Treue auf dem Prüfstand: Wohl und Wehe der Ein-Hersteller-Strategie

15.11.2001
Bei der Eheschließung versprechen sich die Brautleute ewige Treue. Auch im Geschäftsleben gibt es langjährige, monogame Beziehungen zwischen Händler und Hersteller. Hängt in dieser engen Beziehung auch noch nach Jahren der Himmel voller Geigen oder doch eher der Haussegen schief?

1983 wurde das Systemhaus Sotec GmbH in Laudenbach gegründet, und das Angebot an potenziellen Partnern auf Herstellerseite war sehr dünn. "Uns fiel außer IBM nichts Besseres ein", erklärte Sotec-Geschäftsführer Andreas Pohlmann anlässlich der ComputerPartner-Talkrunde "Monogame Händler - Chancen und Risiken einer Ein-Hersteller-Strategie" auf der diesjährigen Systems. "Bis heute stehe ich zu dieser Entscheidung, auch wenn es in einer Geschäftsbeziehung wie in jeder anderen Beziehung auch mal komplizierter werden kann."

Durch seine Loyalität erhält auch der Hersteller einen Mehrwert, der kaum in Geld aufzuwiegen ist. Dieser Meinung ist auch Aleksander Skudnik, Sales Director bei der Stuttgarter PC-Service GmbH, die sich seit 1995 zu Hewlett-Packard bekennt. "Als monogamer Handelspartner hat man einige Vorteile", erklärt Skudnik. "Man kann glaubwürdiger beim Kunden auftreten, da man den Hersteller, seine Strukturen, seine Produkte kennt. Das ist doch wesentlich besser, als wenn man als Bauchladen mit allem Möglichen auftaucht."

Auch weiß der treue Händler genau, wen er beim Hersteller bei welcher Frage ansprechen kann. In vielen Fällen kennen sich die Mitarbeiter eines monogamen Händlers sogar fast noch besser mit den Produkten aus als die Mitarbeiter des Herstellers. Diese Meinung ist recht weit verbreitet unter den treuen Handelspartnern. Günther Huber, Geschäftsführer der Schuster & Walter IT-Business AG in Nürnberg und bekennender FSC-Getreuer, erklärt dieses Phänomen wie folgt: "Unsere Mitarbeiter werden ausschließlich auf FSC-Produkte geschult. Tagein tagaus beschäftigen sie sich mit ihnen und den Anforderungen unserer Kunden. Da genügen oftmals schon ein Anruf und eine kurze Problembeschreibung, und unser Service-Mitarbeiter weiß sofort, was vielleicht nicht stimmt und wie man es lösen kann."

Das ist auch der Grund, warum Huber ein absoluter Verfechter der Ein-Hersteller-Strategie ist, ohne Wenn und Aber und ohne irgendein Hintertürchen. "Ich will nicht mehrere Systeme und entsprechende Ersatzteile auf Lager haben, verwalten und kennen, ich will lieber, dass wir alles über die Produkte eines Herstellers wissen." Sein Motto ist: "Ich bin lieber die Nummer eins bei einem Hersteller als die Nummer vier bei mehreren."

Wieviel Monogamie verträgt der Fachhandel?

Hubers hundertprozentige Ausrichtung auf einen Hersteller wird von den Wenigsten geteilt, selbst wenn sie sich als sehr monogam darstellen. Sie wissen um die Wichtigkeit von Ausweichmöglichkeiten. Denn nicht immer ist der Kunde einer Meinung mit dem Fachhändler. Auch kann das eine oder andere Produktmodell des favorisierten Herstellers mal nicht passen. So wurde selbst Sotecs IBM-Treue schon manches Mal auf eine harte Probe gestellt. "Monogamie geht nur so weit, wie man sie als Unternehmen vertreten kann. 1992 kam der Microchannel auf den Markt, aber keiner wollte ihn haben, und unsere Lager waren voll", berichtete Pohlmann. "Die Kunden verlangten Alternativen. Also haben wir einige Hundert No-Names zusammengeschraubt, um die Kunden nicht zu verlieren."

Auch bei anderen wie der PC-Service GmbH oder der Berliner Bercom Computervertriebs GmbH ist "Fremdgehen" im Notfallplan enthalten. Bercom-Geschäftsführer Reiner Müller bietet bei Extrawünschen statt der von ihm präferierten Acer-Produkte auch schon mal Geräte Marke Eigenbau an. "Wir sind von der Qualität und der breit gefächerten Palette der Acer-Produkte überzeugt", stellt Müller klar. "Aber wenn dem Kunden etwas nicht richtig passt, dann fällt uns schon was ein. Bei uns gibt es einen fließenden Übergang zum Assemblieren oder zur Umkonfiguration. Wenn der Kunde die Buchsen nicht rechts, sondern links haben will - kein Problem, kriegt er bei uns." Auf der anderen Seite schätzt Müller bei einer monogamen Strategie die Übersichtlichkeit beim Support-Aufwand und das einheitliche Know-how zu allen Geräten.

