Quantum stellt Weichen für das nächste Jahrtausend

17.06.1999

FRANKFURT: Unter die Überschrift "Diversifizierung" hat Michael Brown, Quantums Chairman und CEO, ein ganzes Bündel von Konzepten und Maßnahmepaketen gestellt, mit dem er sein Unternehmen für die Anforderungen der kommenden Jahre rüsten will. Sein erklärtes Ziel ist es, als globaler Speicherproduzent die industrieweit umfangreichste Palette an Speicherlösungen anzubieten."Die Nachfrage nach Speicherkapazität explodiert", bestätigt Brown. Als Ursachen betrachtet er das stetige Anwachsen von digitalen Inhalten - Daten, Video, Audio - sowie den Trend zu vernetzten Computern und die Entwicklung des Internet. Obwohl Quantum als führender Anbieter in vielen Speichersegmenten - nach Browns Worten - vergleichsweise gut positioniert ist, sieht er zur Absicherung alter und zum Aufbau neuer Marktpositionen schnellen und konsequenten Handlungsbedarf.

In seinem Entschluß bestärkt haben dürften ihn die Unternehmens-ergebnisse des im März abgelaufenen Geschäftsjahres. Die im gesamten Fiskaljahr 1998/99 erzielten Erträge gingen im Vergleich zum Vorjahr von 5,8 Milliarden Dollar auf 4,9 Milliarden Dollar zurück. Noch gravierender stellt sich die Situation bei den Gewinnen dar. Konnte das Unternehmen 1998 noch einen Reingewinn von 1,55 Dollar pro Aktie ausweisen, waren es 1999 gerade einmal 76 Cent oder rund 125 Millionen Dollar. Unter Berücksichtigung diverser Sonderbelastungen steht unter dem Strich sogar ein Verlust von 29,5 Millionen Dollar oder 18 Cent pro Aktie. Schuld daran war wieder einmal die katastrophale Preis- und Margensituation im Festplattensektor.

Festplatten Flop, DLT-Laufwerke Top

Mittlerweile glaubt sich Brown mit seiner Produktstrategie im Festplattensektor zumindest auf dem richtigen Weg. "Wir sind mit den Fortschritten im abgelaufenen vierten Quartal außerordentlich zufrieden", kommentiert er den Endspurt des Geschäftsjahres. Um 200.000 auf zirka 7,1 Millionen Festplatten konnte der Absatz im letzten Quartal gesteigert werden. Mit 6,7 Millionen Stück bildeten Desktop-Laufwerke das Gros. Bei 427.000 lag die Zahl der verkauften High-End Platten.

Dennoch lief auch im letzten Quartal nicht alles nach Plan. Zwar erwies sich das hartumkämpfte Desktop-Segment endlich wieder als profitabel, überraschenderweise mußte allerdings der High-End-Sektor trotz Absatzrekord Verluste vermelden.

Keine Entspannung am Festplattenmarkt

Für eine generelle Entspannung am Festplattenmarkt sieht Brown nach wie vor keinerlei Anzeichen. Der Preisverfall wird seiner Ansicht nach aufgrund der steigenden Verkaufszahlen von "Unter-1.000-Dollar-PCs" weiter anhalten. Von der Entwicklung kostenreduzierter Platten speziell für dieses Niedrigpreis-Segment erhofft er eine Entlastung bei der Margensituation. Erste "Harddisk-light"-Produkte sollen noch in diesem Geschäftsjahr präsentiert werden.

Eitel Sonnenschein herrscht derweil beim Geschäft mit DLT-Bandlaufwerken. Bei kontinuierlich steigender Akzeptanz hat sich diese Quantum-Technologie mittlerweile quasi als Industriestandard im Midrange-Servermarkt etabliert. "Im März haben wir das millionste DLT-Drive und das 30millionste DLT-Medium ausgeliefert", verkündet Brown stolz. Die Anzahl der installierten DLT-Laufwerke stieg, seinen Angaben zufolge, in diesem Jahr um 70 Prozent, die Einkünfte aus dem gesamten DLT-Markt wuchsen um 25 Prozent.

Ebenfalls Rekordumsätze und -einnahmen konnte der Bereich der automatisierten Bandlaufwerksprodukte vom Autolader bis zur ATL-Bandlaufwerksbibliothek vermelden. Fakten, die sich in der neuen Unternehmensstrategie widerspiegeln.

Systemgeschäft gewinnt an Bedeutung

Das Wachstum im Unternehmensbereich Speichersystemgeschäft kräftig beschleunigen, ohne gleichzeitig die Position als marktführender Volumenanbieter bei den Desktop-Festplatten zu verlieren, lautet Browns Hauptziel.

