Corel eröffnet Vertriebsniederlassung in Deutschland

05.08.1998

OTTAWA: Jahrelang hat Corel alle Aktivitäten von Kanada aus gesteuert. Europäische Distributoren telefonierten ebenso regelmäßig über den Atlantischen Ozean wie auch Großkunden. Jetzt ist Corel offenbar ein Stück schlauer geworden und eröffnet Vertriebsbüros in Europa.So plötzlich, wie es scheint, ist der Sinneswandel des Grafikgurus gar nicht. Die Ergebnisse des letzten Geschäftsjahres sind katastrophal. In der Bilanz des Unternehmens stand ein Verlust der rund 89 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachte (siehe Kasten). Zwar gibt Corel für dieses schlechte Ergebnis in erster Linie die verunglückte Marktstrategie mit ihrem Java-Office letztes Jahr an, doch auch der Umsatz der Cash Cow "Corel Draw" und die weltweiten Verkaufszahlen der Word Perfect Suite gingen zurück. Und diese garantierten in der Vergangenheit immerhin rund 95 Prozent der Einnahmen.

Niederlassungen für den Vertrieb

Auf dieses Dilemma reagiert Corel zunächst einmal mit Vertriebsbüros weltweit. Die Niederlassung in Deutschland wird in München angesiedelt. Corel Deutschland wird sich in erster Linie um den Ausbau der Vertriebskanäle (zum Beispiel Distribution, Retail oder Corporate), um die Partnerbetreuung und um Marketingunterstützung kümmern. Die Leitung hat Torsten Srebot übernommen. Er bringt über fünf Jahre Vertriebserfahrung vom Softwaremulti Microsoft mit und wird bei Corel die Funktion des Country Manages Deutschland und Österreich übernehmen. Das Verkaufsteam in München ist innerhalb des letzten Monats von zwei auf sieben Mitarbeiter gewachsen. Je nach Bedarf ist eine Vergrößerung des Teams zum Beispiel im Bereich Corporate Sales geplant. Weitere Büros hat Corel im Moment in Großbritannien, Irland, Frankreich, den Benelux-Staaten sowie in Dänemark, Südafrika und Finnland.

Außerdem hat Corel seit Ende 1997 einen neuen Senior Vice President of International Sales. Paul King kommt von NCR Canada, wo er die Position des Vice President of Retail Systems innehatte. "Meine vordringlichste Aufgabe wird es sein, Corels internationale Präsenz auszubauen", so King.

Java-Office war ein Koloß

Eine weitere Reaktion auf die Bilanzkatastrophe im letzten Jahr: Corel stellt zwei neue Technologien vor: J Bridge und Open J sollen die Entwicklung von Komponenten-basierten Java-Applikationen wesentlich erleichtern. Damit will Corel seinen Schnitzer mit Java-Office im letzten Jahr ausbügeln. "Java-Office war zu schwerfällig. Das war ein Koloß", gibt Wiebke Lips, Communications Manager bei Corel, zu. Die neue Version von Java-Office wird aus einzelnen Komponenten bestehen, die sich der Anwender individuell zusammenstellen kann. "Wir rechnen allerdings nicht damit, daß wir mit den neuen Technologien schon jetzt Geld verdienen. Das ist eine Investition in die Zukunft", betont Wiebke Lips.

Die dritte Maßnahme zur Verbesserung der Betriebsergebnisse ist ein Lifting der Preisstruktur bei der Word Perfect Suite. Das Update auf die Version acht wurde Anfang März in den USA um 90 Dollar billiger. Laut Corel ist seitdem ein deutlicher Anstieg der Nachfrage zu verzeichnen.

Außerdem will Corel in Zukunft die Zyklen zwischen den Produktversionen wieder verlängern. Lips: "Die zeitlichen Zwischenräume sind in der Vergangenheit immer kleiner geworden. Irgendwann kommt auch der Anwender nicht mehr mit den Updates mit." Corel plant sich und seinen Kunden in Zukunft mit den neuen Versionen 16 Monate Zeit zu lassen, anstatt wie bisher alle zwölf Monate neue Versionen auf den Markt zu bringen. Daß diese Einschätzung ins Schwarze trifft, zeigt eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens TechConsult. Die Version 7.0 von Corel Draw liegt auf Platz zwei hinter Version 6.0. Aber auch die fünfte Generation des Grafikpaketes hat noch ihre Existenzberechtigung. In einer Rangliste von fünf Produkten landete Corel 5.0 immerhin auf Platz vier. (gn)

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