IT-Händler in Deutschland: In Sachsen & Co. ist Konkurrenz noch Mangelware

22.08.2002
35 Milliarden Euro wollen die Bundesbürger in diesem Jahr für technisches Equipment ausgeben. Die besten Aussichten haben IT-Händler, Systemhäuser und Dienstleister dabei in den neuen Bundesländern. Nach den Ergebnissen der exklusiven ComputerPartner-Studie zur IT-Händler- und Kundenlandschaft in Deutschland gibt es dort die meisten potenziellen Kunden - und kaum Konkurrenz.

Neue Händler braucht das Land - und zwar im Osten der Republik: Während sich die IT-Spezialisten in Bayern und Hessen gegenseitig auf die Füße treten, sind in Bundesländern wie Thüringen und Sachsen die Händler noch Mangelware: In diesen Regionen haben IT-Shops, Systemhäuser und Dienstleister derzeit die meisten potenziellen Kunden und die wenigsten Wettbewerber - theoretisch jedenfalls.

Goldgrube für IT-Händler: Sachsen-Anhalt

Für Sachsen-Anhalt sind die rechnerischen Prognosen der ComputerPartner-Studie besonders gut: Auf jeden Händler entfallen hier durchschnittlich 181 Business- und mehr als 7.100 Privatkunden. Wenn man Bevölkerungsstruktur undGeschäftsstrategie berücksichtigt, sind es 7.412 Haushalte, die ein Händler mit Ladengeschäft zu betreuen hat. Gebietsschutz ist ebenfalls gegeben: Der nächste Konkurrent ist theoretisch etwa 117 Kilometer entfernt. Traumhafte 203 Quadratkilometer, 5.028 Haushalte und 146 Unternehmen sind dem Händler in Brandenburg sicher. In Mecklenburg-Vorpommern sind es 6.406 Haushalte, 175 Business-Kunden - und 83 Quadratkilometer Revier. Zusammengerechnet sind in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen derzeit nur etwa zehn Prozent der deutschen IT-Profis ansässig. Auf rund 2.650 IT-Händler, Systemhäuser und Dienstleister kommen hier etwa 400.000 Unternehmen und 13,9 Millionen Einwohner beziehungsweise 6,3 Millionen Haushalte - alles potenzielle Kunden.

Von einer Geschäftsneugründung in Bayern ist hingegen eher abzuraten. Zwar wird hier die Zahl der steuerpflichtigen Unternehmen mit rund 500.000 und die Zahl der Haushalte mit 5,5 Millionen angegeben, und die Bewohner der Region gehören bekanntlich nicht zu den ärmsten, doch für IT-Anbieter wird es trotzdem langsam eng: Jeder der 5.979 hier ansässigen Fachhändler hat theoretisch "nur" 83 Business-Kunden beziehungsweise etwa 2.000 Consumer zu betreuen. Auf ein Ladengeschäft entfallen 3.787 Haushalte. Ist zwar immer noch eine ganze Menge, aber nur, wenn man sich keinen Fehler erlaubt: Ist der Kunde unzufrieden, findet er im Umkreis von etwa zwölf Kilometern den nächsten Anbieter. Ähnlich überlaufen sind auch Hessen und Hamburg.

Ein Wermutstropfen in der Theorie ist die Kaufkraft: Hier hinken die neuen Bundesländer den alten noch deutlich hinterher. So war das im Jahr 2000 verfügbare Jahreseinkommen pro Einwohner mit 18.649 Euro in Bremen am höchsten, das Schlusslicht war Mecklenburg-Vorpommern mit 12.886 Euro pro Jahr und Person. Immerhin: Das verfügbare Einkommen steigt - in den alten Bundesländern verzeichnet man seit 1998 ein durchschnittliches Plus von 2,7 Prozent im Jahr. In den Neuen lag das Wachstum 2000 bei 2,2 Prozent, 1999 sogar bei 4 Prozent.

Überdurchschnittlich steigt in Sachsen & Co dafür die Lust auf Technik: Die Zahl der Haushalte, die in den neuen Bundesländern über ein Handy verfügten, wuchs innerhalb von nur einem Jahr von 28,4 (2000) auf 55,9 Prozent (2001), die Zahl der Internetanschlüsse schoss im gleichen Zeitraum von 12,2 auf 21,3 Prozent hoch - Tendenz weiterhin steigend. In den alten Bundesländern sind die Haushalte noch besser ausgestattet. Damit sinkt aber auch die Chance auf weitere Wachstumsschübe.

