"Hilfe, mein Chef ist unfähig"

18.06.2007
Von Michael Schweizer

Gefährlicher ist Mobbing als kühl und durchaus professionell angewandte Sozialtechnik, mit der Vorgesetzte, oft in höherem Auftrag, Leute aus dem Unternehmen zu drängen versuchen. Thomas Ketnath, der für die Kolping-Akademie München Mobbing-Opfer berät: "Früher fand der Mitarbeiter manchmal seine Tür versperrt. Heute sind die Techniken raffinierter." Mobbing könne, "juristisch geschickt eingefädelt", Teil eines Plans sein, unerwünschte Beschäftigte loszuwerden. Opfer seien oft ältere oder mit körperlichen Nachteilen behaftete Menschen, hin und wieder aber auch "besonders gute Leute, die anderen etwas vormachen". In den letzten Jahren ist eine Dienstleistungsszene aufgeblüht, die Unternehmen hilft, Mitarbeiter auf die Straße zu setzen, denen arbeitsrechtlich scheinbar nichts passieren kann. Der Duisburger Rechtsanwalt Helmut Naujoks bietet Seminare mit dem Titel "Kündigung von Unkündbaren" an. Er wirbt damit, dass mit der richtigen Strategie "selbst ein fünfzehnköpfiger Betriebsrat zum Rücktritt gezwungen" werden könne.

Wie man sich wehren kann

Jeder Mitarbeiter kann heute in eine Situation kommen, in der er sich schon aus gesundheitlichen Gründen wehren muss. Studien belegen diesen Bedarf. Das Institut Arbeit und Technik (IAT) aus Gelsenkirchen stellte 2006 fest: Mitarbeiter in IT-Projekten leiden überproportional an Müdigkeit, Nervosität, Schlafstörungen und anderen psychosomatischen Beschwerden. Die britische Regierung kam ihrerseits in einer Studie zu folgendem Ergebnis: Angehörige niedriger Hierarchiestufen haben im jeweils gleichen Alter ein dreimal höheres Sterberisiko als Führungskräfte.

Informatives und Lustiges zum Weiterlesen

  • Susanne Reinker: Rache am Chef. Die unterschätzte Macht der Mitarbeiter. Econ Verlag, Berlin 2007, 204 Seiten, 16,95 Euro. Die Frustrierten schlagen zurück. Mal mit innerer Kündigung, mal drastischer. Große Zeitungen schreiben gerne darüber.

  • Ralf Brinkmann, Kurt H. Stapf: Innere Kündigung. Wenn der Job zur Fassade wird. C.H. Beck Verlag, München 2005, 220 Seiten, 16,90 Euro. Die zwei Psychologieprofessoren haben ein Standardwerk geschaffen. Wissenschaftlich fundiert und flüssig zu lesen.

  • Mathias Schüz, Stephen Wirth, Aiko Bode: Lügen in der Chefetage. Gesammelte Unwahrheiten aus dem Management. Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2006, 294 Seiten, 24,90 Euro. Ein subversiver Sprachführer. Lernen Sie, was es wirklich heißt, wenn ein Manager sagt: "Wir halten zusammen!"

  • Corinne Maier: Die Entdeckung der Faulheit. Von der Kunst, bei der Arbeit möglichst wenig zu tun. Goldmann Verlag, München 2006, 160 Seiten, 6,95 Euro. Innerlich gekündigt und zufrieden so geht. Maiers Ratschläge passen allerdings am besten auf Großunternehmen. Elegant und witzig geschrieben.

Sich selbst mögen schützt

Was also tun, wenn das Verhältnis zum Vorgesetzten unerträglich wird? Der grundsätzlichste Rat ist nicht für jeden leicht zu befolgen: sich selber mögen. Wer mit sich selbst im Reinen ist, läuft geringere Gefahr, schlecht behandelt zu werden. Passiert es ihm doch, kann er seine Selbstachtung besser schützen.

Ohne sich grundlos schuldig zu fühlen, sollte man analysieren, ob man selbst zu der misslichen Situation beigetragen hat. Es könnte sein, dass der Chef Recht hat. Der Bewerbungsberater Gerhard Winkler hat einen Katalog aus 20 Fragen ("Erkennst du von allein, was zu tun ist?" "Packst du von selbst an, was anliegt?") erarbeitet, die sich jeder selbst beantworten kann. Vorgesetzte sind oft völlig überrascht, wenn sie zum Beispiel durch ein 360-Grad-Feedback, wie es für SAP-Manager üblich ist - erfahren, wie sie auf Mitarbeiter wirken. Letzteren ginge es nicht anders.

Liegen Problem und Fehlverhalten jedoch beim Chef, so empfiehlt es sich, jede Ungerechtigkeit, jeden Übergriff sogleich zum Thema zu machen. Mobbing-Berater Ketnath: "Fragen Sie sofort: Was meinen Sie damit? Achten Sie auf Körpersprache." Von massiven Zusammenstößen sollte man ein Protokoll anfertigen, solange die Erinnerung noch frisch ist.

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