Microsoft: "Lizenz zum Gelddrucken"

11.10.2001
In Großbritannien kochen die Emotionen hoch, wenn die Rede auf das neue Microsoft-Lizenzmodell zu sprechen kommt. Auch die deutsche Kundschaft war anfangs verärgert. Jedoch wird von den Microsoft-Partnern das Thema hierzulande weitaus nüchterner betrachtet.

Am 1. Oktober trat das seit Ende Mai angekündigte, neue, weltweite Volumen-Lizenzmodell von Microsoft in Kraft. Im Vorfeld hat das Programm bei den Unternehmens-Kunden für Ärger und Konfusion gesorgt. "Der Kunde sieht in der neuen Lizenzpolitik erst mal einen Urwald, in dem er sich nicht zurechtfindet", beschreibt Manfred Hövel, Geschäftsführer bei Sysdat die Stimmung im Markt. "Anschließend bekommt er das Gefühl, Microsoft hätte mal wieder die Lizenz zum Gelddrucken erfunden", so Hövel weiter. Denn für den Kunden bedeutet das neue Modell erst einmal eine unfreiwillige Investition. "Wer jetzt allerdings nicht vorsorgt, muss in Zukunft mehr bezahlen", erklärt Hövel.

Einen ähnlichen Eindruck hat auch Sascha Hancke, Vorstand des Sys-temhauses Arxes: "Es kursiert seit einiger Zeit ein Witz, der besagt, Bill Gates will von jedem Erdenbürger einen Mitgliedsbeitrag für sein Dasein. In diese Richtung geht das Ganze." Denn, so Hancke, mit der Software-Assurance erhebt Microsoft eine Jahresgebühr. Da die Kunden pauschal bezahlen, sinkt die Hemmschwelle, alle Updates mitzumachen. "Das bindet die Kunden enger an Microsoft, eine geniale Strategie von Gates", so Hancke.

Wer verkaufen will, lässt dem Kunden keinen Ausweg

Dem stimmt auch Horst Stange, Vertriebsleiter bei Computacenter, zu: "Bill Gates hat die Hände bis zu den Ellbogen in den Kassen seiner Kunden und zieht ihnen das Geld heraus." Für ihn ist Microsoft einfach das "erfolgreichste Marketing-Unternehmen der Welt". Denn die Redmonder hätten es geschafft, ihren Kunden mit der Software Assurance "die Katze im Sack zu verkaufen". Die Unternehmens-Kunden gehen auf die neue Strategie ein, weil Microsoft ihnen keine Wahl lässt. Entweder sie bezahlen eine jährliche Gebühr für die Software-Assurance, ohne zu wissen, was sie als Gegenleistung erhalten. Durch die Versicherung kommen sie zwar in den Genuss aller Updates, die während der Laufzeit erscheinen, aber keiner weiß, wie viele das sein werden und ob sich die Investition lohnt. Oder sie erwerben die Versicherung nicht, haben dann aber keinerlei Möglichkeit des Produkt-Updates und müssen unter Umständen in ein oder zwei Jahren neue Lizenzen kaufen, weil ihre Software nicht mehr kompatibel ist.

Kostengünstiger Einstieg ist möglich

Dennoch findet Stange das Lizenzmodell "nicht so schlimm, wie es geredet wird". Und ergänzt: "Andere Unternehmen verfolgen diese Preispolitik schon seit Jahren." Auch Arxes-Chef Hancke gibt zu bedenken: "Jeder Kunde, der nachrechnet, erkennt die Preiserhöhung durch das neue Modell. Dennoch können wir alle froh sein, dass Microsoft nicht das Dreifache verlangt."

Frank Beutling, Director Sales und Marketing bei der PC-Ware AG, sieht die Sache gelassen: "Viele Kunden waren anfangs sauer, weil sie erst einmal mehr Geld investieren mussten, als ihnen lieb war", erklärt er. "Doch konnte man Wege aufzeigen, kostengünstig in das neue Programm einzusteigen." Über 4.000 Gespräche hätten er und seine Mitarbeiter in den vergangenen vier Monaten geführt. Jetzt sei die Software seiner Kunden auf den neuesten Stand gebracht.

Obwohl also die Systemhäuser der Lizenzpolitik kritisch gegenüberstehen und die Kunden nicht gerade in Begeisterungsstürme darüber ausbrechen, ist in Deutschland kein Aufstand zu beobachten, wie er beispielsweise in Großbritannien herrscht. Dort hatten Analysten von Ovum Holloway errechnet, die öffentliche Hand in England habe mit 130 Millionen Pfund Mehrausgaben zu rechnen. Manche Firmen erwarten durch das neue Lizenzmodell einen Kos-tenanstieg von 94 Prozent. Marktforscher Gartner Group spricht sogar von 107 Prozent. Auch hatten verschiedene Anwendergruppen, darunter "The Infrastructure Forum" (Tif) und die Lobbyisten-Gruppe "Eurim", angekündigt, gegen das Lizenzprogramm vorgehen zu wollen und nach Alternativen zu Microsoft-Anwendungen zu suchen.

Softwarekrösus zeigt sich verwundert

Microsoft zeigt sich verwundert über die herbe Kritik aus dem Nachbarstaat, da das neue Modell auf dem Feedback der Kunden basiere. "Wir werden die Probleme erst einmal analysieren und dann entscheiden, welche Konsequenzen wir daraus ziehen", erklärt Christine Scheib, Unternehmenssprecherin Lizenzierung bei Microsoft. "Eine generelle Änderung der Lizenzstrategie sehe ich nicht", so Scheib weiter. Mittelständischen Unternehmen empfiehlt sie, darüber nachzudenken, ihre Software in Zukunft zu mieten: "Das Mietprogramm ist für kleinere Unternehmen sicher die günstigere Alternative." (ce)

www.microsoft.de

www.sysdat.de

www.arxes.com

www.computacenter.de

www.pc-ware.de

www.ovum.com

www.tif.co.uk

www.eurim.org

www.gartner.com

Lesen Sie dazu bitte unseren Kommentar auf Seite 8 dieser Ausgabe.

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