Digitalisierung des Handels

Transformation im Lebensmitteleinzelhandel



Tobias Kern ist Business Development Director DACH bei StrongPoint.
Drei Ansätze zur Erschließung neuer Umsatzpotenziale im E-Commerce.
Mit einem derartigem Ringscanner lässt sich die Order-Picking-Software einfach bedienen.
Mit einem derartigem Ringscanner lässt sich die Order-Picking-Software einfach bedienen.
Foto: StrongPoint

In den 1990er Jahren läutete der Aufstieg des Internets und der Online-Shops einen bedeutenden Wandel für den Handel. Der stationäre Einzelhandel verliert seitdem zunehmend an Bedeutung und forderte von Eigentümern sowie Vorständen ein Umdenken. Viele Großhändler aber auch kleinere Retailer nutzen mehr oder weniger erfolgreich Omnichannel-Modelle um eine möglichst große Zielgruppe off- sowie online zu erreichen. Der E-Commerce hat sich im Bereich der Dienstleistungen und bei zahlreichen Konsumgütergruppen weltweit zu einem populären und bei Kunden akzeptierten Geschäftsmodelle entwickelt. Das Feld der Fast Moving Consumer Goods (FMCG), vor allem in Bezug auf Lebensmittel im Lebensmitteleinzelhandel, hinkte dabei aber immer etwas hinterher.

Seit einigen Jahren boomt in vielen Ländern auch dieses Geschäft und europaweit, etwa in Skandinavien und England, hat sich e-Grocery als Bestandteil des Lebensmitteleinzelhandels fest verankert. Das Angebot von e-Grocery in Deutschland ist dagegen im Verhältnis noch gering. Doch auch in Deutschland ist spätestens seit der Pandemie ein Paradigmenwechsel festzustellen. Das Aufkommen der Quick-Commerce-Anbieter wie Gorillas, Flink oder Getir ist kein Zufall. Kunden fordern zunehmend neue Möglichkeiten im Bereich der Bestellung und Auslieferung von FMCGs. Dem müssen sowohl die Lebensmitteleinzelhändler als auch ihre Technologiepartner Rechnung tragen. Grundsätzlich bietet das Drängen der klassischen Lebensmitteleinzelhändler in den E-Commerce viele Chancen. Doch wie kann er diese ergreifen?

Immer mehr Deutsche wünschen digitale Einkaufserlebnisse

In zahlreichen deutschen Baumärkten und bei vielen Elektrofachhändlern hat bereits eine Umstellung auf kontaktlose Click-and-Collect- sowie Drive-In-Konzepte stattgefunden. Auch im Lebensmitteleinzelhandel ist ein Trend in diese Richtung festzustellen. Aktuell wächst der Markt für Online bestellte Lebensmittel in Deutschland mit einem CAGR von circa 34 Prozent. Der Marktanteil liegt aktuell bei etwa 3,5 Prozent - die Schweiz liegt mit 5,4 Prozent auf etwas höherem, Österreich mit 2,6 Prozent auf etwas niedrigerem Niveau.

Im Vergleich zu reiferen Märkten in Europa, wie etwa England, Schweden oder Norwegen, ist der deutschsprachige E-Commerce-Markt im Lebensmitteleinzelhandel also kaum entwickelt. Allerdings beobachtet man auch hier, dass der Anteil von Click-and-Collect bei Onlinelebensmittel in Deutschland mittlerweile mit einem Anteil von 25 bis 30 Prozent ein ähnlich hohes Niveau erreicht hat. Insgesamt zeigen die Wachstumsraten aber, dass sich auch deutsche Kunden mittlerweile zunehmend neue Einkaufsmöglichkeiten wünschen. Unterstrichen wird dies durch die enormen Wachstumszahlen im E-Commerce im Allgemeinen sowie die rasch wachsenden Angebote im Bereich des Quick-Commerce.

Sobald der Marktanteil für Online bestellte Lebensmittel auf etwa sechs bis acht Prozent steigt - und das dürfte mit Blick auf die aktuellen Wachstumszahlen in wenigen Jahren der Fall sein - ist die kritische Masse für die ersten Händler erreicht, e-Grocery profitabel betreiben zu können. Dass diese Transformation des Marktes bevorsteht, haben viele Branchengrößen erkannt und die Aktivitäten in diesem Umfeld nehmen zu.

Es besteht ein großes Interesse daran, die stationären Marktanteile auch online zu besetzen und dabei ein Geschäftsmodel mit traditionell sehr geringen Margen im neuen Kanal wirtschaftlich zu etablieren. Der Lebensmitteleinzelhandel wird dabei darauf angewiesen sein, Partner an ihrer Seite zu wissen, die sie bei der Einführung von rentablen Omnichannel-Konzepten beratend unterstützen und ihnen konkrete kosteneffiziente Lösungen bereitstellen.