Das Geschäftsfeld der automatisierten Bandbibliotheken soll auf die Ebene von Speichersystemen in Unternehmensnetzwerken ausgeweitet werden. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Mitte Mai angekündigte Übernahme von Meridian Data, einem führenden Anbieter von NAS-Lösungen (Network Attached Storage). Mit der Akquisition möchte Quantum nicht nur sein Produktportfolio verbreitern, sondern auch seine Technologiebasis. Im Mittelpunkt stehen dabei die von Meridian Data entwickelten Speicherbetriebssysteme für Einsteiger- und Workgroup-Level-Anwendungen, sowie der "Snap-Server", eine in Netzwerken eingesetzte Speicherlösung.

"Nach dem Kauf und der Integration von ATL Products im letzten Jahr ist die Übernahme von Meridian Data ein weiterer großer Schritt. Kurzfristig wollen wir in den rasch wachsenden Markt für Speicherlösungen in Netzwerken eintreten. Langfristig wollen wir Software für "Embedded Intelligence" in Speicherprodukten und Lösungen entwickeln", faßt Peter van Cuylenburg, Präsident von Quantums DLT und Storage Systems Group, die Eckpfeiler der Geschäftsstrategie zusammen.

Durch die Softwareaktivitäten soll schnell eine Führungsposition bei der Vorstellung einer sich selbst konfigurierenden Festplatte auf Basis der von Sun Microsystems entwickelten Jini-Netzwerk-Architektur aufgebaut werden.

Unterhaltungsindustrie wird neues Marktsegment

Ebenfalls Pionierarbeit möchte Quantum bei der Annäherung von Computer- und Unterhaltungstechnologie leisten. Unter der Bezeichnung "Quickview" haben Quantum und Matsushita Electric Industrial Co. (MEI) gemeinsam ein Verfahren zum Einsatz von Festplatten in High-Definition-Fernsehgeräten (HDTV) entwickelt.

Die digitale Aufzeichnungstechnologie soll in Settop-Boxen, Fernsehempfängern oder digitalen Videorekordern Verwendung finden. Während herkömmliche Videorekorder erst hunderte von Metern Magnetband zurückspulen müssen, um den Anfang einer bestimmten Sendung zu erreichen, bietet Quickview, so seine Entwickler, einen direkten und verzögerungsfreien Zugriff. Zehn Stunden Video sollen so auf den speziell für Video-Streaming optimierten 20-GB-Festplatten Platz finden.

"Wir haben mit Quickview einen Meilenstein gesetzt. Die Resonanz zeigt uns, daß im Feld der Heimelektronik die Zeit reif ist für digitale Aufzeichnungsverfahren", erläutert John Gannon, Präsident der Quantum Hard Disk Drive Group.

Verdrängung geht weiter

Bis es soweit ist, muß der Großteil der Umsätze nach wie vor im Haifischbecken IT-Markt realisiert werden. Gravierende Veränderungen in der IT-Landschaft sind nach Browns Ansicht nicht zu erwarten. Aufgrund der Tatsache, daß OEMs vorzugsweise mit unterschiedlichen Bezugsquellen arbeiten, rechnet er nicht damit, daß die Zahl der Festplattenanbieter im Rahmen eines Verdrängungswettbewerbs weiter sinken wird.

Auch in der Aufteilung zwischen OEM- und Channel-Geschäft bemerkt Brown keinen Trend zur Veränderung: "65 Prozent OEM-, 35 Prozent Channel-Geschäft ist eine Verteilung, die bereits seit mehreren Jahren weitgehend konstant bleibt."

Die Aussichten des echten Retail-Geschäfts beurteilt Brown dagegen eher skeptisch. "Die Produkte werden immer komplexer und für Endkunden zu kompliziert." Pragmatisch betrachtet er die Turbulenzen, die in regelmäßigen Abständen den Channel erschüttern. "Die Player ändern sich, aber das Geschäft bleibt letztendlich gleich." "Work with the winners" lautet seine Devise.

Rainer Thieme nicht mehr im Boot

Offensichtlich nicht mehr zu den Gewinnern zählt Rainer Thieme. Der Regional Sales-Manager Central Europe ist nach mehr als zehnjähriger Tätigkeit für Quantum nicht mehr im Boot. Unüberbrückbare Differenzen über neue Konzepte und Strukturen hätten ihn veranlaßt, das Handtuch zu werfen, heißt es in Branchenkreisen. Seine Position wird Elisabeth Harth übernehmen, die bisher als Senior Sales-Managerin für Quantum tätig war. Nähere Details zu den personellen Veränderungen sollen, so Quantum, in Kürze bekanntgegeben werden. (sd)

Quantum-Boss Michael Brown ist Pragmatiker. "Work with the

winners", lautet sein Motto.

Umsatzrekorde und gute Margen beim DLT-Geschäft, tragen dazu bei die

Verluste im Festplatten-Sektor zumindest teilweise zu kompensieren.

"Harddisk inside", heißt es bei der neuen Generation von Settop-Boxen, Fernsehempfängen und digitalen Videorekordern, die mit "Quickview" ausgerüstet sind.

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