Wer die Fassung verliert, hat verloren

Gelassenheit siegt



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Berufstätige könnten im Kontakt mit Kunden und Kollegen zuweilen vor Ärger platzen. Doch das bringt wenig. Zielführender ist es, in solchen Situationen die Ruhe und Gelassenheit zu bewahren. Und das kann man lernen, sagen Dr. Gudrun Fey und Frank Seeger.

Im Berufsleben gibt es immer wieder Situationen, in denen man sprichwörtlich platzen könnte. Doch das hilft im Berufsalltag selten weiter. Denn in ihm gilt meist die Regel: Wer die Contenance, also Fassung, verliert, der hat verloren - unter anderem, weil er nicht mehr souverän wirkt. Also empfiehlt es sich,

• sich eine "dicke Haut" zuzulegen und

• für sich Strategien zu erarbeiten, wie man mit Situationen, in denen man aus der Haut fahren könnte, relaxt umgehen kann.

In der Ruhe liegt die Kraft. Wer im Job gelassen bleibt, hält die innere Balance.
In der Ruhe liegt die Kraft. Wer im Job gelassen bleibt, hält die innere Balance.
Foto: KieferPix - shutterstock.com

Dies gilt insbesondere für alle Berufstätigen, die sozusagen an Schaltstellen sitzen, an denen viele (Kommunikations-)Fäden zusammenlaufen, Als Beispiel seien die Kundenbetreuer von Unternehmen genannt. Außerdem die Leiter von Projekten. Denn sie sind in der Regel die ersten Ansprechpartner für die betroffenen Personen. Entsprechend häufig werden sie mit Fragen und Wünschen sowie mit Klagen und Beschwerden konfrontiert, für deren Ursache sie nichts können. Also ist die Gefahr groß, dass sie sich zu Unrecht angegriffen fühlen und entsprechend scharf reagieren.

Souverän sein und bleiben

Zielführend ist das nicht! Denn aus Sicht der Beschwerdeführer sind Kundenbetreuer die Repräsentanten ihres Unternehmens. Also haben sie sich ihre Klagen und Probleme anzuhören, hierfür Verständnis zu zeigen und sich ihrer anzunehmen. Dasselbe gilt für Projektleiter. Auch sie werden, weil sie aus Sicht der Betroffenen für das Projekt verantwortlich sind, immer wieder mit Wünschen und Klagen konfrontiert, bei denen sie denken "Was habe ich damit zu tun?" oder: "Kann der/die das nicht selbst regeln?". Trotzdem müssen sie ruhig und gelassen bleiben. Denn dieses "Prellbock ..." und "Blitzableiter sein" ist ein Teil ihres Jobs.

Das sollten Kundenbetreuer und Projektleiter - sowie Personen, die an ähnlichen Schaltstellen sitzen - akzeptieren. Sonst werden sie in ihrem Job nie glücklich. Außerdem sollten sie lernen, in solchen Situationen entspannt zu bleiben. Das schont ihre Nerven. Außerdem ist es zielfördernder, als beispielsweise loszupoltern oder beleidigt zu reagieren. Denn wenn sie gelassen und somit souverän agieren, stärkt dies ihre Position als Kundenbetreuer oder Projektleiter. Außerdem erzeugen sie weniger frustrierte "Kunden".

Lösungsorientiert kommunizieren

Recht einfach fällt den meisten Menschen der Umgang mit Beschwerden, bei denen die Beschwerdeführer ihren Ärger nicht ungefiltert weitergeben. Anders ist es, wenn zum Beispiel ein Anrufer sofort lospoltert und sagt: "Warum dauert es so lange, bis das IT-Programm wieder funktioniert? Ich warte schon ewig darauf, dass ...". Dann besteht die Gefahr, dass sie gereizt erwidern "Nun mal langsam ..." und die Situation eskaliert.

Noch größer ist diese Gefahr wenn der Beschwerdeführer zum Beispiel sagt: "Warum dauert es bei Ihnen stets so lange? Ihre Kollegen kriegen das doch auch schneller hin." Denn dann wird die betreffende Person persönlich angegriffen. Also ist der Gefahr groß, dass sie verbal zurückschlägt: Dann eskaliert die heikle Situation meist zum Konflikt. Deshalb sollten Sie persönliche Angriffe in der Regel scheinbar überhören und sachlich beispielsweise erwidern: "In zwei Stunden funktioniert das Programm wieder." Und nach dem Telefonat eventuell laut fluchen.

Wir Menschen neigen dazu, auf Angriffe wie unsere Ahnen in der Steinzeit zu reagieren: mit Kampf oder Flucht. Dabei wissen wir aus Erfahrung: Es bringt meist wenig, mit Kunden oder Vorgesetzten zu streiten. Denn Erstere haben bekanntlich immer Recht, und Letztere sitzen meist am längeren Hebel.

Doch zu "fliehen" - also sich zum Beispiel für etwas zu entschuldigen, wofür man keine Schuld hat? Das macht auch wenig Sinn. Denn dann machen wir uns klein. Und der Beschwerdeführer? Er wird immer maßloser und behandelt uns fortan wie einen "Handlanger". Unterwürfig und devot zu sein, hilft also auch nicht weiter. Der einzige Lösungsweg, der somit bleibt, lautet: lösungsorientiert mit dem Beschwerdeführer kommunizieren.

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