Tipps für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

EuGH: Wegezeit ist Arbeitszeit



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Tipp für Arbeitgeber:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) dürfte die vorerwähnte Rechtsauffassung des EuGH teilen. Es hat bereits in seinem Urteil vom 12. Dezember 2012 - Az. 5 AZR 355/12 - auf die vertragstypischen Pflichten beim Dienstvertrag abgestellt, die in § 611 BGB normiert sind. § 611 Abs. 1 BGB besagt, dass durch den Dienstvertrag derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste und der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist.

Das BAG ist der Ansicht, dass zu den im Sinne von § 611 Abs. 1 BGB "versprochenen Diensten" auch das vom Arbeitgeber angeordnete Fahren vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle gehört. Derartige Fahrten sind daher nach Auffassung des BAG eine primär fremdnützige, den betrieblichen Belangen des Arbeitgebers dienende Tätigkeit und damit "Arbeit". Durch das Anordnen der Fahrten macht der Arbeitgeber diese zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung.

Wichtig ist aber für Arbeitgeber, dass nach der Rechtsansicht des BAG mit der Einordnung der Fahrzeiten als Teil der im Sinne von § 611 Abs. 1 BGB "versprochenen Dienste" noch nicht automatisch geklärt ist, wie sie zu vergüten sind. Das BAG hat vielmehr in dem vorerwähnten Urteil ausdrücklich klargestellt, dass durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Fahrzeiten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle getroffen werden kann.

Dies dürfte auch für ähnlich gelagerte Sachverhalte gelten, wie sie dem vorzitierten Urteil des EuGH zugrunde lagen, also für Wegezeiten vom Wohnort zum Kunden, wenn es keine Betriebsstätte (mehr) gibt, von der aus gestartet wird. Arbeitgeber sollten daher von dieser vom BAG eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen und ihre Arbeitsverträge entsprechend ausgestalten lassen.

Armin Rudolf ist Rechtsanwalt, Notar, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied des VDAA Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte e. V. - www.vdaa.de -, c/o RITTER GENT COLLEGEN, Lüerstraße 3, 30175 Hannover, Tel: 0511 538999-21, E-Mail: rudolf@ritter-gent.de , Internet: www.ritter-gent-arbeitsrecht.de

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