Theorie und Praxis: Es läuft überall gleich schlecht

Ob die Theorie vom boomenden Osten in der Praxis Bestand hat, darüber sind sich Branchenkenner und Händler keineswegs einig. So sieht Frank Roebers, Vorstandssprecher der PC-Spezialist Franchise AG, durchaus einen positiven Trend. Man selbst sei zunächst "mit Sorge" in den neuen Bundesländern aktiv geworden und nun "angenehm überrascht", erzählt er. "Unsere Franchise-Nehmer waren in diesen Regionen von Anfang an stabiler und ertragreicher alsdie im restlichen Bundesgebiet", so Roebers weiter. "Die Neugründer haben hier in den seltensten Fällen Probleme. Offenbar ist die Wettbewerbssituation in den neuen Bundesländern tatsächlich weniger scharf." Roebers führt das unter anderem darauf zurück, dass in den jungen Märkten bislang vergleichsweise wenig Handelsketten platziert worden seien. Grundsätzlich habe der Händler zudem ein deutlich größeres Gebiet zu betreuen als die West-Kollegen

Das bestätigt auch Dirk Macmillian, Vertriebsmitarbeiter bei der PC-Spezialist-Tochter und IT-Kooperation Microtrend: "Wenn man sich mal die Fähnchen auf der Landkarte betrachtet, liegen zwischen unseren Läden in den neuen Bundesländern ziemlich große Strecken. Die Standorte sind meistens in kleineren Städten, die aber ein großes Einzugsgebiet haben." Ob das Geschäft derzeit im Osten der Republik besser läuft, möchte er nicht unbedingt sagen: "Einen Unterschied gibt es durchaus, aber der ist nicht wirklich bedeutend. Derzeit haben doch eigentlich alle mit der schwierigen Wirtschaftslage zu kämpfen."

Viel Kollegialität - wenig Geschäft

"Auch wenn es sicherlich unterschiedliche Situationen bei den einzelnen mittelständischen IT- und TK-Anbietern gibt, die derzeitige wirtschaftliche Situation ist in Ost gleichermaßen wie in West - ziemlich trostlos", meint dazu Felix Kube vom Systemhaus Kube in Gumpelstadt (Thüringen) und Mitglied im Electronic-Partner-Verbund. Relativ konstant laufe das Geschäft eigentlich nur bei denjenigen Unternehmen, die langjährig im Dienstleistungsumfeld verwurzelt sind und gute Referenzen durch ihre Bestandskunden haben.

Zu denjenigen, bei denen das Geschäft noch läuft, zählt sich das EP-Com-Systemhaus Ströher Haustechnik in Wagenfeld (Niedersachsen). Allerdings könne man nur dank zahlreicher Service- und Wartungsverträge und der dazugehörigen Kundenbindung noch "eine einigermaßen gute Auftragslage" verbuchen, sagt Geschäftsführer Rolf Kastendieck. "Neue Aufträge erhalten wir aber nur durch hohe preisliche Zugeständnisse und damit unter Inkaufnahme von hohen Margenverlusten." Den Ertrag aus den Aufträgen zieht Kastendieck nach eigener Aussage aus den Folgeaufträgen. Eine besonders gute Auftragslage in den neuen Bundesländern sieht auch Gabriele Oder, Geschäftsführerin im Systemhaus IT-Services in Schwarzheide bei Dresden, nicht. Ihr Fazit aus den zahlreichen Gesprächen mit Verbundkollegen: "Es geht überall bergab, nur bei uns von einem wesentlich geringeren Niveau aus."

Zu einer positiven Grundstimmung trage bei EP vor allem der enge kollegiale Kontakt untereinander bei, meint Alexander Kutsch, Geschäftsführender Gesellschafter der Raw GmbH in Kreuzau. "Bei mir ist es nicht anders als bei den anderen Kollegen", berichtet er, "die Investitionen in Hard- und Software tendieren gegen null." Das Interesse an den angebotenen Lösungen sei zwar tatsächlich reichlich vorhanden, nur: "Die Entscheidungsträger haben einfach Angst vor den Investitionsentscheidungen, da sie tief verunsichert sind, was die nächste Zeit bringen wird", so Kutsch. Und wie lange wird das derzeitige wirtschaftliche Tief noch anhalten? Hier überwiegt ganz deutlich die Skepsis. "Es besteht an der mittelständischen Basis keine Übereinstimmung mit den optimistischen Prognosen, wie sie uns täglich serviert werden", so der Tenor. Man rechne vielmehr damit, dass die Zurückhaltung noch bis weit in das kommende Jahr anhalten wird."Aber", so IT-Händler Felix Kube, "gemeinsam stehen wir das durch." (mf)

Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren Kommentar auf Seite 8.

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