Rainer Steen, Leiter des Channel-Marketing bei Fujitsu Siemens Computers, geht da einen Schritt weiter. Er sieht eher in der Zwei-Hersteller-Strategie die ideale Ausrichtung für den Handel. Dadurch sei der Händler zum einen von keinem Unternehmen und dessen Produktlinien abhängig: "Händler sind letztendlich Unternehmer. Sie müssen sehen, wie sie da draußen im harten Wettbewerb klarkommen." Zum anderen sei der Fachhändler durch sein eigenes Know-how im IT-Business qualifiziert. Die notwendige Qualifikation für die Produkte zweier Hersteller sei aber teuer genug, so dass er keine weiteren benötige.

Wie hoch schätzen Hersteller Treue der Händler?

Hersteller wiegen sich leicht in Sicherheit, wenn die Handelspartner treu sind. Deshalb wünschen sich die meisten Händler seitens der Hersteller auch ein höheres Maß an Loyalität. Das könnte man beispielsweise durch bessere Einkaufskonditionen, Vorteile beim Einkauf oder mehr Unterstützung bei der Ausbildung beweisen. Gerade die Qualifikation der Mitarbeiter kostet die Handelspartner viel Zeit und Geld. "Bei monogamen Händlern erwartet der Kunde besonders viel Know-how", weiß Skudnik zu berichten. "Da bräuchten wir noch mehr Unterstützung von Seiten der Hersteller."

Erstaunlich wenig Angst haben hingegen die Getreuen vor der direkten Konkurrenz des präferierten Herstellers bei der Kundenakquise. Laut Skudnik trifft er schon mal beim Kunden auf HP-Vertriebsleute, "aber die wollten niemals auf Teufel komm raus den Deal selber machen". Viel wichtiger sei ihnen, dass HP gegen andere Hersteller gewinnt, und dann in der Regel mit dem treuen Handelspartner im Boot. Das sei auch selten ein Problem, da der direkte Wettbewerb durch HP meistens sogar helfen würde. "Wir haben eine schlankere Kostenstruktur als HP", so Skudnik. "Dadurch können wir günstigere Angebote machen als der Hersteller selbst."

Auch Pohlmann bescheinigt IBM eine hohe Bereitschaft, Geschäfte möglichst mit dem Channel-Partner zu machen. Big Blue nutze meist die Synergien des kleinen Partners, seine Geschwindigkeit, seine Flexibilität und die Flächendeckung. Da finde tatsächlich eine gute Zusammenarbeit statt. Pohlmann empfindet nur den Wettbewerb durch IBM Direkt und IBM Web-Business als sehr ärgerlich.

Steen streut sich als Herstellervertreter da schon selber Asche aufs Haupt. "Wir haben in der Vergangenheit in dieser Richtung viel falsch gemacht. Bei Siemens gab es einen Loyalitätsbonus, aber man fuhr eine falsche Händlerpolitik. Bei Fujitsu gab es so etwas de facto nicht. Seit zwei Jahren, also nach der Fusion, tun wir alles, um unser Partnerprogramm wirklich zu leben und nicht durch eigene Vertriebsaktivitäten zu stören."

Grundsätzlich sehen alle Händler in ihrer Kunden-verbundenheit den größten Trumpf beim Poker mit dem allmächtigen Hersteller. Pohlmann fasst diese Meinung so zusammen: "Wer die Kunden gut im Griff hat, sie gut betreut und berät, nicht mit einem Bauchladen herumläuft oder verbrannte Erde hinterlässt, der macht auch künftig sein Geschäft." Und da ist es egal, mit welchem Hersteller, denn der Kunde vertraut in den meisten Fällen auf die Kom-pentenz des Fachhändlers.

www.bercom-berlin.de www.fujitsu-siemens.de

www.schuwa-ag.de

www.sotec.net

www.pcservice.de

ComputerPartner-Meinung:

Treue steht bei monogamen Händlern ganz hoch im Kurs, sie wird nur vom Überlebenswillen übertroffen. Die Channel-Partner nehmen diese Beziehung sehr ernst und investieren viel Zeit und Geld in ihre Qualifikation. Die Hersteller sind gut beraten, das Treuegelöbnis zu achten. Denn auch andere Hersteller haben gute Produkte. (go)

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