Die Supply Chain und die letzte Meile

Wie kommt das Paket künftig zum Kunden?

Burkhard Heihoff ist Geschäftsführer von Pitney Bowes und Vertriebsdirektor. Er verantwortet das Geschäft der Pitney Bowes Deutschland GmbH und den gesamten Vertrieb der Postbearbeitungs- und Versandlösungen in Mitteleuropa. Vor seinem Einstieg bei Pitney Bowes verantwortete Herr Heihoff als Country Manager D/A/CH das B2B Geschäft von Panasonic und war in verschiedenen Managementpositionen für Canon tätig.
Die letzte Meile bereitet Paketdiensten in Innenstädten Kopfzerbrechen, denn sie ist zeitintensiv und teuer. Neue Technologien und Synergien könnten hier Abhilfe schaffen.

Der Onlinehandel wächst seit Jahren, ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Das bedeutet auch für die Logistikbranche ein florierendes Geschäft: 4,3 Milliarden Sendungen werden Kurier-, Express- und Paketdienstleister im Jahr 2022 voraussichtlich allein in Deutschland zustellen, prognostiziert der Bundesverband Paket- und Express-Logistik (BIEK) auf Basis der Wachstumszahlen der vergangenen Jahre.

E-Commerce boomt - aber die damit einhergehende Zunahme der Paketlieferungen führt zu neuen Problemen.
E-Commerce boomt - aber die damit einhergehende Zunahme der Paketlieferungen führt zu neuen Problemen.
Foto: Kzenon - shutterstock.com

Die damit einhergehende Zunahme der Paketlieferungen führt allerdings zu neuen Problemen. Der steigende Verkehr in den Innenstädten verstopft die Straßen. Parkplätze in Wohngebieten sind ohnehin rar. Die Kurierfahrer sind am Limit und die Kunden genervt. Eine weltweite Studie von Pitney Boweszeigte jüngst, dass gerade in saisonalen Stoßzeiten Probleme entstehen: 61 Prozent der befragten Verbraucher waren unzufrieden und beschwerten sich insbesondere über unpünktliche und ausbleibende Lieferungen sowie beschädigte Sendungen.

Wie kommen solche Werte zustande? Die Städte stoßen an ihre Grenzen. Sie sind den neuen Anforderungen der Lieferlogistik nicht mehr gewachsen. Denn neben der schieren Masse der zuzustellenden Pakete sind beim E-Commerce auch die Geschwindigkeit und Flexibilität der Lieferung entscheidende Faktoren. Gerade in Großstädten gilt heute "Same-Day" schon als fast zu spät.

Zustellroboter oder Lieferdrohnen könnten in Zukunft einen Teil der Paketlieferungen übernehmen.
Zustellroboter oder Lieferdrohnen könnten in Zukunft einen Teil der Paketlieferungen übernehmen.
Foto: StarShip

Als treibender Faktor setzt Amazon Maßstäbe: In Berlin werden Prime-Kunden etwa innerhalb von 2 Stunden beliefert, in Manhattan zum Teil innerhalb von rund 15 Minuten nach Bestellung. Kunden, die etwas so dringend benötigen, sind auch bereit, die hohen Zusatzkosten für den Expressversand zu tragen. Um diese Fristen zu ermöglichen, muss die städtische Infrastruktur jedoch entsprechend ausgebaut sein.

Grundsätzlich gilt aber auch: Verbraucher legen großen Wert auf kostenfreien Versand und kostenlose Retouren. In der oben genannten Studie von Pitney Bowes zeigt sich: In Deutschland ist für 82 Prozent der Befragten eine kostenlose Lieferung wichtiger als eine besonders schnelle. Steigende Lieferkosten könnten Kunden also davon abhalten, sich alles bis nach Hause liefern zu lassen.

Das wäre eine durchaus positive Entwicklung: Denn wenn die Verbraucher dazu bewegt werden können, beispielsweise zentrale Paketstationen oderClick&Collect-Angeboteverstärkt zu nutzen, entzerrt das den Verkehr bereits deutlich und entlastet so die Innenstädte. Die Anlieferung bis vor die Haustür könnte künftig als Premiumservice angeboten werden, um den Verkehr in Wohngebieten zu reduzieren - und das ist dringend nötig.

Umdenken für neue Lieferkonzepte

Die Fahrer der Lieferfahrzeuge sehen sich nämlich nicht nur mit fehlenden Parkflächen und dem daraus häufig resultierendem Parken in zweiter Reihe konfrontiert, auch die Umweltauswirkungen stellen sie vor neue Herausforderung. Zahlreiche Großstädte richten mittlerweile vermehrt dieselfreie Zonen ein. Und da nach wie vor die Mehrheit der Lieferfahrzeuge mit Diesel betrieben werden, können sie einige Straßen so nicht mehr anfahren. Die Deutsche Post hat mit ihren StreetScootern an dieser Stelle eine echte Pionierleistung geschaffen und agiert als Vorreiter für die Elektromobilität.

