Dienstleistungen geraten zur Überlebensfrage

22.02.2001
Auf der einen Seite die Broadline-Distributoren mit perfekt organisierter Logistik, auf der anderen die Storage-Hersteller, die durch E-Business-Konzepte zunehmend in die Lage versetzt werden, Direktgeschäfte zu tätigen - wer sich im hart umkämpften Speichermarkt als spezialisierter Distributor behaupten will, benötigt Kreativität und Durchsetzungsvermögen.

Für Ian French, CEO von Großbritanniens Number-One-Storage-Distributor Ideal Ltd., gibt es keinen Zweifel: Wer als Speicheranbieter an traditionellen Vermarktungskonzepten festhält und sich weiterhin auf den hochvolumigen Vertrieb von Speicherkomponenten wie Festplatten fokussiert, wird früher oder später das Schicksal der Dinosaurier teilen.

Immer kürzere Produktzyklen und kontinuierlich schrumpfende Margen führen, so French, unweigerlich zu spürbaren Gewinneinbußen. Dieses Kapital fehlt dann dem Zwischenhändler, um dringend benötigte strukturelle Investitionen in wichtigen Geschäftsbereichen zu tätigen. Wer als Betroffener ausschließlich auf das Allheilmittel Kostenreduzierung durch Konsolidierung vertraut, unterschätzt nach Frenchs Ansicht die Komplexität der Thematik.

Die Liste der Ursachen für das Dilemma, dem sich viele Storage-Distributoren aktuell gegenüber sehen, ist lang. "Häufig fehlt eine klare Unterscheidung zwischen Volume- und Value-Produkten", so French gegenüber ComputerPartner. "Margen werden falsch eingeschätzt und durch hohe Vertriebskosten aufgefressen, auch die notwendige Qualifikation der Vertriebsmitarbeiter wird oft vernachlässigt".

Personalmangel hemmt Umstrukturierung

Und für den Ideal-Chef wird alles noch schlimmer: "Das Marketing vieler Storage-Distributoren ist einfallslos und wenig zielgerichtet, Händler und Kunden werden mit fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten von hochwertigen und teuren Speicherlösungen allein gelassen. Und E-Commerce wird als Bedrohung angesehen, statt es als leistungsfähiges Geschäftswerkzeug zu betrachten", meint French.

Die Übernahme der Ideal Ltd. durch den weltweit größten US-amerikanischen Storage-Distributor Bell Microproducts im August 2000 hat der CEO dazu genutzt, seinem Unternehmen eine komplett neue Organisationsstruktur zu verordnen.

"Wichtige Eckpunkte in unserem neuen Geschäftskonzept sind: ausgewogenes Produktportfolio von der Harddisk bis zum Storage Area Network (SAN), gutes Verständnis für Strategie der Hersteller und selbstverständlich fundierter Einblick in die Fähigkeiten des jeweiligen Produktes. Enge strategische Partnerschaften sowohl mit Herstellern als auch mit Kunden sind für uns unabdingbar", umreißt French die neue Firmenphilosophie von Ideal. Unterstützt wird diese Neuausrichtung durch hohe Investitionen in die Geschäftsbereiche "Enterprise Sales" und "Service und Support". Das auch hierzulande massiver Handlungsbedarf besteht, ist nicht erst seit der Schließung der Megabyte GmbH unbestritten. Andreas Brandl, Produktmarketing-Manager beim Feldkirchener Speicherdistributor CPI, warnt dennoch vor Patentrezepten und blindem Aktionismus: "Vertriebsmodelle, die in den USA oder England erfolgreich sind, müssen deshalb noch lange nicht in Deutschland funktionieren."

Der CPI GmbH ist es im letzten Jahr gelungen, den Anteil der klassischen Komponenten-Distribution von 90 Prozent auf 70 Prozent des Gesamtumsatzes zu reduzieren. In wie weit und vor allem wie schnell sich derartige Umstrukturierungen realisieren lassen, ist nach Brandls Worten heute allerdings nicht nur eine Geld- sondern vor allen Dingen eine Personalfrage.

Wie in allen IT-Bereichen sind auch im Fachhandel qualifizierte Spezialisten Mangelware. Mit täglichen 30-minütigen Produkt- und Technologie-Trainings werden deshalb die CPI-Vertriebsmitarbeiter kontinuierlich aus- und weitergebildet. Ganz oben auf der Schulungsliste stehen neben Raid-Sys-temen mittlerweile auch SAN- und NAS-Architekturen (Network Attached Storage).

