Fegefeuer der Eitelkeiten: Kompetenzgerangel statt Integration

22.02.2001
T-Systems ist endlich am Start, die vergangenen Monate wurden unter "Integrationsprozess" verbucht. Tatsächlich tobte hinter den Kulissen ein erbitterter Machtkampf zwischen Debis-Crew und Ron-Sommer-Gefolge. Dem Gerangel fiel auch PCM-Gründer Norbert Reithmann zum Opfer.

Hollywood in Berlin: Zum offiziellen Startschuss der neuen Telekom-Tochter T-Systems gaben Christian Hufnagl, Vorsitzender der Geschäftsführung und Aufsichtsratsvorsitzender Josef Brauner eine preisverdächtige Vorstellung von Harmonie und Stärke: In spätestens vier Jahren werde man IBM die Marktführerschaft bei Systemlösungen abjagen, in fünf Jahren gar soviel zum Umsatz des Ron-Sommer-Imperiums beitragen, wie heute das Kerngeschäft mit Telefondiensten. Die "vierte Säule der Telekom" bündele das Know-how von 37.000 Mitarbeitern und stehe heute schon für Umsätze von rund elf Milliarden Euro.

Seit Mai flogen Intern die Fetzen

Soviel zur Theorie. Die Praxis in dem Gemeinschaftsunternehmen, bestehend aus Debis Systemhaus (Telekom 50,1 Prozent, Daimler Chrysler 49,9 Prozent) und diversen Telekom-Töchtern, sieht anders aus, behaupten nun Insider. Seit das Bundeskartellamt vor knapp einem halben Jahr den Segen für die Mehrheitsbeteiligung der Deutschen Telekom an dem Systemhaus erteilte, seien intern nur noch die Fetzen geflogen: "Die Debis- und Telekom-Leute sind sich spinnefeind", heißt es.

Das es in dem Gemeinschaftsunternehmen Integrationsschwierigkeiten gibt, ist längst kein Geheimnis mehr. Bereits im September machten Gerüchte über ein mögliches Scheitern des Joint-Ventures die Runde (siehe ComputerPartner 32/00, Seite 16). Damals wurden die Anlaufschwierigkeiten von beiden Seiten heftig dementiert, doch inzwischen räumt selbst Hufnagl ein: "Es ist doch klar, dass sich nach Fusionen alle erst einmal neu orientieren müssen, und dass das gerade am Anfang auch mal schwierig sein kann."

Unternehmensnahen Kreisen zufolge war es aber mehr als eine Neuorientierung an der Basis: Demnach tobte hinter den Kulissen zwischen den Telekom- und den Ex-Debis-Leuten ein monatelanger Machtkampf um Posten und Kompetenzen. Einer der Verlierer ist Norbert Reithmann, Gründer der PCM Computer AG und zuletzt Chef der Desktop Services bei TSystems. Er verließ als einer der Letzten das Unternehmen Ende des vergangenen Jahres - soll gefeuert worden sein.

Schuld sei der kompromisslose Führungsanspruch von Telekom-Chef Ron Sommer, sagen Insider. Nach der Ankündigung der Debis-Systemhaus-Übernahme durch die Telekom trafen sich die Unternehmensspitzen im Mai vergangenen Jahres auf dem Petersberg zum gegenseitigen Beschnuppern. Dort erwischte der neue Chef seine Manager prompt auf dem falschen Fuß, berichtet ein Teilnehmer: "Die Botschaft an die Debis-Leute lautete: Jetzt seid ihr mal in einem richtigen Unternehmen. Und wenn wir mal einen Fuhrparkverwalter brauchen, kaufen wir uns Daimler Chrysler." Sommer habe durchblicken lassen, wem die neue Strategie nicht passe, der könne ja von Bord gehen. Für die eingeschworene Debis-Crew ein Schock: "Wir hatten das Know-how und die Erfahrung, waren etabliert. Die anderen waren doch nur kleine Telekom-Dienstleister", so ein Mitarbeiter.

