn die Unternehmensführung zudem in der Folgezeit widersprüchliche Botschaften an die Mitarbeiter sendet. Das ist oft der Fall. Hierfür drei Beispiele:

  1. Beispiel 1: Der Vorstand eines Unternehmens verkündet "Wir wollen die Nummer 1 in Sachen Kundenorientierung werden"; die Leistung der Bereiche misst er aber weiterhin rein am Ertrag.

  2. Beispiel 2: Ein Vertriebsleiter propagiert ein aktives Verkaufen. Er kontrolliert aber zum Beispiel nicht, ob seine Mitarbeiter Angebote nachfassen.

  3. Beispiel 3: Ein Bereichsleiter verkündet "Wir führen in jedem Quartal ein Mitarbeitergespräch, weil dies wichtig ist". Doch wenn diese anstehen, verschiebt er sie regelmäßig oder lässt sie ganz ausfallen.

Wenn Unternehmensführer einen kulturellen Wandel wünschen, müssen sie dies durch ihr Verhalten dokumentieren. Sie müssen ihren Mitarbeitern die "neue" Kultur vorleben. Hierfür ein Beispiel: Der Vorstand sagt: "Wir wollen eine Vertrauenskultur entwickeln und künftig nicht mehr einen großen Teil unserer Arbeitszeit damit verschwenden, uns abzusichern". Dann muss der Vorstand auch selbst zeigen, dass er bereit ist, Risiken einzugehen. Zudem darf er Mitarbeiter nicht an den Pranger stellen, wenn sie Fehler machen. Und er sollte durch symbolische Handlungen signalisieren: Fortan ist ein neues Verhalten gefragt.

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