Die Deutsche Post ist mit ihren StreetScootern Vorreiter für Elektromobilität bei Lieferdiensten.
Die Deutsche Post ist mit ihren StreetScootern Vorreiter für Elektromobilität bei Lieferdiensten.
Foto: Deutsche Post DHL Group

Städte und Transportunternehmen müssen daher umdenken und neue Konzepte für ein funktionierendes Liefersystem schaffen. Dieses sollte unkompliziert und zuverlässig sein und dabei gleichzeitig die Umwelt schonen. In Frankfurt am Main wird beispielsweise aktuell die Lieferung von Mikrodepots per Straßenbahn getestet, was den Verkehr von den Straßen auf die Schiene verlagern würde. Serienreif wird dieses Projekt allerdings wohl nie, denn die notwendigen Kapazitäten sind hoch und die Auslastung des Öffentlichen Nahverkehrs in Stoßzeiten schon jetzt an der Grenze.

Einige technologische Pilotprojekte bieten ebenfalls vielversprechende Ansätze - oft aber nur für begrenzte Einsatzgebiete. Zustellroboter oder Lieferdrohnen etwa können einen Teil der Paketlieferungen übernehmen, auch Zustellungen in den Kofferraum von Privat-PKW werden ihre Zielgruppe finden. Im großen Stil wird sich das voraussichtlich jedoch nicht durchsetzen können.

Wenn der Berg nicht zum Prophet kommt…

Wenn der E-Commerce weiter wie erwartet zunimmt, müssen flächendeckende Lösungen geschaffen werden. Diese können sehr unterschiedlich aussehen. Ein Beispiel wäre etwa der Aufbau von Mikrodepots am Rande der Innenstädte. Von dort aus könnten die Paketdienstleister die letzte Meile zum Endkunden mit Lastenfahrrädern zurücklegen - möglicherweise elektrisch unterstützt - oder sogar kleine Mengen zu Fuß ausliefern. Das reduziert Abgase und vermeidet Staus.

Auch speziell ausgewiesene Halteplätze für Paketlieferanten wären ein Schritt in die richtige Richtung: Die Transportfahrzeuge könnten so in zugewiesenen Haltezonen parken und würden den restlichen Verkehr nicht blockieren. Nichtsdestotrotz muss der Kunde bei der Auslieferung in diesem Fall weiterhin zuhause sein - und das ist ein weiterer Knackpunkt: Konsumenten erwarten Flexibilität bei der Lieferung: Entweder sehr klare, enge Lieferfenster oder - besser noch - Unabhängigkeit vom Lieferzeitpunkt.

Das heißt, ein Paketversand muss unkompliziert an alternative Adressen möglich sein, den Arbeitsplatz etwa, oder auch Lieferstationen. Das Angebot an Lieferstationen ist allerdings heute noch sehr begrenzt. Lokale Depots müssten an zentralen Punkten über die Stadt verteilt werden, um kurze Wege für die Kunden sicherzustellen. Beispiele könnten etwa Supermärkte, Einkaufszentren oder Tankstellen sein. Dort halten sich die Verbraucher ohnehin regelmäßig auf und könnten ihre Lieferung dann abholen, wenn es für sie keinen zusätzlichen Aufwand bedeutet.

Die Herausforderungen sowohl bei Mikrodepots als auch bei Lieferstationen ist allerdings die Menge der Anbieter. Wenn jeder Carrier eigene Depots in die Innenstädte stellen möchte, wird es eng: Zentral gelegene Lagerflächen sind rar. Um hier eine sinnvolle Lösung zu finden, müssten die großen Logistikunternehmen die gleichen Boxen nutzen. Kooperationen könnten hier also der große Schlüssel zum Erfolg sein.

Lokale Unternehmen und stationäre Händler als heimliche Helden

Von Kooperationen können auch lokale Unternehmen profitieren: Um ihre Flotten besser zu nutzen, können Online-Händler mit lokalen Anbietern zusammenarbeiten. Das sichert zum einen schnelle Verfügbarkeit der Produkte am gewünschten Ort, zum anderen spart es viele Lieferwege. Erste Pilotprojekte großer Online-Händler mit stationären Händlern vor Ort gibt es bereits.

Die Händler in den Städten können also entweder die bestellte Ware in ihren Filialen zur Abholung bereitstellen oder zum Wunschtermin an den Kunden liefern. Diese Flexibilität und der zusätzliche Service könnten auch in saisonalen Hochzeiten die Kundenzufriedenheit deutlich steigern. Wiederum: ein wünschenswertes Ergebnis.

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