Abholstationen als Ergänzung zu Click-and-Collect

Die Umstellung auf digitale Bestellmöglichkeiten und Abholmethoden wie Curbside-Pick-up und Drive-through, Click-and-Collect oder lokale Abholstationen rentiert sich für Händler in der Regel nach etwa zwei bis zweieinhalb Jahren - je nach E-Commerce-Konzept und -Auslastung. Mit der richtigen Wartung lassen sich beispielsweise Click-and-Collect-Systeme in Zusammenarbeit mit dem passenden Partner circa zehn Jahre einsetzen und können über den kompletten Life-Cycle fortlaufend mit Upgrades versorgt werden.

Eine für den deutschen Markt noch neuartige Lösung, die Fachhändler für den Lebensmitteleinzelhandel im Blick behalten sollte, sind temperierte Abholstationen (Grocery Locker). Das Konzept von Abholstationen, die ähnlich wie Paketabholstationen funktionieren, hat sich innerhalb von 25 Jahren auf dem skandinavischen Markt erfolgreich etabliert - andere Märkte folgen. Der größte Vorteil von Abholstationen gegenüber Click-and-Collect-Lösungen ist ihre Flexibilität mit Blick auf Ladenöffnungszeiten.

Zudem können sie nahezu überall aufgestellt werden. Besonders Kunden, die auf dem Land, am Stadtrand oder in den Vororten leben, erzielen den größten Benefit durch die Nutzung von temperierten Abholstationen, indem sie beispielsweise ihre Lebensmittel ganz flexibel und praktisch auf dem Weg nach Hause abholen können. Auf der Händlerseite bestehen die Vorteile unter anderem darin, dass diese ihr Personal selbst während Ruhephasen beschäftigt halten können.

In Zeiten mit weniger Publikumsverkehr, etwa am Morgen, können die Mitarbeiter die Abholstationen mit Online-Bestellungen bestücken. Auch auf der Kostenseite ergeben sich für Lebensmitteleinzelhändler erhebliche Vorteile. Je nach Beratungs- und Technikkompetenz sowie Footprint des Partners im jeweiligen Land, kann es gelingen, den Umsatz pro Filiale ohne umfangreiche Umbauarbeiten um 7 Prozent zu steigern.

Order-Picking: Chance für den Channel

Unabhängig davon, welche Abholmöglichkeiten ein Einzelhändler letztlich anbietet: Die Rentabilität von e-Grocery steht und fällt mit der Produktivität. Eine In-Store-Picking-Gesamtlösung basierend auf einer Kombination aus Hard- und Software, die auf die Anforderungen des Lebensmitteleinzelhandel zugeschnitten ist, ist geradezu ein Muss. Nur so kann die Effizienz im Fulfillment auf ein Niveau gehoben werden, das den geringen Margen im Lebensmitteleinzelhandel Rechnung trägt.

An dieser Stelle bietet sich Fachhändlern die Gelegenheit, ihre Kunden entsprechend zu beraten und mit geeigneten Lösungen zu versorgen. Dabei ist ein schrittweises Vorgehen mit späterem Up-Selling durchaus sinnvoll: Der Einführung einer maßgeschneiderten Order-Picking-Software in der ersten Phase folgt nicht selten erst später die passende Hardware wie MDE-Geräte, (Ring)-Scanner und mobile Wagen, sobald die Zahl der Online-Bestellungen steigt. Darüber hinaus sind wiederkehrende Erträge durch Personalschulungen und Wartungsverträge zu erwarten.

Aller guten Dinge sind drei

Lebensmitteleinzelhändler mit einer Bestandsfläche können gegenüber ihren aufstrebenden digitalen Konkurrenten im Vorteil sein, sofern sie diese Fläche als Vorteil erkennen und strategisch nutzen. Optimierte Prozesse im Bereich der Kommissionierung sowie die passenden digitalen Lösungen für das Fulfillment sind der Schlüssel zum Erfolg. Sobald diese Basis geschaffen ist, können die Services Click-and-Collect, Curbside-Pickup oder Abholstationen kosteneffizient in das bestehende Geschäftsmodell integriert werden.

Daran anknüpfend wird, neben den neu erschlossenen Umsatzpotenzialen, auch den Kunden ein neues verbessertes Einkaufserlebnis geboten. Klar ist: Dem Fachhandel bietet die Transformation des Lebensmitteleinzelhandel hin zu einem Omnichannel-Modell einige neue Chancen, für die es sich in Stellungen zu bringen gilt.

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