Ungeahnte Kosten sorgen oft für Überraschung

09.09.1999

STUTTGART: Einkaufen per Internet - E-Commerce - gehört nach Ansicht von Rolf Heiler* die Zukunft. In der Gegenwart dominieren jedoch die langen Gesichter. Was ist zu tun, damit der Aufbau eines Web-Shops erfolgreich wird? Wo entstehen Kosten für den Auftritt?An Electronic Commerce scheiden sich derzeit die Geister. Wie so oft werden viele Pioniere vom Markt für ihren Einsatz nicht belohnt, sondern müssen für unausgereifte Konzepte und falsche Strategien Lehrgeld bezahlen. Um so mehr kommt es darauf an, die Kunden über Risiken und Nebenwirkungen von E-Commerce nüchtern aufzuklären, damit ihnen der Einstieg in die faszinierende Welt des Web nicht gleich zu Beginn verleidet wird.

Es gibt dabei viel zu tun für IT-Anbieter, Händler, VARs und Softwarehäuser, denn der Einstieg in E-Commerce ist alles andere als trivial. Die Basis eines virtuellen Shops ist und bleibt der Versandhandel. Nur Produkte, die wie Bücher, Audio, Video oder Software selbst digitalisierbar sind, können auch übers Web verteilt werden. Für alle anderen gilt die Selbstverständlichkeit, daß im Web nur der Kaufvorgang stattfindet, während die Erfüllung, die Lieferung, ganz traditionell über Paketversand erfolgt. Der Anbieter muß daher schon im Vorfeld klären, ob die eigene Logistik darauf überhaupt eingestellt ist. Ein Shop, der nur Bestellungen entgegennehmen kann, der aber mit dem Liefern nicht mehr nachkommt, ist eine höchst ärgerliche Sache - denn die Kunden erwarten von einem Web-Shop sofortige Lieferung. Und wenn das nicht klappt, sind sie auf Dauer verloren.

Drei Arten von Läden

Drei Möglichkeiten gibt es, die eigenen Waren über das Internet anzubieten:

- Online-Warenhaus ("Internet-Mall"): Der Anbieter schickt eine elektronische Warenliste an einen Dienstleister, der sie in ein (standardisiertes) Web-Angebot aufnimmt. Der Anbieter selbst hat mit Internet und E-Commerce im Grunde nichts zu tun, der Dienstleister übernimmt die ganze Technik. Doch der läßt sich diesen Service natürlich teuer bezahlen, und der Anbieter verfügt so keineswegs über einen individuellen, CI-gerechten Web-Auftritt. Die erreichbare Kundenbindung ist eher gering.

- Individuelle Entwicklung einer E-Commerce-Lösung: Diese Lösung ist maßgeschneidert - und entsprechend teuer. Sie eignet sich für ganz große Anbieter wie Versandhäuser.

- Fertiger Web-Shop aus der Box: Eine Standardsoftware, die die meisten Anwendungsfälle abdecken kann, ist preiswerter als die Individualprogrammierung und dennoch - sieht man einmal von den kleinen, wenig mächtigen Lösungen ab -

flexibel an individuelle Bedürfnisse anpaßbar.

In jedem Fall ist darauf zu achten, daß eine E-Commerce-Lösung sich in die Unternehmens-DV integrieren läßt, insbesondere in ERP- oder Warenwirtschaftssysteme. Von Insellösungen ist dringend abzuraten, denn diese erfordern langfristig einen höheren Betreuungs- und Pflegeaufwand.

Bei keiner Variante weiß der Betreiber im voraus, wie viele Kunden die Web-Seite besuchen werden und wie viele von denen dann wirklich dort einkaufen. Die Ertragsseite eines E-Commerce-Projekts ist also recht ungewiß, konkrete Erfahrungen fehlen meist und lassen sich auch nicht von anderen Unternehmen aufs eigene übertragen.

Gerade Anbieter ohne große Erfahrung sind immer wieder überrascht, wie erfindungsreich die Web-Welt bei der Generierung von Kostenarten ist. Wenn beispielsweise die Kosten für die Einrichtung des Shops in den sechsstelligen Bereich vordringen oder wenn sich anschließend hohe laufende Kosten einstellen. "Vergessene" Posten können da das Aus für einen hoffnungsvoll begonnenen Web-Shop bedeuten. Die Startkosten entstehen im wesentlichen in folgenden Bereichen:

- Web-Server

- Design der Web-Seiten

- Datenbankanbindung und Integration in Unternehmens-DV

- Provider-Startkosten

Außerdem ist mit nicht unerheblichen Folgekosten im Dauerbetrieb

zu rechnen:

- Leitungskosten (Telekom)

- Provider- und Web-Zugangskosten

- regelmäßige Pflege der Web-Seiten (Personalaufwand)

- Vermarktung der Angebote

Die vorkonfigurierten Lösungen

vereinfachen und verbilligen die Einrichtung eines Online-Shops erheblich. Auch bei fertigen E-Commerce-Lösungen handelt es sich um eine anspruchsvolle Technologie, die nicht nur zu bezahlen ist, sondern die obendrein noch professionellen Service bedingt. Aber im Gegensatz zu High-End-Lösungen besteht hier nicht die Gefahr, daß die Leistungsfähigkeit und die individuelle Anpaßbarkeit mit hohem Aufwand und teilweise gewaltigen Kosten erkauft werden müssen. Bereits im Vorfeld ist der Aufwand überschau- und kalkulierbar. Außerdem liegt es in der Natur der Sache, daß preisgünstige Schmalspurlösungen zu unflexibel sind und sich letztlich nur für virtuelle Mini-Shops eignen. Mit einem fünfstelligen Betrag muß der E-Commerce-Anbieter für eine professionelle, kommerzielle Lösung rechnen; soll eine aufwendige Integration zu bestehenden Systemen geschaffen werden, so können sich auch sechsstellige Beträge ergeben.

Keine Lösung garantiert, daß der virtuelle Shop auch Kunden findet. Wer meint, es genüge, einen Katalog ins Web zu stellen, und die Kunden würden wie von selbst kommen, wird mit Sicherheit enttäuscht werden. "Klassische Lauflagen" gibt es im Web nicht, was heute in ist, ist morgen vergessen. Anbieter müssen ihren Web-Shop daher mit gezieltem Marketing stützen. Die neuen technischen Möglichkeiten des One-to-One-Marketings helfen hier, im anonymen Web eine Anbieter-Kunden-Beziehung aufzubauen. Dabei wird der Shop so eingerichtet, daß er gezielt auf spezifische Wünsche des Web-Kunden automatisch reagiert.

Das Verkaufen von fertigen Shop-Lösungen ist für Händler und VARs ein ebenso anspruchsvolles wie lukratives Gebiet. Das Produkt trifft auf einen trotz aller Unsicherheiten expandierenden Markt, ist überschaubar und erschließt ein durchweg beratungsintensives Umfeld.

* Rolf Heiler ist Geschäftsführer der Heiler Software GmbH, Stuttgart.

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