Speziell im Mittelstand öffnet sich Fachhändlern und Systemhäusern nach Brandls Einschätzung ein enormes und bis dato weitgehend unerschlossenes Geschäftspotenzi-al. Bei der Abwicklung derartiger Projekte steht CPI den Händlern mit Rat und Tat zur Seite.

Die Unterstützung reicht von gemeinsamen Kundenbesuchen bis hin zur Erstellung detaillierter Projektbeschreibungen. Dass derartige Dienstleistungen Geld kosten, ist dem Handel nach Brandls Worten allerdings häufig nur schwer zu vermitteln. Bei CPI werden deshalb die Beratungsgebühren im Falle der Auftragserteilung meist über die Kosten der für das Projekt benötigten Hardware und Software verrechnet.

Einen Schritt weiter ist bereits der Wiesbadener Storage-Spezialist TIM AG. Vom Vertrieb reiner Sto-rage-Komponenten hat man sich dort nahezu völlig verabschiedet und sich statt dessen auf das Lösungs- und Projektgeschäft fokussiert. "Wir verstehen uns definitiv nicht mehr als Distributor sondern als Integrator", macht Rainer Hilsenbeck, Mitglied des TIM-Vorstandes, deutlich.

Storage-Integrator statt -Distributor

Die Abrechnung von Consulting und Services ist hier inzwischen kein Thema mehr. Leistungen wie SAN-Interoperabilität-Tests, Installation und Integration, Customizing, Schulungen, Einweisung und weitere Services sind transparent aufgeschlüsselt, in einem separaten Leistungskatalog ausgewiesen und haben ihren festen Preis. "Wir bieten den Systemhäusern alles aus einer Hand - von der Planung und Konzeption über die Bereitstellung, Evaluierung und Tests der Hardware bis zu Installations-Services. Je nach Qualifikation und Ressourcen kann der Partner entscheiden, welche Leistungen er selbst erbringt und wann er auf uns zurückgreift", erläutert Hilsenbeck das TIM-Geschäftsmodell.

Dieses Konzept stößt nach seinen Worten auf immer breitere Akzeptanz. Denn, statt um ein paar Mark zu sparen, heute hier und morgen dort einzukaufen, suchen nach Beobachtungen von TIM inzwischen immer mehr Händler und Systemhäuser nach langfristigen strategischen Partnerschaften.

Dieser Trend schlägt sich bereits auch beim Fachhandel nieder. Aufgrund der starken Nachfrage seitens der Partner hat TIM das vor zwei Jahren aufgesetzte und auf 20 Partner begrenzte SAN-Solution-Provider-Programm jetzt erweitert. Bis zu 40 Händler und Sys-temhäuser können sich nun ab sofort von TIM für die neue Vertriebs- und Marketing-Plattform "Storage Automation Integration" zertifizieren lassen.

Weitere Ideen rund um Storage-Dienstleistungen liegen, glaubt man den TIM-Verantwortlichen, bereits weitgehend fertig in der Schublade. Noch in diesem Jahr möchte der Distributor seine Angebotspalette um Storage-Service- Providing (SSP) erweitern. "Wir haben uns einiges einfallen lassen, unser Storage-on-Demand-Konzept wird sich deutlich von den bisher am Markt bekannten, abheben", verspricht Hilsenbeck. An dem für die Umsetzung notwendigen Inves-titionskapital soll das ganze laut TIM nicht scheitern. So ist noch für dieses Jahr der Börsengang der Aktiengesellschaft vorgesehen.

www.bellmicro.com

www.cpigmbh.de

www.tim.de

Computer-Partner-Meinung

Obwohl die Bedeutung gespeicherter Informationen ständig wächst, zählt die Speicherung und sichere Verwaltung elektronischer Daten nur in den seltensten Fällen zu den Kernkompetenzen von Wirtschaftsunternehmen. Der Mangel an geeignetem Fachpersonal einerseits und der zunehmendes Druck, sich auf die eigenen, unternehmensspezifischen Kernkompetenzen zu fokussieren, andererseits, zwingt Banken, Handwerksbetriebe oder Anwaltskanzleien, ihre IT-Infrastruktur samt zugehörigem Service in fremde Hände zu legen Qualifizierten Speicherspezialisten eröffnet sich deshalb bereits heute ein Betätigungsfeld, das weit über den isolierten Vertrieb von einzelnen Speicherkomponenten hinausgeht. (sd)

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