Interview mit dem E-Commerce-Dienstleister Michael Hucke

07.01.1999

MÜNCHEN: Die Oldenburger Sunday GmbH gehört zu den IT-Dienstleistern, die ihre Produkte und Services ebenso im direkten Kontakt zum Kunden feilbieten wie im Internet. Im Gespräch mit ComputerPartner-Redakteur Lothar Derichs erklärt Geschäftsführer Michael Hucke, was ein Computerhändler mit Online-Ambitionen beachten sollte.

Ein Computerhändler mit zwei Angestellten kommt zu Ihnen und fragt "Soll ich einen Internet-Shop aufmachen?" Was raten Sie ihm?

HUCKE: Wenn es für ihn Sinn macht, bei dieser Zielgruppe mit einer Marge von 5 bis 15 Prozent klarzukommen, und die Einzelstücklogistik kein Problem darstellt, dann kann das ein nettes Zugeschäft sein. Seine Existenz sollte aber schon konventionell gefe-stigt sein. Die Tatsache, daß die Hersteller sich in Zukunft im Online-Geschäft mit Endkunden breitmachen werden, muß jedem gegenwärtig sein, der in den Online-Handel mit EDV einsteigen will.

Immerhin besagen Umfragen, daß Online-Kunden im Internet lieber direkt beim Hersteller einkaufen als bei einem Händler. Und vor Ort leidet der Fachhändler unter der Preiskonkurrenz durch Elektro-großmärkte. Wo liegen denn Internet-Chancen für den Computerfach-handel?

HUCKE: Ein bloßer Online-Shop ist keine Antwort. Unser Modell mag als Alternative dienen (siehe Kasten auf Seite 70). Wir kommen aus, dem Consulting. Unsere Kunden akzeptieren die Tatsache, daß wir in Projekten mit wenigen Ausnahmen ohne Kampfpreise auskommen. Da macht dann auch das Verkaufen Spaß. Durch die Hersteller-Unabhängkeit sind wir sehr glaubwürdig, und verstehen uns den Hard- und Softwareherstellern gegenüber als "Anwalt des Kunden". Die Kundenbindung, die wir durch Kompetenz und Kundennähe haben, kann ein Hersteller kaum liefern. Wir sind damit unabhängige Vertrauenspersonen des Kunden. Der Einzelhandel als Boxenschieber mit Glasfront hat es da sicher schwerer.

Sie haben einen eigenen "PC-Cyberstore" im www. Warum?

Wie hoch sind die Umsätze?

HUCKE: Wir sind ein E-Commerce-Dienstleister. Unseren Shop, der voll funktionsfähig ist und auch reale Umsätze bringt, haben wir zu Test- und Demozwecken eingerichtet. Er wird nicht aktiv beworben. Der Umsatz pro Jahr ist fünfstellig.

Welche Umsatzgröße rechtfertigt einen Online-Shop oder auch nur einen einfachen Internet-Auftritt ohne E-Commerce?

HUCKE: Das läßt sich nicht in Umsatzgrößen bemessen. Eine Internet-Homepage ist heute ein "must" - so oder so. Wenn Sie schlecht gemacht ist, ist es allerdings eine Negativwerbung, so daß es dann besser wäre, darauf zu verzichten. Wenn die Kunden des Händlers schon online sind, wäre zum Beispiel die Anforderung von Verbrauchsmaterial über das Internet sinnvoll, und zwar dann, wenn das System die speziellen Einkaufskonditionen des Kunden berücksichtigt. Das ist dann allerdings schon eher eine Business-to-Business-Anwendung.

Beratung in Online-Shops fällt weitgehend flach. Die Kunden kommen daher vor allem aus dem Kreis der Computer- und Internet-Erfahrenen.

Wo bleibt der Mehrwert "Dienstleistung" im Internet?

HUCKE: Es stimmt; diejenigen, die online bestellen, sind zumeist computererfahrene Anwender, die selber schrauben, und nach Preis einkaufen. Bei dieser Zielgruppe ist der letzte Produkttest einer Publikumszeitung leider oft das einzige Kriterium zu Auswahl von Komponenten.

