Pleite statt Börsengang: "Es ist halt kein Geld mehr da"

06.08.2000
Der Traum, ein erfolgreiches Technologieunternehmen zu werden, ist geplatzt: Statt an der Börse landete die Artis Computer AG im Insolvenzverfahren. Für die Münchener Tochter Beyond gibt es noch einen Hoffnungsschimmer.

Nichts geht mehr: Die Artis Computer AG mit Hauptsitz in Lünen ist pleite. Dabei zeigte sich die Unternehmensleitung noch vor wenigen Monaten recht selbstsicher: Bis 2003 würde der Umsatz etwa 100 Millionen Mark betragen, im Frühjahr 2000 werde man an die Börse gehen. Stattdessen kam vergangenen Mittwoch der Insolvenzverwalter. Der bis dato recht gesprächige Artis-Chef Gerhard Besler gibt sich plötzlich medienscheu. "Es ist halt kein Geld mehr da", bringt es ein mürrischer Mitarbeiter auf den Punkt.

Wo das Kapital hingekommen ist, werden sich jetzt vermutlich viele Stammkunden fragen, die teilweise als Aktionäre an der AG beteiligt waren. Dass demnächst rund 30 Mitarbeiter und Auszubildende auf der Straße sitzen werden, ist auch für die strukturschwache Region am Rande des Ruhrgebiets ein herber Schlag. Noch härter trifft es allerdings die Münchener Tochter Beyond: Artis war 1997 mit 74 Prozent bei dem Nischendistributor eingestiegen. "Beyond war ein Umsatzzukauf", bestätigte seinerzeit Artis-Chef Besler. "Wir sind mehr oder weniger übereinander gestolpert", meinte der damalige Beyond-Geschäftsführer Christian Krzywicki. Jetzt sieht es so aus, als würde Beyond auch fallen.

Es wird von Fehlern des Managements gemunkelt

Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen: Artis begann im März 1994 als Spezialdistributor für Komponenten der EDV-Industrie, nahm kurz darauf die Herstellung von PCs der Marke "CAF" auf. Im zweiten Geschäftsjahr hatte die Firma ihren Umsatz nach eigenen Angaben von 4,8 auf 8,6 Millionen Mark gesteigert. Es wurden Monitore in das Verkaufssortiment aufgenommen. Asus, Hersteller von High-End-QualityMainboards, kam als Distributionspartner mit an Bord. 1996 betrug der Umsatz 11,6 Millionen Mark, die GmbH wurde in eine AG mit Stammkapital von rund einer Million Mark umgewandelt. Nach dem Einstieg bei Beyond wurde noch mit einem Systemhaus im Großraum Hamburg verhandelt. Artis hatte die Vision, zu einem börsennotierten Technologieunternehmen zu werden.

Der Traum ist geplatzt, Insider munkeln von groben Fehlentscheidungen des Managements. Einig ist man sich in der Branche aber auch darin, dass Beyond das unschuldige Opfer ist. Das sieht auch der Geschäftsführer Peter Seebauer so: "Wir hatten gute Aufträge, volle Lager, freie Kreditrahmen, standen keinesfalls mit dem Rücken zur Wand." Doch das Mutterschiff zieht den Nischendistributor mit in den Abgrund: "Wir haben Darlehen für das Mutterhaus aufgenommen, Artis hat für uns gebürgt." Jetzt ist alles hinfällig, die Sicherheiten sind futsch. Beyond wurde nicht einmal die übliche 21-Tage-Frist zugebilligt, der Antrag auf das Insolvenzverfahren musste sofort gestellt werden.

Ein Interessent für Beyond ist da

Die Stimmung bei den 16 Mitarbeitern ist entsprechend gedrückt: "Unsere Auftragslage war wirklich gut. Wenn jetzt aber ein Kunde anruft, müssen wir sagen: Sorry, es geht nicht. Das ist schon deprimierend", bestätigt Seebauer. Vergangenes Jahr wurde der Disti von seinen Partnern sogar zum besten Distributor gewählt. "Wir sind nur ein kleiner Nischendistributor. Aber die Qualität unserer Mitarbeiter ist hoch." Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz rund 20 Millionen Mark. Einen Hoffnungsschimmer gibt es jedoch - zumindest für Beyond. Laut Seebauer werden bereits Verhandlungen mit einem Interessenten geführt, der die Anteile am Münchener Unternehmen von Artis kaufen möchte. Eine Entscheidung erwartet Seebauer in der kommenden Woche. Zur Pleite des Mutterhauses möchte er sich nicht äußern: "Ich kann für Artis keine Stellung nehmen." Unbeliebt machte sich Artis erstmals vor zwei Jahren, zumindest bei einem Fachhandelspartner in Münzesheim. Zwei Jahre arbeitete man erfolgreich zusammen, bis der Disti plötzlich einen Industriekunden der Geigges EDV- und Büroorganisation direkt an-ging. Roswitha Geigges: "Die ha-ben uns ausgelacht, als wir von Kundenschutz sprachen. (mf)

www.artisag.de

www.beyond.de

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