Edith Wittmann, Channel-Chefin bei Microsoft Deutschland

“Kunden können die passenden Partner nun viel leichter identifizieren“

Ronald Wiltscheck widmet sich bei ChannelPartner schwerpunktmäßig den Themen Software, KI, Security und IoT. Außerdem treibt er das Event-Geschäft bei IDG voran. Er hat Physik an der Technischen Universität München studiert und am Max-Planck-Institut für Biochemie promoviert. Im Internet ist er bereits seit 1989 unterwegs.
Seit 15 Monaten führt Edith Wittmann die Partner-Organisation von Microsoft Deutschland an. In ihre Regentschaft fiel der Start des umstrittenen „Microsoft Cloud Partner Programs“ (MCPP). ChannelPartner sprach mit ihr darüber.
Edith Wittmann, Senior Director Global Partner Solutions bei Microsoft-Deutschland: "Mit dem MCPP haben wir für unsere Partner einen neuen Rahmen gesetzt, der das MPN-Konstrukt ablöst."
Edith Wittmann, Senior Director Global Partner Solutions bei Microsoft-Deutschland: "Mit dem MCPP haben wir für unsere Partner einen neuen Rahmen gesetzt, der das MPN-Konstrukt ablöst."
Foto: Microsoft

ChannelPartner: Wir von ChannelPartner gratulieren Ihnen ganz herzlich zu den hervorragenden Platzierungen von Microsoft in den unterschiedlichen Kategorien unserer Channel-Excellence-Umfrage: Erster Platz bei Cloud Solutions, knapp zweite bei Software.

Edith Wittmann, Senior Director Global Partner Solutions bei Microsoft-Deutschland: Vielen Dank! Für mich war es das erste Mal, dass ich den Channel Excellence Award persönlich in Empfang nehmen durfte. Und ich fand den Rahmen für die Galaverleihung, das GOP Varieté-Theater, sehr beeindruckend. Toll war auch die europäische Sicht von Context auf den Channel.

ChannelPartner: Frau Wittmann, Sie sind seit achteinhalb Jahren bei Microsoft, ein Jahr davon an der Spitze der Partnerorganisation. Wie haben Sie persönlich die Entwicklung von Microsoft in dieser Zeit erlebt?

Edith Wittmann, Microsoft-Deutschland: Als ich bei Microsoft anfing, gab es nicht nur den CEO-Wechsel zu Satya Nadella, auch das Portfolio von Microsoft änderte sich stark. So durfte auch ich all die Innovationen miterleben und -gestalten, zuerst im Surface-Bereich, später bei den Cloud-Lösungen. Microsoft hat neue Themen für sich entdeckt und sich dort exzellent weiterentwickelt. Unsere Zusammenarbeit mit Kunden und Partnern entwickelt sich ebenfalls weiter, auch kulturell, dank unserem neuen CEO.

Das Konkurrenzdenken innerhalb unserer Partnerlandschaft hat sich in den letzten acht Jahren deutlich abgeschwächt, vielleicht haben wir diese Entwicklung mit unserem neuen partnerschaftlichen Ansatz mitgeprägt. Und der Markt ist groß, unsere Partner müssen nicht mehr alle mit den gleichen Themen bei den gleichen Kunden vorsprechen. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, insbesondere mit unserem Portfolio. Unsere Partner können sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln.

Derzeit gibt es viele Zusammenschlüsse unter unseren Partnern - teilweise zu einem größeren Unternehmen hin, aber auch im losen Verbund, wo Partner zwar weiterhin eigenständig arbeiten, aber verstärkt gemeinsam Projekte bei Kunden durchführen. Wir nennen das "Partner-to-Partner" und wir begrüßen diese Entwicklung. Als Microsoft unterstützen wir diese Kooperationen unter unseren Partnern ausdrücklich.

ChannelPartner: In Ihre Amtszeit als Channel-Chefin in Deutschland fiel der Start des neuen Partnerprogramms MCPP zum 1. Oktober 2022. Aus 19 "Lösungskompetenzen" wurden sechs sogenannte "Designations". Das bedeutete für all ihre Partner, dass sie sich komplett neu zertifizieren mussten - ein Kraftakt, das viele Partner nicht stemmen konnten. Was dies wirklich nötig?