Beratung läuft da meist sowieso ins Leere. Der Preis muß einfach stimmen. Das bringt uns wieder zurück zu Ihrer ersten Frage: Wenn ich als EDV-Einzelhändler im Ladengeschäft noch Chancen habe, den Kunden auf Alternativprodukte zu bringen, deren Preis vielleicht noch eine Marge von 15 Prozent enthält, wäre der Kunde später sicherlich nicht amüsiert, wenn er einen Preis mit einer Marge von zehn Prozent online sieht.

Das stellt den Online-Händler vor eine paradoxe Situation: Er muß den Preis online aggressiv gestalten, damit dort überhaupt etwas passiert. Im Ladengeschäft kann er dann aber den gleichen Kunden schlecht mit anderen Preisen bedienen. Eine Lösung ist da zum Beispiel eine separate Vermarktungsgesellschaft für den Online-Handel.

Was heißt das konkret?

HUCKE: Ein Einzelhändler kann die genannten Preisunstimmigkeiten dem Kunden gegenüber am besten plausibel machen, wenn er eine reine Versandhandelsfirma für den Online-Handel gründet. Damit ist auch die Differenzierung im Bezug auf den Support und die Abgrenzung der Gewährleistungsfragen für den Kunden offensichtlich.

Mit welchen Anfangsinvestitionen und laufenden Kosten ist bei einem Internet-Auftritt mit Shop ähnlich dem Ihren zu rechnen?

HUCKE: Wir bieten Standard-Geschäftsmodelle auf Basis von Intershop an. Das Basisdesign "A" zum Beispiel, das dem Shop www.sunday-online.com entspricht, kostet schlüsselfertig, mit komplettem Design und Einweisung 8.000 Mark. Für das gesamte Hosting, Internet-kosten, Mail, Softwarewartung und Backup-Service gibt es eine Betriebskostenpauschale von 450 Mark. Bei einer Finanzierung über eine Laufzeit von 24 Monaten betragen die monatlichen Gesamtkosten 780 Mark.

Ist für das notwendige Marketing die Zusammenarbeit mit einer

Multimedia-Agentur ratsam?

HUCKE: Der Markt ist hier extrem undurchsichtig. Die Meßmethoden und Leistungnachweise schwierig und uneinheitlich. Konkret gesagt: Da sind viele Pseudofirmen unterwegs, Web-Buden mit "Wer nichts wird, wird Wirt"-Mentalität. Generell sollten schon Dienstleister in Anspruch genommen werden. Man sollte aber prüfen, ob dahinter eine seriöse Firma steht.

Welche Marketingmaßnahmen sind für einen Online-Auftritt zwingend?

HUCKE: Suchmaschineneinträge und die Optimierung der Seiten für die Suchmaschinen sind obligatorisch. Bei unserem Angebot ist das bereits enthalten. Bannerwerbung ist entweder relativ teuer oder mit extremen Streuverlusten behaftet. Ein Online-Händler sollte selber im Internet surfen und kann dabei zum Beispiel mit interessanten Sites einen direkten Linktausch vereinbaren. Am wichtigsten ist es allerdings, den Auftritt mit klassischen Mittel zu propagieren - bei den vorhandenen Kunden, mit Werbung in der Lokalzeitung, Mailings, auf dem Briefpapier und so weiter.

Welches Umfeld ist für einen E-Commerce-Auftritt am besten? Internet-Malls, Portale, oder nur Einträge in Suchmaschinen?

HUCKE: Malls sind eine ordentliche Alternative zum Einzelauftritt, oder für die ersten Schritte in den E-Commerce. Die von uns realisierte Mall www.boulevard24.de ist so ein Umfeld, das sehr gut funktioniert. Die Entscheidung "Mall" oder "Einzelauftritt" hat viel mit dem Selbstbild des Händlers zu tun und mit

der Frage, ob strategisch auf das Medium Internet gesetzt wird. Andererseits finden Sie Dell mittlerweile zusätzlich zum Firmenauftritt in diversen Malls vertreten. Man wirbt schließlich auch nicht nur in einer Zeitung.

Sunday-Chef Hucke und sein Vorzeige-Webshop: "Wenn ein Auftritt schlecht gemacht ist, ist er eine Negativwerbung."

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