Seitdem dreht sich das Personalkarussel bei T-Systems schwindelerregend schnell. Der erste Chef des Gemeinschaftsunternehmens Konrad Reiss warf noch vor dem offiziellen Startschuss hin: "Der hatte keine Lust, unter Achinger zu arbeiten, und ließ sich seinen Abgang vergolden", so ein Informant. Karl-Heinz Achinger, bis dato Vorsteher des Systemhauses, sollte Gerüchten zufolge eigentlich gefeuert werden, konnte dem Aufsichtsratsvorsitzenden und Ron-Sommer-Intimus Josef ("Jo") Brauner aber rechtzeitig vermitteln, dass er der richtige Mann für den anstehenden Integrations-prozess sei.

Steuerlicher Schachzug bremst Integration

Dieser gestaltete sich von Anfang an sehr schwierig. Aufgrund eines steuerlichen Schachzugs (steuerfreier Verkauf von Beteiligungen) wurde das Joint-Venture erst zum 1.1. 2001 rechtsgültig, berichtet der Informant. Bis dahin seien T-Sys-tems und das Debis Systemhaus "nebeneinander hergeschwebt", man habe dennoch versucht, eine gemeinsame Struktur zu erarbeiten. Das habe nicht funktioniert: "Die Debis-Crew wollte sich die künftige Marschrichtung nicht einfach von den Telekom-Töchtern vorgeben lassen." Und weil Achinger das ähnlich sah, habe Ron Sommer im Gegenzug begonnen, seine Leute in wichtige Funktionen zu positionieren. Beispielsweise Regine Büttau als Personalverantwortliche: "Ist wohl purer Zufall, dass ihr Mann ein hohes Tier bei der Post-gesellschaft ist", höhnte es prompt aus der Ex-Debis-Ecke in Richtung Öffentlichkeit. Finanzchef Joachim Galla ist zwar nicht so geschickt verheiratet, gilt aber als absolut treu ergebener Gefolgsmann von Sommer. Ebenso Christian Hufnagl, der als zusätzlicher Chairman und Gleichgewicht zu Achinger eingebracht wurde. "Die beiden haben sich von Anfang an gegenseitig ausgebremst, wo es nur ging", so der Informant.

Die Fronten schienen verhärtet, bis Achinger die Friedenspfeife in Form einer Kompetenzverteilung anboten habe. Die Telekom-Crew sollte sich demnach um das deutsche Geschäft, die Debis-Mannschaft um die internationalen Projekte kümmern. Als grober Fehler habe sich aber anschließend die Aufteilung in Service- und Business-Line erwiesen. "Da gingen sich die beiden Fraktionen erst richtig an die Gurgel", behauptet ein Beobachter. So sei die Service-Line - "Vertriebler für die Branchen" - von den Telekom-Mitarbeitern, die Business-Line - Network Services, Dienstleistung et cetra - von der Debis-Crew betreut worden. Die einen hätten auf ihre Vormachtstellung, die anderen auf die Branchenkenntnisse gepocht: "Die neue Struktur war noch gar nicht durch, da ging es schon um die wichtigste Frage überhaupt: Wer darf künftig die Preise machen?"

Der Machtkampf habe zuweilen recht skurrile Formen angenommen: "Das ging soweit, dass bei ein und demselben Kunden zwei Leute auftauchten. Einer von der Service-Line und am nächsten Tag einer von der Business-Line. Beide stellten die verschiedenen Strategien als die jeweils Neue des Unternehmens vor. Da standen zwei Typen und jeder sagte: "Ich bin der Chef." Teilweise hätten die Lines an einen Kunden sogar zweimal das gleiche Angebot abgegeben - mit unterschiedlichen Preisen.

