Connected Retail

Nachhaltige Marken verbinden On- und Offline-Handel

Julia Kowal ist freie Journalistin aus Bochum

Mit dem Auto in die Stadt zum Einkaufen zu fahren, ist sicherlich nicht gut für das Klima, also dann doch lieber im Web bestellen? So einfach ist das nicht. Es gilt, beid Welten, E-Commerce & Retail, zum Wohle der Umwelt intelligent miteinander zu verknüpfen.
Mit Click & Collect (online bestellen & vor Ort abholen) lässt sich der durch den Verkehr verursachte CO2-Ausstoß verringern, vorausgesetzt, man nutzt nicht den eigenen PKW, um die Ware abzuholen.
Mit Click & Collect (online bestellen & vor Ort abholen) lässt sich der durch den Verkehr verursachte CO2-Ausstoß verringern, vorausgesetzt, man nutzt nicht den eigenen PKW, um die Ware abzuholen.
Foto: tutti_frutti - shutterstock.com

Bei dem Begriff Nachhaltigkeit denken viele an Emissionen und Umweltschutz. Dabei beinhaltet das Thema für den Handel weit mehr als den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen und die Verringerung des CO2-Ausstoßes beim Warentransport. Auch wie Hersteller ethisch an ihr Geschäft herangehen, ist ein Nachhaltigkeitsthema, besonders im Hinblick auf faire Beziehungen zu Fachhändlern. Um diese zu pflegen, Versandwege kurz zu halten und gleichzeitig dem Aussterben der Innenstädte zu begegnen, sind Omni-Channel-Konzepte notwendig, die das Online-Geschäft mit dem stationären Handel verknüpfen.

Die Vorteile des stationären Handels

Der stationäre Handel in den Innenstädten ist akut bedroht: Der Handelsverband Deutschland (HDE) prognostiziert 120.000 Geschäftsschließungen und weist für die kommenden Jahre eine strukturelle Leerstandsquote von über 20 Prozent aus. Immer mehr Fachhändler kämpfen gegen sinkende Kundenzahlen an, hinzu kommen gestiegene Kosten in den Bereichen Personal, Miete und Energie. Stationäre Handelsflächen in den Innenstädten stehen vor großen Herausforderungen und sehen sich oftmals in Konkurrenz zum Online-Geschäft. Dabei lässt sich beides mit einem Omni-Channel-Ansatz verknüpfen: zum Vorteil beider Seiten und ganz im Sinne der Nachhaltigkeit.

Persönliche Beratung mit großer Warenverfügbarkeit verbinden

Denn Markenhersteller betreiben zwar längst eigene, erfolgreiche Online-Shops, legen aber trotzdem auch großen Wert auf den Vertrieb über den stationären Fachhandel. Die persönliche Beratung, die ausgebildetes Personal den Kunden vor Ort bietet, kann ein Online-Shop nicht ersetzen. Gleichzeitig kann ein Geschäft vor Ort nicht mit der schier endlosen Verfügbarkeit von Waren mithalten, die das Internet bereithält.

Beides zu verbinden, ist Marcus Krehan zufolge die Lösung der jeweiligen Probleme und die Zukunft eines nachhaltigen Handels: "Es geht darum, die Fachhändler in die Onlineshops von Marken einzubinden und eine nachhaltige, faire Beziehung zu ihnen zu pflegen", so der Geschäftsführer der Arendicom GmbH, die Softwarelösungen und Dienstleistungen für den Bereich E-Commerce anbietet und sich auf Connected Retail spezialisiert hat.

Anstatt also einzig auf den Vertrieb über den eigenen Online-Shop zu setzen, sollten Markenhersteller fremde Unternehmungen in ihre Wertschöpfungskette integrieren. Eine Partnerschaft mit den Fachhändlern zu leben ist ethisch und moralisch und steht vor allem den großen Marken gut zu Gesicht. "Immer mehr Kunden legen Wert auf Nachhaltigkeit, dazu gehört nicht nur ein guter Umgang mit der Umwelt, sondern auch mit Mitarbeitern und Partnern", so E-Commerce-Experte Krehan weiter.

Einseitig sollte der Ansatz Connected Retail, der den stationären mit dem Online-Handel verbindet, aber nicht sein. Auch die Hersteller und ihre Online-Shops können profitieren. So können die Hersteller die Warenverfügbarkeit des Fachhändlers in ihren Marken-Onlineshops verwenden, dadurch ihre Verfügbarkeit im Onlineshop erhöhen und nachhaltige Versandmethoden anbieten.

