Günter Schiessl

"Channel-Programme der Hersteller sind die Wurzel allen Übels"

Armin Weiler kümmert sich um die rechercheintensiven Geschichten rund um den ITK-Channel und um die Themen der Distribution. Zudem ist er für den Bereich PCs und Peripherie zuständig. Zu seinen Spezialgebieten zählen daher Notebooks, PCs, Smartphones, Drucker, Displays und Eingabegeräte. Bei der inoffiziellen deutschen IT-Skimeisterschaft "CP Race" ist er für die Rennleitung verantwortlich.
Vor genau zwei Jahren verließ Günther Schiessl Tech Data. Der ehemalige Geschäftsführer des Broadliners ging, um in einer neuen Branche Fuß zu fassen. Trotzdem verfolgt Schiessl weiterhin, wie es um die deutschen IT-Grossisten steht.
"Sell-In-Boni sind eine richtige Katastrophe", meint Günter Schiessl, Geschäftsführer der Ecobility GmbH, zu Gast beim Channelcast, dem Podcast für Reseller, Distributoren und hersteller im IT-Channel.
"Sell-In-Boni sind eine richtige Katastrophe", meint Günter Schiessl, Geschäftsführer der Ecobility GmbH, zu Gast beim Channelcast, dem Podcast für Reseller, Distributoren und hersteller im IT-Channel.

Vor genau zwei Jahren verließ Günther Schiessl Tech Data. Der ehemalige Geschäftsführer des Broadliners ging, um in einer neuen Branche Fuß zu fassen. Was Günter Schiessl heute macht, können Sie hier nachlesen: www.channelpartner.de/2587047. Trotzdem verfolgt Schiessl weiterhin, wie es um die deutschen IT-Grossisten steht.

Die Broadline-Distribution will sich stärker um margenträchtigere Geschäftsfelder bemühen und sich von unprofitablem Business trennen. Ist diese Trennung das Patentrezept für bessere Geschäfte in der Distribution?

Günter Schiessl: Reden und Machen sind zwei verschiedene Dinge. Ich halte wenig davon, einen Kunden oder Hersteller isoliert zu betrachten, zumal man es sich in die eine oder andere Richtung passend rechnen kann: Wie steht es mit den Frachtkosten, die ich bezahle oder nicht bezahle, wie mit den Boni, wie mit den Zahlungszielen, die ich gebe oder nicht gebe, wie viel Liquidität ich mit bei dem Geschäft mit dem Kunden benötige? Letztendlich kommt es darauf an, dass ich die Entscheidung, die ich treffe, auch mal ein Jahr durchhalte.

Also spielen Boni bei der Kalkulation eine wesentliche Rolle.

Schiessl: Je mehr ich an Bonus erhalten will, desto mehr Volumen benötige ich. Bei den großen Corporate Resellern, bei denen ich so gut wie keine Front-End-Marge realisiere, muss ich natürlich mit Bonuszielerreichung rechnen. Wenn ich diese Boni nicht mit einrechne, dann sind diese Corporate Reseller bei keinem Hersteller profitabel. Selbst bei einem Zubehörhersteller mit höherer Marge rechnet sich das aufgrund des geringen Umfangs auf Dauer auch nicht unbedingt. Es ist immer ein Mix zwischen Volumen und Marge, auf dieser Grundlage muss ich eine Entscheidung treffen.

In der Distribution ist von 30 bis 40 Prozent unprofitablem Geschäft die Rede.

Schiessl: Wenn man nun die 30 Prozent abzieht, dann werden wiederum von den übrig bleibenden 70 Prozent die darauffolgenden 20 Prozent unprofitabel. So kann ich mein Geschäft auch immer weiter abwürgen, denn wenn ich es nach bestimmten Kriterien rechne, werde ich immer 20 bis 30 Prozent haben, bei denen ich dann sagen muss: Offensichtlich darf ich da nicht hinfakturieren. Also kalkuliere ich Boni mit ein, ob ich sie erreiche oder nicht. Das hauptsächliche Problem ist, jeden Monat oder jedes Quartal den Kunden neu zu betrachten. Im ungünstigsten Fall verliere ich den Kunden dann für ein ganzes Jahr.

Ist das Modell der Back-End-Boni das Problem?

Schiessl: Würde man die Boni komplett abziehen, hätte man bei einem Hersteller mal ein schlechtes Quartal, aber auch eine gewisse Bereinigung. Als letzten Herbst plötzlich die Hälfte der Festplattenproduktion wegfiel, war das wie ein Neustart. Die Hersteller verkaufen jetzt zwar 20 Millionen weniger Platten, aber die werden durchverkauft. Und durchverkaufen heißt: weniger Druck auf die Marge.

Ähnlich ist es mit den Boni: Wenn ich mal den Geist aus der Flasche lasse, dann bekomme ich ihn schwer wieder hinein, vor allem bei Sell-In-Boni, die sind eine richtige Katastrophe. So sind auch einige Retailer wie Notebooksbilliger.de groß geworden, weil sie früh erkannt haben, wie die Channel-Boni-Programme der Hersteller funktionieren.

Aber bekommt man denn den Geist überhaupt wieder in die Flasche?

Schiessl: Ja, das geht schon. Wenn ein Hersteller sagt, ab nächsten Monat gibt es keine Boni mehr, dann wird er vielleicht einen oder zwei Monate einen schlechten Sell-In riskieren. Die Wurzel allen Übels sind die Channel-Programme der Hersteller. Die Idee daran ist ja, dass mir der Hersteller zusätzlich Geld gibt, damit ich für ihn Geschäft entwickle. In der Realität sieht das ganz anders aus: Das passiert in den seltensten Fällen. Im Nachhinein wird nur der Abverkauf des Lagerbestandes entwickelt. Die großen Projekte werden so nur von A nach B geschoben, und das Kriterium ist nur der Preis, da ist kein Geschäft entwickelt. Das zu ändern ist allerdings sehr schwierig, auch auf Distributionsseite, auch bei den Broadlinern ist das Geschäft darauf ausgelegt. (awe)

Hintergrund

Dieses Interview basiert auf einem Gespräch, das im Channelcast, dem Podcast für Reseller, Distributoren und IT-Hersteller, geführt wurde. Die Folge CC0015 mit Talk-Gast Günter Schiessl kann unter www.channelcast.de angehört und heruntergeladen werden.

Zur Startseite