Heißes Eisen Festplattengarantie: Handel soll zahlen

10.10.2002
Maxtor, Seagate und Western Digital (WD) gewähren seit dem 1. Oktober nur noch eine Garantiefrist von einem Jahr auf ihre Platten. Doch im Schadensfall muss einer zahlen - die Frage ist nur wer?

Seit dem 1. Januar gilt für Endkunden EU-weit eine Gewährleistung von zwei Jahren auf alle Neuprodukte. Dazu gehören selbstverständlich auch Festplatten, egal ob sie einzeln gekauft oder in einem PC installiert sind. Seit aber die drei großen Hersteller, Maxtor, Seagate und Wes-tern Digital (WD) ihre Gewährleis-tungsfristen seit dem 1. Oktober von drei Jahren auf zwölf Monate gekürzt haben, ist die Verunsicherung in der Branche groß.

Als Grund für den Schritt nennen die drei Hersteller die fallenden Margen im Markt. Hans-Dieter Blaser, Vertriebsleiter Europa bei Seagate: "Gerade im unteren Segment sind die Stückzahlen gewaltig und die Margen sehr klein. Die Preise sind soweit unten, dass Festplatten inzwischen zum Wegwerfartikel avancieren." Defekte Platten werden deshalb bei Seagate nicht mehr repariert, sondern gleich entsorgt. "Bedenkt man, dass rund 40 Prozent der als defekt eingesandten Platten vollkommen in Ordnung sind, kostet allein das Testen Unsummen", führt Blaser weiter aus.

In dieselbe Kerbe schlägt auch Sabine Laugges, Field Application Engineer von Western Digital: "Jede Platte, die zurückkommt, verursacht allein an Handling-Kos-ten zwischen 30 und 40 Dollar." Ausgenommen von der Garantieverkürzung sind nur bestimmte Modellreihen der Unternehmen. WD beispielsweise gibt weiterhin auf die Special-Edition-Reihe, erkennbar an dem Kürzel JB hinter der Typenbezeichnung, drei Jahre Garantie. Die Retail-Produkte von Western Digital sind ebenfalls davon ausgenommen. Hier bleibt die gesetzliche Gewährleistungsfrist von zwei Jahren bestehen. "Es gilt das Datum des Kassenzettels", erklärt Laugges.

"Systemintegratoren und Distributoren haben die Möglichkeit, gegen einen Aufpreis eine verlängerte Garantiezeit von bis zu drei Jahren zu erhalten", so Laugges weiter. Das ist bei Seagate nicht möglich - der Herstellers will auch gegen Aufpreis keine Garantieverlängerung geben.

Aber das letzte Wort scheint auch bei Seagate noch nicht gesprochen zu sein. Blaser flog am Montag in die USA, um unter anderem diesen Punkt mit dem Mutterhaus abzustimmen. "Schließlich wollen wir uns nicht strafbar machen und gegen geltendes EU-Recht verstoßen", so Blaser gegenüber Com-puterPartner.

Handel sauer

Die Fachhändler sind sauer. Auf die Online-Meldung vom vergangenen Freitag "Ingram Macrotron reicht verkürzte Festplattengewährleistung an Handel weiter" erhielt ComputerPartner zahlreiche Leserbriefe und Kommentare. Ei-nige vermuteten, dass der Schrott keine zwei Jahre durchhält und deswegen eine Garantiekürzung notwendig geworden sei. Weiterhin wollen einige schon seit längerem einen drastischen Qualitätsverfall von Platten (und auch an anderen Geräten) festgestellt haben: "Egal, wie 'wichtig' die Daten jeweils sind - die Platte ist der zentrale Datenträger im Rechner. Man stelle sich die Unverfrorenheit vor, mit der manche Hersteller den baldigen Ausfall ihres Produktes und damit den Datenverlust beim Anwender einkalkulieren. Man sollte sie auch für die Folgekosten verantwortlich machen können. Früher hatten wir sechs Monate Garantie und die Dinger hielten locker fünf Jahre. Heute muss man damit rechnen, dass sie nicht mal eins überstehen", so ein erboster Händler. "Vielleicht besinnt man sich mal wieder auf vernünftige Preise und vernünftige Qualität, besonders bei Datenträgern", führt er weiter aus.

Andere wollen ihr Sortiment umstellen: "Gerade bei Festplatten gibt es zu Qualität keine Alternative. Das gilt auch für das Home- und Small-Business-Segment, sprich IDE-Platten. Wir werden keine Platten mit reduzierter Gewährleistung kaufen", lautet deren Argumentation.

Distis not amused

Die Distributoren sind von dem Vorstoß der drei Hersteller nicht gerade hellauf verzückt. Schließlich sind Distis die erste Anlaufstelle für den Fachhandel im Schadensfall.

Anke Kugies, Vorstand der COS AG in Linden: "Wir werden unseren Kunden hier flexible Angebote unterbreiten: Für Maxtor- und Wes-tern-Digital-Produkte kann der Handel künftig Leistungen für 12 Monate Gewährleistung beziehen - gegen Aufpreis auch für 24 Monate. Bei Seagate bleiben wir bei 12 Monaten."

Robert Beck, Geschäftsführer Produktmanagement bei Ingram Macrotron, erklärt: "Wir geben diese Verkürzung vorerst an die Fachhändler weiter. Parallel dazu arbeiten wir aber an anderen Lösungsmöglichkeiten."

Dirk Obendorf, Leiter Business Unit Components von Tech Data: "Wir sind bemüht, eine europaweit einheitliche und mit Herstellern und Kunden harmonisierte Lösung zu finden. Die Gespräche sind noch nicht abgeschlossen. Klar ist, dass die Tech Data Deutschland GmbH den gesetzlichen Verpflichtungen selbstverständlich erfüllen wird. In den nächsten Tagen werden wir europaweit unseren Kunden eine für alle Seiten zufrieden stellende Lösung präsentieren."

Actebis betrachtet es als seine Pflicht, mit den Herstellern das Gespräch zu suchen und sich wieder für längere Hersteller-Garantiezeiten einzusetzen. Man ist sich sicher, bis spätestens Oktober 2003 gemeinsam mit den Herstellern eine Lösung gefunden zu haben.

Die Api Computerhandels GmbH wird weiterhin alle Festplattenhersteller in ihrem Produktportfolio führen. "Wir sehen uns in der Verpflichtung, unsere Kunden wie gewohnt nach seinen Anforderungen zu beliefern. Es ist für die Api selbstverständlich, unsere Kunden mit einer Gewährleistungsdauer von zwei Jahren zu unterstützen", so das Unternehmen gegenüber ComputerPartner.

ComputerPartner-Meinung:

Um das Vertrauen in die Produkte wieder herzustellen, müssen die großen Drei schnellstmöglich eine Regelung finden. Sonst kursiert weiterhin das Gerücht, dass die Platten maximal ein Jahr halten. Oder der Markt regelt das von ganz allein und verbaut nur Platten von Herstellern, die eine längere Garantie bieten. Und das dürfte weder Maxtor noch Seagate oder WD gefallen. (jh)

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