Online-Shops: Bei vielen Anbietern ist die durchschnittliche Bestellgröße zu gering

08.02.2001
Nach Ansicht von Michael Dressen, geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dressen- Heims International GmbH in München und seit vielen Jahren in der IT-Branche tätig, haben Online-Shops im Computerbereich eine gute Erfolgsaussicht, wenn sie bestimmte Voraussetzungen beachten. Den statio-nären Handel werden sie dennoch nicht verdrängen können. Mit Michael Dressen sprach ComputerPartner-Chefredakteur Damian Sicking.

Herr Dressen, Sie haben in den letzten Wochen und Monaten verschiedene E-commerce-Unternehmen von innen kennen gelernt. Wie stellt sich die Lage in diesen Unternehmen dar?

Dressen: Man muss grundsätzlich zwei Dinge unterscheiden: Handelt es sich um ein Unternehmen, das im Wesentlichen traditionelles Geschäft macht, also stationäres Handels- oder Systemhaus, und die E-Commerce-Aktivitäten ergänzen dieses Geschäft? Oder handelt es sich um ein reines E-Commerce-Unternehmen ohne sogenanntes "Offline-Geschäft". Letzteres ist eher ein kleiner Bereich, und die meisten Firmen werden alleine nicht überleben können.

Wie viele reine E-Commerce-Unternehmen im Computersegment gibt es in Deutschland?

Dressen: Nach meiner Einschätzung mindestens ein Dutzend.

Und wie viele werden überleben?

Dressen: Das hängt von vielen Faktoren ab. Nehmen wir zum Beispiel den Buchbereich. Hier ist das Überleben als reines E-Commerce-Unternehmen schwierig. Der wesentliche Grund liegt in den geringen Bestellgrößen von durchschnittlich 50 bis 60 Mark. Dement-sprechend niedrig ist auch der absolute Deckungsbeitrag. Der liegt bei etwa 10 bis 15 Prozent, also fünf bis neun Mark. Dieser Betrag deckt nicht mal die reinen Prozesskosten, die notwendig sind, um ein Buch einzukaufen, zu lagern, zu verpacken und zu verschicken, geschweige denn irgendwelche Gemeinkosten wie eine Geschäftsleitung, IT- oder Marketing-Kosten.

Bei einem E-Commerce-Unternehmen im Computerbereich sieht die Lage weitaus besser aus. Hier liegen die durchschnittlichen Rechnungsgrößen im Bereich von 400, 500, 600 Mark. Der Deckungsbeitrag liegt ebenfalls bei 10 bis 15 Prozent, also irgendwo im Bereich von 60 Mark. Und für 60 Mark können Sie schon zum Beispiel einen Drucker einkaufen, verpacken, verschicken und so weiter, und es bleibt noch Geld zur Deckung der Gemeinkosten übrig.

In dieser Hinsicht unterscheidet sich E-Commerce nicht vom Katalogversand, der Deckungsbeitrag pro Rechnung muss die Prozess-kosten decken. Wenn das nicht der Fall ist, ist das Geschäftsmodell nicht überlebensfähig.

Soweit die Theorie. Wie sieht es in der Praxis aus?

Dressen: Im Moment arbeitet noch kein Unternehmen profitabel, auch diejenigen nicht, bei denen es vom Grundkonzept her möglich ist. Das liegt zum großen Teil an den extrem hohen Marketing-Ausgaben von bis zu 20, 30 Prozent vom Umsatz. Also ein Vielfaches dessen, was als Deckungsbeitrag erwirtschaftet wird. Die Rechnung, die dahinter steht, sagt aus, dass man möglichst schnell eine kritische Umsatzgröße erreicht, so dass die Marketing-Kosten auf nur noch zwei Prozent zusammenschmelzen. Das ist ja ein ganz üblicher Wert, auch bei traditionellen Unternehmen. Wenn diese kritische Umsatzgröße erreicht ist, so die Hoffnung der Unternehmen, dann arbeiten sie profitabel. Das wird aber natürlich nur dann der Fall sein, wenn als Grundvoraussetzung die durchschnittlichen Deckungsbeiträge die Prozesskosten decken. Ist das nicht der Fall, können die Firmen die Marketing-Kosten auch gegen Null fahren, erzielen aber immer noch keinen Gewinn.

Muss der Computerhändler mit einem Jahresumsatz von zwei, drei Millionen Mark unbedingt ins Internet gehen und E-Commerce betreiben?

