Die offene Aussprache im Team

22.12.2006
Von Brigitte Seidler
Was tun, wenn alle unzufrieden sind und keiner den Mund aufmacht?
Bild: photocase.com
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Im Team gärt es. Eiskristalle fliegen durch die Luft. Kollegen begegnen sich mit Misstrauen, beobachten sich aus den Augenwinkeln. Jeder arbeitet verbissen seinen Part ab, der Leistungsdruck ist hoch, die Ergebniserwartung seitens der Geschäftsleitung ebenso. Egal, ob es sich um ein temporär eingesetztes Team aus fachübergreifenden Spezialisten handelt oder um eine kontinuierlich gewachsene Abteilung: Jedes Nachlassen des Anderen macht die eigene Bemühung zunichte, jeder Fehler eines Einzelnen schmälert den Erfolg des Teams. Irgendwann kommt der Punkt, an dem Jeder auf Jeden sauer ist.

Diffuse Unzufriedenheit

Alle sind unzufrieden, aber keiner weiß eigentlich so genau, warum. Die Motivation weicht dem Sarkasmus, statt gegenseitiger Nettigkeiten werden zynische Seitenhiebe verteilt, die Kollegen reden übereinander statt miteinander. Bezeichnend: in den wöchentlichen Arbeitsbesprechungen ist immer "alles in Ordnung". Jeder leidet, aber keiner sagt was.

Vage Andeutungen statt klarer Kritik

Mitunter dauert es lange, bis der Chef die schlechte Stimmung in seiner Gruppe bemerkt, mitunter will er sie auch gar nicht bemerken: "Lasst mich in Ruhe mit dem Kindergartenkram....". Vielleicht fasst er sich eines Tages ein Herz und trommelt seine Leute zu einer offenen Aussprache zusammen. Nun sollen sie sagen, was ihnen nicht passt, die Unzufriedenheiten auf den Tisch legen, Verbesserungsvorschläge machen. Da sitzen sie dann beisammen in großer Runde hinter geschlossenen Türen - und schweigen sich an. Betretene Blicke, Achselzucken, Ratlosigkeit, allenfalls mühsam verklausulierte, vage Andeutungen. Mit einer offenen Aussprache hat das nichts zu tun. Warum ist das so?

Angst, die Dinge beim Namen zu nennen

Alle befürchten: Nur im Schützengraben sind wir sicher. Der Erste, der den Kopf rausstreckt, der Erste, der den Mund aufmacht, steht an der Wand. Er würde mit Schwarzen Petern nur so bombardiert, er würde Gefahr laufen, am Ende selbst als Sündenbock dazustehen. Wohl jeder hat es schon erlebt, wie eine geplante offene Aussprache in erbitterten Schuldzuweisungen endet. Noch gestern geäußerte Meinungen werden verleugnet, Belanglosigkeiten hoch gepuscht, Missverständnisse provoziert. Die Gruppendynamik erledigt den Rest, nicht selten fließen Tränen, der Chef rauft sich die Haare, und nach der "offenen Aussprache" ist die Stimmung schlechter denn je.

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