Für die Fachhändler ist ME nur ein Nebenereignis

20.07.2000
Obwohl Microsofts jüngstes Baby "Windows ME" schon am 14. September 2000 in deutschen und amerikanischen Regalen stehen soll, ist immer noch kein Preis bekannt. Inzwischen ist bereits der Code für die Prefinal-Version freigegeben - und die neuen Features stehen fest.

Windows ME (Millennium Edition) ist eindeutig auf den Heimanwender abgestimmt. Wichtigstes Merkmal ist für Microsoft deshalb die Einbindung von digitalen Medien. "Für den Heimanwender sind digitale Fotografien oder Audiodateien inzwischen zum Alltag geworden", stellt Alfons Stärk, einer der beiden Produkt-Manager für Windows ME in Deutschland fest. Deshalb hat Microsoft auch Tools für digitale Bilder und einen DVD-Player eingebaut. Der "Media Player" wird in der Version 7 zu finden sein.

Ein anderer Schwerpunkt liegt bei Windows ME auf der einfachen Vernetzung der heimischen PCs. Ein Assistent hilft bei der Einrichtung von Peer-to-Peer-Netzwerken, Dateien können ebenso wie der Internet-Zugang gemeinsam genutzt werden.

Ein Stichwort, das man fast bei allen Windows-Produkten am Anfang hört, ist "Maximale Zuverlässigkeit". Im Falle von Windows ME bezieht sich dieser Slogan zum Beispiel auf die Fähigkeit, Daten zur Lösung eines Problems zu sammeln. Das Hilfesystem von ME kombiniert lokale Informationsquellen mit solchen aus dem Netz. Schön ist die Aussicht, dass sich das System mit dem Heimbetriebssystem selbst heilen kann. Dazu werden zum Beispiel Veränderungen am System automatisch verfolgt und festgehalten. Der Anwender kann so genannte Wiederherstellungspunkte setzen, zum Beispiel vor Installation eines neuen Programms. Im schlimmsten Fall kann ME dann auf den Zustand vor der Installation gesetzt werden. Damit die Software auch immer auf dem neuesten Stand bleibt, nutzt ME freie Netzwerkbandbreite zum Download von Updates. Päckchenweise werden die Downloads abgerufen, und wenn alles komplett ist, kann der Nutzer entscheiden, ob er das Update haben will oder nicht. Daran merkt man allerdings, dass sich ME stark am amerikanischen Markt orientiert, denn in Deutschland werden heute wohl die wenigsten Heimanwender eine Standleitung besitzen.

Die Positionierung des Betriebssystems in der Customer-Schublade schlägt sich auch darin nieder, wie Microsoft die Vertriebskanäle schulen will. Die Distributoren bekamen bereits Anfang Juli den ersten Schwung Informationen. Fachhändler haben allerdings bis heute noch nichts von Microsoft gehört. "Alles, was ich über Windows ME weiß, ist aus der Presse", beschwert sich ein Partner aus dem Raum Frankfurt. Kein Wunder, denn der Fachhandel soll erst ab Ende August geschult werden. Und auch dann konzentriert sich Microsoft nur auf die großen Retailer. "Der kleine Fachhändler braucht das nicht, der hat seine Projekte und Windows 2000. Wir werden den meisten Umsatz mit Windows ME im Retail-Kanal generieren", beantwortet Rainer Linder, der zweite Produkt-Manager für Windwos ME die Frage nach Roadshows oder Schulungsveranstaltungen im großen Stil. Immerhin verspricht Stärk: "Der Kanal wird ausreichend und rechtzeitig versorgt."

Der Fachhandel rechnet nicht mit hohen Stückzahlen

Die kurze Distanz zwischen Schulung und Erscheinungstermin ist selbst dem Produkt—Manager von Retailer Vobis Erwin Nützl zu kurz: "Das erscheint mir schon sehr knapp", zweifelt er. Dennoch ist er überzeugt: "Windows ME ist ein wichtiger Schritt in der Geschichte von Windows und wird dem Heimanwender viel Freude bereiten."

Die gelisteten Fachhändler allerdings sind nicht gerade vom neuen Privat-Betriebssystem überzeugt. "Windows ME ist so überflüssig wie ein Kropf", winkt ein Fachhändler ab. "Der Media Player 7 ist ganz nett, aber dafür gleich eine neue Version zu machen, ist übertrieben. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie ich das meinen Kunden erklären soll." "Wir werden Windwos ME wahrscheinlich volumenmäßig in Stückzahlen nicht besonders gut verkaufen," mutmaßt ein Partner aus dem Ruhrgebiet. "Außerdem würde mich interessieren, ob Microsoft eine Technologiegarantie gibt. Was ist denn mit den Kunden, die jetzt noch Windows 98 kaufen?" fragt er nach. Bei Microsoft ist man sich indes darüber noch nicht klar. Ob die Technologiegarantie kommt oder nicht, wird erst später entschieden, heißt es. Ebenso unsicher ist sich der Hersteller bislang, was er denn für die neue Version verlangen soll. Unternehmensnahe Stimmen tippen auf 199 Mark für die Vollversion und 99 Mark für das Update. Der Fachhandel ist da pessimistischer und wahrscheinlich auch näher an der Realität: "Die Vollversion wird um die 400 Mark kosten und das Update unter 200 Mark - so etwa in Höhe von Windows 98." Die "genauesten" Vorstellungen hat allerdings immer noch Microsoft selbst: "Windows ME wird mehr als nichts und weniger als Windows 2000 kosten", verrät Produkt-Manager Linder. (gn)

www.microsoft.de

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