Edith Wittmann: Wir wollten unser Partnerprogramm vereinfachen - deswegen nur noch sechs Lösungsbereiche ("Designations"), auf die sich unsere Partner nun spezialisieren können. Denn genau auf diesen sechs Geschäftsfeldern sind wir heute als Microsoft präsent, und genau diese sechs Lösungsbereiche sollten dann auch unsere Partner abdecken.

Denn auch unseren Kunden sind unsere sechs Lösungsbereiche bekannt, und sie können nun viel leichter als bisher die dafür spezialisierten Partner identifizieren. Bei 19 Kompetenzen war das nicht so einfach, viele Kunden konnten mit den dahinterstehenden 19 Begriffen oft nichts anfangen.

Edith Wittmann, Leiterin der Global Partner Solutions Organisation (GPS) von Microsoft Deutschland, mit dem "Channel Excellence"-Award 2023 in der Kategorie Cloud Solutions.
Edith Wittmann, Leiterin der Global Partner Solutions Organisation (GPS) von Microsoft Deutschland, mit dem "Channel Excellence"-Award 2023 in der Kategorie Cloud Solutions.
Foto: Tobias Tschepe

ChannelPartner: Es ist absolut verständlich, dass neue Marktgegebenheiten neue Spezialisierungen erfordern. Aber müssen sich Partner dafür wirklich immer neu zertifizieren? Gab es denn dafür keine Übergangsfrist?

Wittmann: Die Übergangsfrist ist ja da. Wir haben das neue Partnerprogramm im März 2022 angekündigt. Im Oktober sind wir damit gestartet, und im März 2023 haben wir angekündigt, an welchen Stellen wir ab Sommer nachschärfen werden.

ChannelPartner: Das alte Partnerprogramm gilt aber nach wie vor, oder?

Wittmann: Die alten Kompetenzen gelten weiter, bis das jährliche Renewal ansteht. Grundsätzlich ist es aber wichtig: Auch ohne Designations kann man Microsoft Partner sein, das ändert sich nicht.

Natürlich haben auch wir Feedback aus der Partner-Community zu unserem neuen Partnerprogramm erhalten - viel Positives, aber auch einiges Kritisches. So finden sich in unseren sechs neuen Lösungsbereichen vor allem Service-Partner wieder, für Partner mit eigenem IP, etwa für ISVs, war das nicht ganz so offensichtlich. Bis dato gab es für diese Partner ein "Parallelprogramm", das wir - aufgrund des Feedbacks dieser Partner - zum Start ins MCPP integriert haben. Das heißt wir werden kontinuierlich an der Weiterentwicklungunseres Partnerprogramm arbeiten. Wir lassen unsere Partner nicht allein! Und einzelne Bewertungskriterien haben wir bereits angepasst, und wie gesagt, im Sommer wird es weitere Anpassungen geben.

ChannelPartner: Vielen Partnern fehlen aber Kapazitäten für Neukundenakquise ….

Wittmann: Jeder unser Partner sollte sich folgende Frage stellen: Welches Geschäft möchte ich machen? Welche Themenfelder möchte ich belegen? Was ist inhaltlich für mich interessant? Wo bin ich gut aufgestellt? Es gibt Partner, die an ihrem Bestandsgeschäft festhalten. Wollen deren Kunden Themen aufgreifen, die diese Partner nicht bedienen können, arbeiten sie schon heute mit anderen Partnern zusammen, um trotzdem diese Kunden an sich zu binden.

Jeder unserer Partner kann natürlich auch entscheiden, ob er wachsen oder auf dem jetzigen Niveau bleiben möchte. Wenn er "nur" seine Bestandskunden weiter bedienen möchte, dann behält er natürlich weiterhin seine Microsoft-Kompetenz. Jeder unserer Partner muss seinen eigenen Mehrwerkt erkennen. Ich freue mich jedes Mal, wenn ein Partner investiert und sich weiterentwickelt.

Ein Partner, der sich ausschließlich um Bestandskunden kümmert, benötigt nicht unbedingt die MCPP-Designation.

