Microsoft verärgert den Fachhandel

Holpriger Verkaufsstart von Windows 7

09.07.2009

Das Internet-Explorer-Problem

Microsoft verkündete Anfang Juni, Windows 7 in Europa ohne integrierten Internet Explorer auszuliefern. Hintergrund ist ein Kartellverfahren mit der EU-Kommission, in dem es um genügend Wettbewerb bei Internet-Browsern geht. Um europäischen Wettbewerbsgesetzen gerecht zu werden, werde der Internet Explorer nicht mit dem Betriebssystem angeboten, so das Unternehmen aus Redmond. So weit, so gut. Was auf den ersten Blick begrüßenswert erscheint, bringt mehrere, teils erhebliche Nachteile für die Kundschaft mit sich.

Erstens: Anwender, die sich eine der "Windows 7 E" betitelten EU-Versionen kaufen möchten, können lediglich eine "Vollversion" erwerben. Günstigere "Upgrade"-Varianten werden in der EU nicht angeboten. Denn da der Internet Explorer zu tief in alten XP- oder Vista-Systemen verwurzelt ist, ist es technisch laut Microsoft zurzeit nicht möglich, ein solches System auf ein browserfreies Windows 7 zu aktualisieren. Stattdessen ist eine komplette Neuinstallation notwendig. "Wir schließen nicht aus, dass es zu einem späteren Zeitpunk Upgrade-Versionen gibt", sagt Microsoft Pressesprecherin Irene Nadler gegenüber ChannelPartner. So werden also europäische Kunden gezwungen, teure Vollversionen zu kaufen. Bis jetzt gibt es kein Signal seitens Microsofts, den Kunden entgegenzukommen, indem man diese EU-Ausführungen von Windows 7 zum Beispiel vergünstigt anbietet.

"Ein Update ist technisch nicht vorgesehen"

Thomas Hemmerling-Böhmer, Vorstandssprecher Microsoft Business User Forum e.V., spricht mit Marcel Schneider, Großkundenverantwortlicher bei Microsoft, über Windows 7 ohne Internet Explorer und die Migration im Unternehmen (Quelle: computerwoche.de)

Hemmerling-Böhmer: Seit Jahren schwelt der Streit zwischen der EU und Microsoft bezüglich der standardmäßigen Integration des Internet Explorers in das Betriebssystem. In den Augen der EU stellt das eine Wettbewerbsverzerrung dar. Microsoft hat immer argumentiert, man könne den IE nicht herauslösen, weil sonst nicht vertretbare Inkompatibilitäten bei der Windows-internen Kommunikation aufträten. Nun wurde berichtet, Microsoft liefere Windows 7 ohne IE aus. Woher kommt der Stimmungswandel?

Schneider: Der weltweite Launch von Windows 7 rückt schnell näher. Wir halten daran fest, das neue Betriebssystem zeitgleich in Europa und dem Rest der Welt zu launchen. Vor dem Hintergrund offener rechtlicher Auseinandersetzungen hat Microsoft daher entschieden, den Internet Explorer Computerherstellern und Endkunden als Stand-alone-Produkt zur Verfügung zu stellen, anstatt ihn in Windows 7 zu integrieren. Das ist ein wichtiger Schritt für uns. Wir wollen und werden den weltweiten Launch-Termin einhalten; von daher müssen wir uns mit den rechtlichen Realitäten in Europa auseinandersetzen. Obgleich es nicht unsere erste Wahl ist, glauben wir, dass unser Vorgehen zielführend ist.

Hemmerling-Böhmer: Windows 7 ist offensichtlich eine Weiterentwicklung von Vista. Daher gibt es auch einen klaren Migrationspfad von Vista nach Windows 7. Was ist aber mit der großen Installationsbasis von XP? Gerade im industriellen Sektor sind ja nicht sehr viele Firmen auf Vista umgestiegen. Wie wird Microsoft diese Unternehmen unterstützen?

Schneider: Die Kunden können von Windows XP auf Windows 7 upgraden - allerdings müssten sie dazu einen "Clean Install" vornehmen. Das bedeutet: Sie müssen ihre Daten sichern, Windows 7 installieren, die Programme und Daten wieder aufspielen. Ein Update ist technisch nicht vorgesehen. Technisch möglich ist ein Update von Windows Vista, aber auch hier empfehlen wir eine Neuinstallation. Übrigens bieten wir Hilfestellung zu allen Migrationsthemen auch in unserem "Springboard"-Center für Client-Themen an. Speziell für den Upgrade-Pfad von XP nach Windows 7 offerieren wir Hilfsmittel wie das "Automated Installation Kit" für die Mehrplatzmigration und das kostenlose "Microsoft Deployment Toolkit" für alle Phasen eines Auslieferungsprojekts.

Ein weiteres Problem betrifft nicht nur den Endkunden, sondern auch den Fachhandel. Aktuell werben PC-Anbieter wie Acer, Asus, HP oder Toshiba damit, dass Kunden, die bis Januar 2010 einen PC oder ein Notebook mit Windows Vista kaufen, ab dem 22. Oktober nahezu kostenfrei auf Windows 7 upgraden können. Moment - waren Upgrades nicht technisch unmöglich? Richtig, unter "Upgrade" verstehen die Hersteller im Windows-7-Fall gegen eine geringe Bearbeitungsgebühr verschickte DVDs der Vollversion von Windows 7 E beziehungsweise Gutscheinbeilagen zum frischerworbenen Rechner, die im Oktober zum Download des Betriebssystems berechtigen. Was die Hersteller zumindest in ihren Marketingkampagnen verschweigen, ist, dass auch bei diesen Rechnern ausschließlich Neuinstallationen möglich sind. Wer also jetzt einen Vista-Rechner mit "Upgrade"-Garantie kauft, stellt dann im Oktober fest, dass er die Festplatte löschen und seinen nicht mehr ganz so neuen PC frisch einrichten muss. Kundenfreundlich ist das nicht, und der Fachhandel kann sich schon mal auf wütende Kunden im Verkaufsraum vorbereiten.

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