Digital-River-Manager Hechler im Interview

"Kanalkonflikte beim Online-Direktvertrieb lassen sich lösen"

08.06.2012

"Auch in Europa sind Hersteller als Händler bereits sehr erfolgreich"

Auch Zubehör-Spezialist Logitech zählt zu den Kunden von Digital River
Auch Zubehör-Spezialist Logitech zählt zu den Kunden von Digital River

Viele Hersteller-Shops wirken allerdings eher wie Alibi-Lösungen und sind im Hinblick auf Preisgestaltung und Usability kaum wettbewerbsfähig. Wäre es da nicht konsequenter, gleich komplett auf einen eigenen Onlineshop zu verzichten?

Hechler: Studien zeigen, dass eine große Mehrheit der Kunden vor einem Kauf die Webseite des Herstellers besucht, um sich über das gewünschte Produkt zu informieren. Wir sind davon überzeugt, dass man es sich nicht erlauben darf, auf dieses Verkaufspotenzial zu verzichten. Doch liegt es an den Unternehmen, das Ziel ihres Onlineshops zu bestimmen. Einige Unternehmen betrachten den Shop vor allem als ein Marketing-Tool oder wollen auf diese Weise erst einmal ein Gespür für den E-Commerce erhalten. Für solche Unternehmen spielen Aspekte wie das Pricing, Versandkosten oder die Usability folglich eine geringere Rolle in ihrer Online-Strategie.

Für Unternehmen dagegen, die in dem Onlineshop ein Kernelement ihrer Sales-Strategie sehen, sind Preisgestaltung, Werbeangebote, Produktauswahl, Benutzerfreundlichkeit und Ähnliches dagegen sehr wichtig. Die Unternehmen sehen darin ein grundlegendes Element um die Beziehung zu ihren Endkunden auszubauen und so ihre Umsätze zu erweitern.

In beiden Fällen sind wir davon überzeugt, dass Hersteller auf jeden Fall einen Online Store haben sollten. Und vor allem sollten sie die Chancen nutzen, die ihnen ein Onlineshop bietet, und diesen als ein Kernelement ihrer Verkaufsstrategie betrachten.

Ist aus Ihrer Sicht vor allem das Internet dafür verantwortlich, dass sich in den letzten Jahren eine generelle Stärkung des Direktgeschäfts durch Hersteller beobachten lässt?

Hechler: Es gibt eine Reihe von Faktoren, warum sich der Direktvertrieb auf dem Vormarsch befindet. Die Konsumentenerwartungen sind das eine. Kunden wollen Produkte online oder sogar über ein direkt verbundenes Gerät kaufen. Daneben gibt es aber auch einen deutlichen Wandel im Retail-Bereich. Regalflächen werden rarer, was den Druck auf die Hersteller erhöht. Außerdem schreitet die Konsolidierung im Handel voran. Und schließlich nutzen auch immer mehr Kunden den stationären Handel, um Produkte vor Ort auszuprobieren – und kaufen dann doch online. Wir nennen dieses Verhalten „Showrooming“. Die Kombination dieser Faktoren treibt die Nachfrage nach Direktangeboten an. Das Internet beschleunigt das noch zusätzlich.

In den USA zählen Hersteller wie Apple, Sony und HP zu den erfolgreichsten Onlinehändlern. Erwarten Sie, dass Hersteller auch bald in Europa eine ähnlich starke Rolle im E-Commerce spielen werden oder gibt es hier grundlegende Unterschiede zur Situation in den USA?

Hechler: Keineswegs, Unternehmen wie Apple und Sony betreiben auch in Europa das Onlinegeschäft bereits sehr erfolgreich. Allerdings muss man betonen – auch wenn ich nicht explizit für die genannten Hersteller sprechen kann –, dass es für Unternehmen regionenspezifische Unterschiede gibt, wie Sie Marketing- und Sales-bezogen gegenüber den Kunden auftreten sollten.

Wir konnten selbst beobachten, wie Firmen dank passender Lokalisierungsstrategien in Deutschland, Großbritannien und den USA den gleichen Erfolg erzielt haben. Unternehmen müssen beim Marketing die Endkunden auf eine vertraute Art und Weise ansprechen. Also beispielsweise die jeweils bevorzugten Bezahlarten anbieten, das Design einer Webseite an die regionalen Gewohnheiten anpassen, den Kunden einen Service in ihrer Landessprache bieten und so weiter. Der Trick, um in mehreren Regionen erfolgreich zu sein, ist es, immer so aufzutreten wie eine einheimische Firma – auch wenn man sich weit außerhalb seines Heimatmarkts befindet. (mh)

Zur Startseite