ChannelPartner: Viele Ihrer Partner haben sich aber klar zum MCPP bekannt, und Sie veröffentlichen nun wöchentlich diese Erfolgsgeschichten.

Wittmann: Viele Partner haben sehr hart gearbeitet, um ihre Designations zu erreichen, das hat mich sehr beeindruckt. Bei vielen Partnern war es auch so, dass sie das als Chance gesehen haben, sich zu hinterfragen und Dinge neu zu denken. Und es gab eine interessante Parallelität: Partner mit einer guten und gepflegten Kultur hatten es deutlich leichter, diesen Change zu meistern. Dafür sind wir als Microsoft und ich persönlich sehr dankbar, und diese Dankbarkeit und Anerkennung wollen wir unter anderem mit diesen Erfolgsgeschichten ausdrücken.

ChannelPartner: Kunden aus dem Bereich "Kritische Infrastruktur" (Kritis), also Energieversorger, Lebensmittellieferanten und Gesundheitseinrichtungen wollen oft aber nicht in die Public Cloud, schon gar nicht in eine außerhalb Europas oder Deutschlands. Wie sollen Ihre Partner diese spezielle Klientel bedienen?

Wittmann: Microsoft ist jetzt seit 40 Jahren in Deutschland, und wir kennen ja den Markt. On-prem wird hier nachgefragt, also bieten wir unsere On-Prem-Produkte weiterhin an. Der Schwerpunkt unserer Investitionen und Innovationen richtet sich in Richtung der Public Cloud, einfach schon deswegen, weil wir dort aus einer globalen Perspektive heraus das Skalierungspotential haben. Und das sind auch die Anforderungen unserer Kunden, die dieses Skalierungspotential nutzen möchten. Deswegen sind auch die Verdienstmöglichkeiten unserer Partner in der Public Cloud höher als in der On-Prem-Welt.

Aus meiner Perspektive heraus sind wir sind der Vorreiter, dem EU-Recht und den gesetzlichen Vorgaben in Deutschland Rechnung zu tragen. In den Bereich Datenschutz haben wir massiv investiert, um den Anforderungen in Europa nachzukommen und um damit auch den Kunden, die derzeit noch zögern, in die Public Cloud zu migrieren, ein attraktives datenschutzkonformes Angebot zu unterbreiten. Hier müssen wir noch einige - zum Teil rein emotionale - Hürden abbauen, um den noch zögernden Kunden die technologischen Möglichkeiten in der Public Cloud aufzuzeigen. Denn auch diese Kunden könnten dann von den global rasch fortschreitenden Weiterentwicklungen unserer Software profitieren.

ChannelPartner: Einige kleinere Microsoft-Partner bemängeln ihre Kommunikationspolitik, sie fühlen sich zu spät über Produktneuigkeiten informiert.

Wittmann: In der Regel informieren wir die Partner-Community im Vorfeld, aber oft ist dieser Vorlauf nicht sehr lang. Als wir im März vergangenen Jahres den Wechsel zu MCPP angekündigt haben, waren das zum Beispiel genau 48 Stunden. Bei einigen Themenfeldern gibt es aber auch Beta- und Preview-Programme, für die sich Partner im Vorfeld registrieren und einbringen können. Dort können interessierte Partner zumindest in Groben erkennen, in welche Richtung sich die Entwicklung unserer neuen Produkte bewegt.

ChannelPartner: Ihre Lizenzverträge erscheinen auch sehr komplex.

Wittmann: Das sind sie aber gar nicht. Da gibt es zum einen die Enterprise Agreements: Hier wird der Vertrag zwischen uns und dem Endkunden abgeschlossen. Die Abwicklung erfolgt hier durch unsere Licensing Solution Partner (LSP) wie z.B. Bechtle oder SoftwareOne.

Das CSP-Programm (Cloud Solution Provider) ist unser indirektes Vertragswerk: Hier besteht die Geschäftsbeziehung zwischen uns und unserem Partner, der wiederum einen Vertrag mit seinem Kunden abschließt.

ChannelPartner: Hier wünschen sich die Partner auch eine dreijährige Vertragslaufzeit …

Wittmann: …die wir derzeit im Headquarter noch prüfen.

