Wie man gemeinsam durch Krisen kommt

25.06.2007
Von Michael Schweizer

Dass die Comet-Mitarbeiter Arbeitszeit und -ort viel freier wählen können als in anderen Unternehmen üblich, verlangt ihnen ein aufmerksames Kommunikationsverhalten ab: Sie müssen rechtzeitig darüber informieren, wann sie wo erreichbar sind. Manche, sagt Sissi Closs, verstehen diese Notwendigkeit am Anfang nicht ganz, "die Einsicht kommt aber im Lauf der Zeit". Der Preis für die neuen Kommunikationsmittel ist, dass man sie benutzen muss. Das gilt auch nach außen. Angestellten aller Art wird heute im Umgang mit dem Kunden ein Geschick abgefordert, das früher eine Spezialqualifikation von Vertriebsleuten war.

Manche Qualität entsteht allerdings nur, wenn ihr Erzeuger sich nicht ständig austauschen muss. IT-Hersteller würden weniger rufschädigende Halbfertigprodukte auf den Markt werfen, wenn mehr Könner an ein und derselben Sache arbeiten dürften, bis sie fertig ist. Souveräne Vorgesetzte lassen Mitarbeiter, die etwas damit anzufangen vermögen, in Ruhe.

In den meisten Unternehmen und Institutionen die externe Kommunikation wohl ungefähr so gut wie die interne. Ufer kann in seiner etwa 140-köpfigen Stadtverwaltung auch auf informelle Gespräche setzen: "Wenn ein Mitarbeiter große persönliche Sorgen hat, dann behaupte ich mal, dass ich das weiß." Die Techniker Krankenkasse mit ihren zirka 9800 Mitarbeitern (etwa 300 davon in der IT) hat dagegen die Kommunikation teilweise institutionalisiert. IT-Leiter Schröder bietet monatlich eine Mitarbeitersprechstunde an. Was ihm dort anvertraut wird, behält er für sich, außer sein Eingreifen wird ausdrücklich gewünscht. Mitarbeiter können sich in schwierigen Lebenslagen außerdem unentgeltlich vom Fürstenberg-Institut beraten lassen. Auftraggeber wie die Techniker Krankenkasse bezahlen dafür eine Pauschale. Sie erfahren nicht, welche Mitarbeiter Hilfe gesucht haben, sondern nur, welche Probleme von wie vielen Besuchern angesprochen worden sind.

"Führungskräfte loben viel zu wenig"

CW: Wie können Führungskräfte Arbeitsqualität und Sozialverhalten ihrer Mitarbeiter positiv beeinflussen?

Angelika Wagner-Link betreibt in München das Institut für Mensch und Management, in dem sie unter anderem Führungskräfte-Coaching anbietet. Sie ist Vorsitzende der Landesgruppe Bayern des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen.
Angelika Wagner-Link betreibt in München das Institut für Mensch und Management, in dem sie unter anderem Führungskräfte-Coaching anbietet. Sie ist Vorsitzende der Landesgruppe Bayern des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen.

WAGNER-LINK: Sie sollten lernen, Mitarbeiter als Personen in ihren Fähigkeitenund Defiziten zu erkennen. Vorgesetzte wissen oft unglaublich wenig über ihre Mitarbeiter. Viele loben viel zu wenig, dabei ist es relativ einfach, Fähigkeiten durch Lob auszubauen und Unerwünschtes auch mal nicht zu beachten. Ein Chef sollte ein gutes Vorbild sein. Manche verhalten sich aber wie ein Werkmeister, dessen Mitarbeiter Sicherheitsschuhe tragen sollen, der jedoch selbst immer in Straßenschuhen herumläuft.

CW: Welche typischen Fehler machen Führungskräfte gegenüber ihren Mitarbeitern?

WAGNER-LINK: Sie haben zu wenig Einfühlungsvermögen, gehen viel zu sehr von ihrer Sicht aus. Sie hören nicht zu und fragen nicht, sind zu sehr an der Sache interessiert, zu wenig an der Person. Zu zwei Dritteln entscheidet über den Erfolg der Kommunikation die Beziehung.

CW: Was sind die gefährlichsten Belastungen, denen Führungskräfte heute ausgesetzt sind? Wie können sie sich schützen?

WAGNER-LINK: Der Druck von oben hat unheimlich zugenommen. Führungskräfte bekommen völlig unrealistische Vorgaben, die sie mit immer knapperen Ressourcen erfüllen sollen. Viele haben große Existenzängste. Selbstschutz fängt mit Erkenntnis an: Jemand, von dem Unmögliches verlangt wird, muss das nicht unbedingt sagen. Aber er sollte es merken.

CW: Ist soziale Kompetenz trainierbar?

WAGNER-LINK: Da scheiden sich die Geister. Menschen, die aus Trainings kommen, sind oft nicht mehr authentisch. Die Mitarbeiter merken, ob es nur angelernt ist, wenn jemand jeden Tag guten Morgen sagt, oder ob Wertschätzung dahintersteht.

CW: Was fällt weiblichen Führungskräften leichter, was schwerer als männlichen?

WAGNER-LINK: Frauen arbeiten mehr. Sozialisationsbedingt haben sie die weichen Management-Fähigkeiten besser trainiert. Unangenehme Aufgaben zu delegieren fällt ihnen schwerer. Ihre Selbstdarstellung nach außen lässt zu wünschen übrig, und sie planen ihre Karriere schlechter.

CW: Wenn Sie einem Chef drei gute Eigenschaften anhexen könnten, welche wären das?

WAGNER-LINK: Authentizität, Kommunikationsfähigkeit, Konsequenz.

Wenn jemand jahrzehntelang gut gearbeitet hat und dann nachlässt, "finden wir immer eine Lösung", sagt TK-IT-Chef Schröder. Anders sieht es aus, wenn jemand kann, aber nicht will: "Wir versuchen zu verhindern, dass Mitarbeiter das System zum Schaden der Firma und der Kollegen ausnutzen." Die äußerste Konsequenz beschreibt msg-Personalleiter Bender: Wenn jemand "weder seine Kollegen noch unser Unternehmen wirklich weiter unterstützen will", sei eine Trennung unumgänglich.

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