Private Netzwerke

23.09.1999

MÜNCHEN: Die Zielgruppe der Netzwerker ist für die meisten immer noch das Unternehmen mit Tausenden Computerarbeitsplätzen. Ganz langsam jedoch eröffnet sich ein Markt, der mehr im privaten Umfeld statt im professionellen Bereich liegt.Freitag abend. Hubert M. klemmt sich seinen Rechner unter den Arm und macht sich auf zu seiner Verabredung. Heute steht wie jede Woche eine LAN-Party an - sieben Leute, die sich treffen, um zusammen Computer zu spielen. Alle bringen ihre Maschinen mit, die nach kurzer Zeit zum Mininetzwerk verschmelzen. Zum selben Zeitpunkt, gar nicht weit entfernt, ist dicke Luft bei Familie W. angesagt. Das Familienoberhaupt führt eine heftige Diskussion mit der Tochter des Hauses. Der Grund: Beide wollen ins Internet - zur selben Zeit. Zwar hat inzwischen auch der Nachwuchs einen eigenen PC - allerdings gibt es nur einen Internetzugang, und der ist fest in der Hand des Vaters. Der Entschluß von Herrn W. steht nun fest: Ein Netzwerk muß her.

Dies sind nur zwei Szenarien für private Netzwerke. Waren bislang die Anbieter der Netze in erster Linie auf Business-Kunden fokussiert, so wird nun mehr und mehr auch der Consumer als potentieller Kunde entdeckt.

Das drahtlose Netz hat bessere Chancen

Das intelligente Zuhause ist für Marktforscher ein wahrer Quell für Prognosen. IDC vermutet, daß bis zum Jahr 2005 rund 21 Prozent aller Haushalte vernetzt sind - entweder per Kabel oder per Funk. Doch schon heute ist das Interesse relativ groß. Die "Yankee Group" fand in einer Umfrage heraus, daß in den Vereinigten Staaten mehr als 17 Millionen Haushalte ihr Zuhause vernetzen wollen.

Die drahtlosen Netze haben laut IDC die weitaus besseren Chancen als die Kabel. In fünf Jahren sollen in Europa über 88 Millionen Geräte drahtlos vernetzt sein. Das sind 15 Prozent aller privaten Haushalte. Für die Kabeltechnologie entscheiden sich bis dahin dagegen nur vier Prozent. Die Marktforscher gehen davon aus, daß der europäische Markt den amerikanischen überholen wird. In den USA prognostizieren sie im Jahr 2005 mehr als 77 Millionen per Funk vernetzte Geräte. Diese 19 Prozent stehen den 11 Prozent der privaten Haushalte gegenüber, die per Kabel vernetzt sein werden.

Alles hängt von der richtigen Technologie ab

Im Moment beschränkt sich der Boom allerdings vor allem auf die Netzwerk-Kits, die derzeit die Retailmärkte überschwemmen. Diese Produkte sind genau das richtige für das rudimentäre Wohnzimmernetz mit zwei Geräten oder für die LAN-Party am Wochenende. Sie sind billig, einfach zu installieren und zu erweitern. Der Handel hat mit diesen Produkten keinen großen Beratungsaufwand. Allerdings bringen sie auch nicht den von den Marktforschern versprochenen Geldsegen. "Das ist für uns als Systemhäuser im Moment noch kein Markt. Mit Privatkunden kann man derzeit nicht kostendeckend arbeiten", winkt Andreas Rösch, Geschäftsführer vom Systemhaus Rösch in Reutlingen, ab.

Er ordnet die Heimnetzwerke im Moment noch in den Retailmarkt ein. Erst wenn die Verbreitung groß genug ist, daß Bedarf für Dienstleistung entsteht, sieht er die Stunde der Systemhäuser gekommen. "Die privaten Netze werden ein gutes Dienstleistungsgeschäft sein", vermutet Rösch.

Dazu, so Rösch, müßten allerdings erst die technischen Bedingungen gegeben sein. "Private Netze müssen in breiter Front von den Geräten unterstützt werden, sonst funktioniert das nicht."

An Technologien mangelt es der Industrie nicht. Die Kabelvariante der Vernetzung hat gerade erst durch Siemens Zuwachs bekommen. "Home Way" vernetzt alles - Telefon, Fax, PC, Fernseher. Die Lösung besteht aus einer Zentrale, einem Breitbandkabel und einer Standardwanddose. Siemens hofft darauf, daß sich Häuslebauer oder Wohnungsbesitzer mit Renovierungsabsichten zur Installation von Home Way entschließen.

Für die drahtlose Vernetzung steht zum Beispiel die Bluetooth-Technologie. Auf sie setzen vor allen die Telekommunikations- und die Mobilfunkbranche. Mit ihr kann das Handy zur Schaltzentrale des Haushalts werden. Per Funk lassen sich Daten übertragen - auch durch Wände hindurch.

Das vollautomatisierte Wohnzimmer

Die Hersteller von Netzwerktechnologien haben die Vision vom intelligenten Badezimmer oder der automatischen Küche. Das Heimnetz kontrolliert alles: Der Kühlschrank meldet, wenn die Salami zur Neige geht und bestellt im Internet neue, die Dusche kontrolliert den Wasserverbrauch und hilft, Ressourcen zu sparen, das Handy erinnert automatisch, wenn im Fernsehen der Film beginnt, der den Neigungen des Karteninhabers entspricht, und das Kinderbettchen überwacht zuverlässig die Atemzüge des Sprößlings. Dieses Szenarium ist noch Zukunftsmusik, doch allzu lang wird es nicht mehr dauern, dann ist es Wirklichkeit. Andreas Rösch allerdings gibt sich noch etwas Zeit: "Es wird noch etwa zehn Jahre dauern, bis es soweit ist. Wir für unseren Teil fangen jetzt erst einmal langsam an und werden nichts überstürzen. Aber wir werden diese Entwicklung nicht aus den Augen verlieren, denn da öffnet sich ein gigantischer Markt." (gn)

Rund elf Prozent der außerordentlich computerinteressierten Gesamtbevölkerung wollen Geld in ein Netzwerk investieren.

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