Dressen: Das kommt sehr darauf an. Ich glaube nicht, dass eine unbedingte Notwendigkeit besteht. Natürlich sollte heute jeder eine Website haben. Das heißt aber noch lange nicht, dass man seine Produkte darüber verkauft. Wenn man einen sehr klar umrissenen Kundenkreis hat, im Bereich B-to-B beispielsweise, dann besteht keine dringende Notwendigkeit, Produkte über das Internet zu verkaufen. Also E-Commerce ist dann interessant, wenn ich mich an viele Kunden oder Interessenten wende, eben an ein breites Publikum, sonst nicht.

Machen die Online-Shops den stationären Fachhändlern den Garaus?

Dressen: Sicher nicht. Vor zehn Jahren war ich bei Computer 2000 zuständig für das Standard-Software-Business, und damals kam gerade der Software-Versender auf. Die schossen damals wie die Pilze aus dem Boden. Auch damals hieß es, dass in zwei, drei Jahren kein Fachhändler mehr Software verkaufen würde. Es kam anders. Es gibt auch heute noch ein paar Versender, viele gibt es nicht mehr, und es gibt den stationären Handel, der die Software verkauft. Und so wird es mit dem Internet auch sein. Man muss davor überhaupt keine Angst haben. Natürlich muss man sich von der Konkurrenz abgrenzen und seine eigenen Stärken ausbauen, aber das ist ja nichts Neues. Das galt bisher auch schon und hat mit Internet und E-Commerce wenig zu tun.

Führt E-Commerce zu einer generellen Absenkung des Preisniveaus?

Dressen: Es war sicher gängige Praxis im gesamten E-Commerce-Bereich, den Markteintritt durch aggressive Preise zu schaffen. Tendenziell halte ich das für den falschen Weg, denn das Geschäfts- modell kostet nicht weniger als ein Kataloggeschäft oder ein stationäres Geschäft. Das heißt, man kommt auch nicht mit wesentlich weniger Marge aus. Kurz und gut: Ich glaube nicht, dass das Preisniveau durch Online-Shops dauerhaft gesenkt wird.

Haben Internet-Auktionen im B-to-B-Bereich eine Zukunft?

Dressen: Das Prinzip lautet hier so: Lieber Kunde, du kaufst nicht einen Computer, sondern du kaufst 1.000 Computer, und deshalb können wir dir einen besseren Preis machen. Ich bin skeptisch, dass dies ein tragfähiges und zukunftsfähiges Modell ist. Denn wir wissen alle, mit welch geringen Margen der Computerhandel arbeitet. Und nun muss mir mal jemand erklären, wo der große Unterschied sein soll, wenn ich ein Produkt kaufe oder wenn ich tausend Produkte kaufe. Der Kunde erwartet zwar einen großen Preisnachlass. Aber wo soll bei einer Handelsmarge von 10 bis 15 Prozent dieser Preisnachlass herkommen?

Im Übrigen ist es doch so, dass die Großabnehmer, die großen Unternehmen, sowie schon extrem güns-tige Preise haben. Wie das noch gesteigert werden soll über Auktionen oder über gemeinsamen Einkauf, ist mir schleierhaft. Es mag Branchen geben, in denen es möglich ist, mit dieser Art von Auktionen günstiger einzukaufen. Dort müssten dann aber auch die Margen höher liegen, so dass überhaupt ein Spielraum für Preisnachlässe vorhanden wäre. Für den Computerbereich sehe ich das nicht.

MICHAEL DRESSEN

Who is Who?

Michael Dressen begann seine berufliche Laufbahn bei der Preußen Elektra AG, bei der er eine Ausbildung zum EDV-Kaufmann absolvierte. Nach verschiedenen Stationen bei Triumph Adler, Sony und Computer 2000 wurde er 1991 zum Geschäftsführer der italienischen Computer-2000-Niederlassung berufen. Danach wechselte er zur Tübinger Transtec AG. 1996 ging er nach Los Angeles, um dort den Vorsitz von Ameriquest Technologies zu übernehmen. Der amerikanische Distributor war damals von Computer 2000 gekauft worden. 1997 schließlich machte sich Dressen selbständig. Bis heute ist er Geschäftsführer von Dressen-Heims International, wo man sich den Gebieten Beratung, Venture Capital, Merger & Akquisitions sowie Personalmanagement widmet. In den vergangenen Monaten hat er sich als Berater der Avitos AG in Gießen einen vertieften Einblick in die Situation eines E-Commerce-Unternehmens verschaffen können. (sic)

Zur Startseite