Kunden können Waren beispielsweise online bestellen und in einer Filiale in ihrer Nähe abholen, oder die Ware wird dem Kunden aus eben dieser Filiale nach Hause geschickt. "Der Versand entfällt dadurch oder ist möglichst kurz", beschreibt Krehan den Vorteil, mit dem Marken dem Wunsch nach reduzierten Emissionen und Nachhaltigkeit entsprechen. Die mit Arendicom betriebenen Online-Shops versenden zudem mit DHL GoGreen, um die CO2-Emissionen beim Versand möglichst gering zu halten.

Kunden denken nicht mehr in engen Vertriebskanälen

Problematisch für den Handel insgesamt ist vor allem, dass Kunden längst nicht mehr in engen Vertriebskanälen denken, sondern diese permanent und in Sekundenschnelle wechseln. Probiert ein Kunde beispielsweise einen Wanderschuh beim Fachhändler an, wünscht sich diesen aber in einer anderen Farbe, greift er schnell zum Smartphone und bestellt ihn online, wenn der Fachhändler ihm den passenden Schuh nicht selbst besorgen kann.

Integrieren Marken ihre Partner, kann ein Fachhändler auch auf den Warenbestand des Online-Shops zugreifen und dem Kunden den Schuh beispielsweise nach Hause schicken. Online- und Offline-Handel müssten also verbunden werden, um Kunden einen bestmöglichen und nachhaltigen Service zu bieten.

Dass Händler eigene Online-Shops aufbauen, kann hingegen nicht im Sinne der Markenhersteller sein. Ohnehin können sich nur wenige Händler einen eigenen Online-Shop leisten - allein die Marketingkosten, um in der weiten Welt des Internets überhaupt gefunden zu werden, wären immens. Um am Online-Geschäft partizipieren zu können, versuchen es Händler eher über Marktplätze wie Amazon oder Otto. Aber: "Die Gebühren dort sind relativ hoch", weiß E-Commerce-Experte. Zudem zähle auf den Marktplätzen der Preis, Kunden bestellen häufig das günstigste Produkt, weil sie ja einen direkten Vergleich haben. "Händler zahlen im Worst Case drauf und legen im Grunde in jedes Paket noch Geld", bringt es Krehan auf den Punkt.

Markenhersteller sind in der Pflicht

Generell zählt für Kunden nicht immer nur der Preis, sondern auch die Verfügbarkeit von Waren, die Beratung und das Ausprobieren vor Ort. Vor allem Markenhersteller sind auf guten Service angewiesen, weil dieser ihre Qualität und ihr Image ausmachen. "Marken brauchen den Fachhandel zwingend", betont Krehan. "Sie müssen sich daher überlegen, wie sie die stationären Händler anbinden."

Dass viele Einzelhändler in ihrer Existenz bedroht sind und ihre Geschäfte aufgeben müssen, schadet wiederum auch den Markenherstellern, weil sie weder auf die Beratung noch auf die Warenverfügbarkeit vor Ort zurückgreifen können. Nachhaltige Versandmethoden und guten Kundenservice können Marken dann kaum mehr anbieten. Sie riskieren vielmehr unnötige Retouren, die sich negativ auf den CO2-Fußabdruck auswirken.

Die Beratung durch die Fachhändler können Marken auch in ihre Online-Shops integrieren, indem sie eine Live-Beratung per Video oder Chat anbieten. "Den Herstellern selbst fehlt dazu das Personal und ihre Arbeitszeiten entsprechen oft nicht dem Bedürfnis der Endkunden. Der Fachhändler aber macht das ja tagtäglich", meint Krehan. Würden Fachhändler ihre Beratungsdienste in den Online-Shops der Marken anbieten, könnten sie sich etwas dazuverdienen und der Hersteller einen besseren Kundenservice anbieten. "Die technischen Möglichkeiten sind da, werden derzeit aber noch nicht genutzt", bedauert Krehan.

Vorteile des On- und Offline-Handels verknüpfen

Mit der persönlichen Beratung vor Ort und der Möglichkeit zum An- und Ausprobieren von Artikeln werfen Fachhändler ein Pfund in die Waagschale. Online-Shops haben indes den Vorteil von schier endloser Warenverfügbarkeit. Binden Markenhersteller die stationären Fachhändler nun in ihre Online-Shops ein, profitieren beide Seiten und letztlich vor allem die Kunden: Denn sie erhalten eine individuelle Beratung und den gewünschten Artikel. Connected Retail ist zudem nachhaltig, weil Versandwege zum Endkunden möglichst kurzgehalten werden oder dank Click & Collect sogar entfallen. Zudem leben Marken Nachhaltigkeit auch insofern, als dass sie ihre Partner fair behandeln und einbeziehen.

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