ChannelPartner: Und in NCE (New Commerce Experience) sind die Lizenzvereinbarungen für CSPs genau geregelt.

Wittmann: Genau! Das Hauptziel, das wir mit NCE verfolgen, ist so viel Automatisierung wie möglich. Für unsere Partner soll die Abwicklung einfacher werden.

ChannelPartner: Einigen Partnern ist der Unterschied zwischen Microsoft 365 und Office 365 noch nicht ganz klar.

Wittmann: Hier denken wir in Plattformen. Mit Microsoft 365 erfassen wir all unserer Lösungen rund um den Arbeitsplatz, also Arbeitsplatzsoftware wie Word, Excel, Powerpoint, Outlook inklusive Windows 11, sowie Security- und Enterprise Mobility Funktionen. Office 365 ist ein Bestandteil dessen

ChannelPartner: Zum 1. April 2023 haben Sie die Preise für Ihre Produkte erhöht.

Wittmann: Das ist keine klassischen Preiserhöhungen. Wir passen - alle sechs Monate - die lokalen Preise an globale Währungsschwankungen an. Im Euro-Raum hat sich das diesmal mit einem Plus von elf Prozent ausgewirkt. In anderen Teilen der Welt ging es aber auch schon Mal in die andere Richtung. Der Listenpreis in Dollar hat sich nicht geändert.

ChannelPartner: Themenwechsel: Bereits seit zwei Jahre treiben Sie das Konzept des "Cloud PC" an, inwieweit können Ihre Partner davon partizipieren?

Wittmann: Auch hier steht die Automatisierung im Vordergrund. Die zum Betrieb der Clients notwendige Infrastruktur bei Kunden wird auf diese Weise so schmal wie möglich gehalten. Und die Vorteile für den Kunden liegen auf der Hand: Ein Rechnerwechsel - etwa beim Hardware-Defekt - geht da sehr schnell und einfach vonstatten, denn das Enduser-Profil kommt aus der Cloud - automatisch. Der Aufwand für die interne IT-Administration sinkt hier fast auf Null.

ChannelPartner: Um aber derartige Microsoft 365-fähige Cloud-PCs seinen Kunden anzubieten, muss der Partner sowohl "Modern Work"-Kenntnisse als auch Infrastruktur-Knowhow aus dem Azure-Universum mitnehmen, oder?

Wittmann: Ja. Denn auf der Azure-Plattform haben wir drei Säulen. Ein davon, "Core", ist für den Aufbau der Windows 365-Infrastruktur für den Cloud-PC notwendig. Die anderen zwei Azure-Säulen. "Data & AI" und "Anwendungs-Modernisierung", betreffen andere IT-Projekte unserer Partner.

ChannelPartner: Wird sich das Microsoft Partnerprogramm MCPP in den nächsten zwei Jahren noch stark ändern?

Wittmann: Mit dem MCPP haben wir für unsere Partner einen neuen Rahmen gesetzt, der das MPN-Konstrukt (Microsoft Partner Network) ablöst. Das war eine große Änderung, die für viele Reaktionen sorgte. Beim Aufbau des MCPP haben wir uns bewusst an unserem Lösungsportfolio orientiert. Partner müssen hier zu Teil neue Skills erwerben, und ich gehe nicht davon aus, dass wir große Änderungen an unserem Produktportfolio vornehmen werden. Denn hier sind wir bereits sehr innovativ, Stichwort: OpenAI. In den Bereich Künstliche Intelligenz haben wir bereits massiv investiert.

Veränderungen am MCPP, die von den Partnern an uns herangetragen werden und die wir als notwendig erachten, werden wir natürlich vornehmen, wie bereits mit der Schaffung der zusätzlichen Designations ISV, Schulung und Support (ChannelPartner berichtete). Das ist ein kontinuierlicher Prozess.

ChannelPartner: Frau Witmann, vielen Dank für das Gespräch.

Wittmann: Sehr gerne!

Mehr zu Microsoft lesen Sie bitte hier:
Das MCPP startet
MCPP Scuccess Weeks
Kommentar von Avispador-Analyst Axel Oppermann zum MCPP
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