Warum Neckermann pleite ging

Handel nicht in der Krise

27.09.2012

Die Neckermann-Pleite scheint hausgemacht. Mögliche Investoren schreckten vor den Spuren jahrelanger Misswirtschaft zurück, berichteten die Insolvenzverwalter Joachim Kühne und Michael Frege von ihren Gesprächen mit rund 200 Interessenten. Im Arcandor-Konzern war das Frankfurt Traditionsunternehmen mit dem berühmten Slogan "Neckermann macht's möglich" zunächst die hässliche, unbeachtete Schwester der weitaus größeren Quelle in Fürth.

Neckermann hatte aber zunächst das Glück, schon 2007 mehrheitlich an den US-Investor Sun Capital verkauft zu werden. Erlösperlen wie Hess Natur oder Baby Waltz waren zuvor in die Primondo Speciality Group ausgelagert worden. Dass sich die Amerikaner 2010 die restlichen 49 Prozent an Neckermann aus der Arcandor-Insolvenzmasse sicherten, freut aber heute nur noch die KarstadtQuelle-Pensionäre, in deren Kasse der Erlös floss.

Am 18. Juli 2012 zogen die Amerikaner ohne Rücksicht auf die deutsche Sozialpartnerschaft den Stecker und verweigerten jede weitere Zahlung. Geld für Abfindungen oder Beschäftigungsgesellschaften ist nicht vorhanden, obwohl nahezu ausschließlich langjährige Mitarbeiter bei dem Unternehmen arbeiten. Das stößt auch beim Sohn des legendären Firmengründers Josef Neckermann auf Ablehnung. "Ich bedauere es sehr, wie die Amerikaner handeln - es ist typisch amerikanisch, kein soziales Gewissen", hat Johannes Neckermann im Sommer geurteilt.

Die Beschäftigten hätten sich in den vergangenen Jahren gefühlt wie auf der Achterbahn, berichten die Verdi-Gewerkschafter im Betrieb. Auch sie beklagen Misswirtschaft der über die Jahre häufig ausgewechselten Manager, die insbesondere die teure Logistik, die Informationstechnologie und die komplexen internen Abläufe nicht in den Griff bekommen hätten. Der aktuelle Chef Henning Koopmann wollte die Textilsparte samt Lager abstoßen und Neckermann zum reinen Online-Versender von Möbeln und Elektrogeräten umbauen.

Ein offensichtlicher Fehler ist das zu lange Festhalten an dem dicken Papierkatalog, der hohe Kosten verursachte und zudem die Preise für die einzelnen Produkte über Monate zementierte. Im ständigen Preiswettkampf des Internets ist hingegen clevere Werbung und Flexibilität gefragt, um bei den Preissuchmaschinen ganz oben zu landen. Dabei hat Neckermann bereits in der Computersteinzeit 1995 seine Waren auch im Netz angeboten, das aber zunächst lediglich als zusätzlicher Bestellkanal begriffen wurde. Trotz vieler guter Ansätze sei die Umstellung zu einem E-Commerce-Unternehmen nicht gelungen, urteilen die Gewerkschafter - und letztlich auch die Kunden. (dpa/rw)

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