Chef muss Mitarbeiter vertrauen können

Zugangsvereitelung einer Kündigung



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Was "Zugang unter Anwesenden" bedeutet

Der Zugang unter Anwesenden sei dann bewirkt, wenn das Schriftstück dem Empfänger mit der für ihn erkennbaren Absicht, es ihm zu übergeben angereicht und, falls er die Entgegennahme ablehnt, so in einer unmittelbaren Nähe abgelegt wird, dass er es ohne Weiteres an sich nehmen und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann. Verhindert der Empfänger durch eigenes Verhalten den Zugang oder lehnt er die Entgegennahme grundlos ab, müsse er sich nach Treu und Glauben behandeln lassen als sei die Willenserklärung zu diesem Zeitpunkt zugegangen.

Das Gericht stellt in diesem Zusammenhang deutlich heraus, dass ein Arbeitnehmer einer im Betrieb stattfindenden Besprechung mit dem Arbeitgeber regelmäßig mit der Übermittlung rechtserheblicher Erklärungen betreffend sein Arbeitsverhältnis rechnen müsse. Der Betrieb sei typischerweise der Ort, an dem das Arbeitsverhältnis berührende Fragen besprochen und geregelt würden. Der Arbeitnehmer dürfe die Entgegennahme von Erklärungen nicht grundlos verweigern.

Treuwidrige Zwangsvereitelung

Mangels eindeutigen Sachvortrages wiesen die Bundesrichter das Landesarbeitsgericht Hamburg an zu klären, ob der Klägerin das Kündigungsschreiben am 22. Oktober 2012 tatsächlich gegeben wurde (dann Zugang) oder ob versucht worden sei, es der Klägerin auszuhändigen, diese sich jedoch die Entgegennahme verweigert und das Büro verlassen habe (dann treuwidrige Zugangsvereitelung).

Unabhängig davon sei nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin den Zugang der Kündigung am Nachmittag des 22. oder 23. Oktober 2012 gegen sich gelten lassen müsse. Selbst wenn die Mitarbeiter die Klägerin erst am 23. Oktober 2012 aufgesucht und das Schreiben anschließend in den Briefkasten geworfen hätten, so wäre ihr die Kündigung, unterstelle man das Vorbringen als wahr, noch an diesem Tag zugegangen.

Die Klägerin habe nach dem Hinweis in dem Gespräch am 22. Oktober 2012 auf die beabsichtigte Übergabe davon ausgehen müssen, dass die Boten das Kündigungsschreiben in den Hausbriefkasten einwerfen und es damit in ihren Herrschaftsbereich gelange. Unter gewöhnlichen Verhältnissen habe damit für sie die Möglichkeit bestanden, von dem Schreiben noch an diesem Tag Kenntnis zu nehmen. Anders als dann, wenn ein Brief ohne Wissen des Adressaten erst nach den üblichen Postzustellzeiten in dessen Hausbriefkasten eingeworfen werde, ist mit der Kenntnisnahme eines Schreibens, von dem der Adressat weiß oder annehmen muss, dass es gegen 17:00 Uhr eingeworfen wurde, unter gewöhnlichen Verhältnissen noch am selben Tag zu rechnen.

Auf die zeitweilige Abwesenheit der Klägerin und auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme der Klägerin über den Zugang des Kündigungsschreibens kam es dagegen nicht an.

Franzen empfiehlt, dies zu beachten, und rät, bei Fragen zum Arbeitsrecht Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. - www.vdaa.de - verweist.

Weitere Informationen und Kontakt:

Klaus-Dieter Franzen, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, c/o Backes Krautwald Steuerberater Rechtsanwälte PartG mbB,

Domshof 8-12, 28195 Bremen, Tel.: 0421 79273-30, E-Mail: mailto:franzen@legales.de, Internet: www.legales.de

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