Bei Ron Sommer auf dem Schreibtisch

Entschieden habe das Gefecht der bessere Draht, den Ex-IBMler Hufnagl zu Jo Brauner habe: "Während Achinger im Urlaub war, saß Hufnagl mit seinem Strategievorschlag bei Ron Sommer auf dem Schreibtisch." Kurz darauf sei Achinger gefeuert worden. Ein gefundenes Fressen für die Branche: "Der hatte keine Chance mehr, wurde nicht einmal mehr zu einem persönlichen Gespräch gebeten", brodelt es aus der Gerüchteküche. Man habe ihm nach seiner Rückkehr nur mitteilen lassen, er könne beim Personaluntergebenen den Aufhebungsvertrag unterzeichnen, wollen unternehmensnahe Kreise erfahren haben.

Sicher ist zumindest, dass die Achinger-Seilschaft bröckelte. So ergriffen Hans-Jürgen Schwerhoff (Betreuung der Industriekunden) und Werner Bongartz (SoftwareDivision) prompt die Flucht in Richtung Konkurrenz. Kurt Ring (Computing Services) und Albert Blau (Systems Integration) entdeckten überraschend das Leben nach Feierabend und verabschiedeten sich in den vorzeitigen Ruhestand. Am längsten hielt es PCM-Gründer Norbert Reithmann aus, der Ende des vergangenen Jahres sang- und klanglos aus der Firma verschwand.

Alles ganz normal, beteuert Unternehmenssprecher Ulrich Lischek. Von einem Machtkampf und schlechter Stimmung will er nichts wissen. Auf gar keinen Fall werde er sich zu den Vorgängen in der Führungsetage äußern: "Personalangelegenheiten werden wir sicher nicht in der Öffentlichkeit diskutieren." Das sei ja auch gar nicht nötig: "Wir haben im vergangenen Jahr 900 neue Mitarbeiter an Bord geholt. Das zeigt ja wohl, dass wir als Arbeitgeber zunehmend beliebt sind."

Kunden zeigen sich besorgt

Schade nur, dass selbst den Kunden das Kompetenzgerangel nicht entgangen ist. Sie sehen das Ergebnis mit wachsender Beunruhigung: "Uns sind solche Personaldebatten eigentlich völlig schnuppe. Doch inzwischen geht es um sehr sensible Bereiche." An manchen Daten der Systemhaus-Kunden - beispielsweise von Viag Interkom oder Debitel - könnte Ron Sommer schließlich mal ein reges Interesse entwickeln. "Noch haben wir keine Abwanderungsgedanken", lässt Viag Interkom verlauten, "aber wir beobachten das Ganze sehr genau und kritisch." Ein anderer Kunde findet deutlichere Worte: "Wenn da nur einmal was krumm läuft, sind die tot." Und lässt durchblicken, dass man im Gegenzug dann auch darüber nachdenken könnte, "langfristig gewisse Dienste selbst zu übernehmen".

Der lachende Dritte könnte indessen Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp sein. Ein Wettbewerber will wissen, dass die Deutsche Telekom eine Kaufoption bis 2004 auf die restlichen Anteile des Debis Systemhauses hat. Sollte Ron Sommer diese nutzen, könnte es für ihn ein böses Erwachen geben: Mit den Ex-Debis-Managern gingen auch zahlreiche Kopfarbeiter von Bord, viele fanden sich im ehemaligen Mutterhaus wieder. "Schrempp baut sich intern ein neues Systemhaus auf", glaubt nun der Konkurrent. Wenn das zutrifft, könnte er T-Systems spätestens 2004 den wohl wichtigsten Kunden abziehen: Daimler Chrysler.

www.t-systems.de

ComputerPartner-Meinung:

T-Systems hat sich viel vorgenommen. Sollten die einzelnen Fraktionen eines Tages nicht mehr im Clinch liegen, dürfte die Telekom-Tochter auch in der Praxis zu einer ernsthaften Konkurrenz für IBM werden. Derzeit interessiert sich die Branche weniger für die Kompetenzen, als vielmehr für die Frage, wem im Konzern wohl als nächstes das Wasser abgegraben wird. Wir tippen auf Ron Sommer. Fazit: Die Fassade steht, das Fundament bröckelt. (mf)

Zur Startseite