"Der Channel ist zu unflexibel"

09.07.2000
Nach dem Ausscheiden von Vertriebschef Stefan Brotzler und Marketing-Leiterin Regina Holzapfel aus dem Unternehmen bleibt die Europa-Organisation von Red Hat weiterhin undurchsichtig. Um etwas Licht in dieses Dickicht zu bringen, aber auch um Red Hats Partnerstrategie auszuleuchten, befragte ComputerPartnerRedakteur Ronald Wiltscheck Red Hats Managing-Director Deutschland Dirk Haaga.

Herr Haaga, haben Sie bereits einen Nachfolger für Stefan Brotzler gefunden?

Haaga: Derzeit nehmen Zentraleuropachef Dieter Hoffman und ich die früheren Aufgaben von Herrn Brotzler wahr. Während der reine Produktvertrieb vorwiegend in meinen Tätigkeitsbereich fällt, kümmert sich Hoffman um die Key-Account-Kunden.

Könnten Sie die Aufgabenteilung zwischen Ihnen und Hoffman spezifizieren?

Haaga: Früher gab es in Deutschland mehrere so genannte Directors, die jeweils für die Bereiche Vertrieb, Marketing und Key Accounts verantwortlich zeichneten und direkt an die Europazentrale in England berichteten. Nun haben wir gerade eine kleine interne Umstrukturierung vollzogen. Wir fanden es sinnvoller, dass es in Zentraleuropa einen Ansprechpartner gibt, der - allein verantwortlich für diese drei Bereiche - direkt an den Europachef Colin Tewick in England berichtet. Diese Position des Managing-Director Zentraleuropa bekleidet nun Dieter Hoffman, und ich bin sein Stellvertreter.

Ihr CEO Matt Szulik hat kürzlich erklärt, dass der 30-prozentige Umsatzanteil aus reinen Produktverkäufen weiter zurückgehen wird. Trifft dies auch für Deutschland zu?

Haaga: Da wir keine Lizenzerlöse erzielen, ist eigentlich auch der Produktumsatz dem Servicebereich zuzuordnen. Doch der mit dem reinen CD-Vertrieb generierte Anteil wird sicherlich auch in Deutschland zurückgehen. Überdurchschnittlich wachsen wird dagegen der Trainingsbereich.

Wie sieht es mit Consulting-Dienstleistungen aus?

Haaga: So schrecklich viel Consulting betreiben wir auch nicht, stark sind wir hingegen im Support. Immerhin haben wir mittlerweile europaweit zwischen 50 und 100 Support-Verträge mit Endkunden abschließen können.

Wie vermeiden Sie Konflikte zwischen direktem und indirektem Vertrieb?

Haaga: Produkte und Dienstleistungen bieten wir auch über die Distributoren an, beispielsweise über Ingram Macrotron. Außerdem haben wir dezidierte Partnerprogramme aufgesetzt, jeweils speziell zugeschnitten auf die Bedürfnisse von Wiederverkäufern, Trainingspartnern und ISVs (Independent Software Vendors). Neben diesem Kanal forcieren wir aber immer stärker unsere Direktverkäufe.

Wer macht die Dienstleistung?

Haaga: Große Kunden betreuen unsere Key-Account-Manager direkt. Aber Dienstleistungen bieten wir auch in Form von festgeschnürten Paketen. Dazu zählt etwa der "Pay per Incident"-Support: Für fünf Problemlösungen kostet dieser 950 Euro netto. So etwas kann auch der Fachhandel relativ einfach verkaufen, das Ganze wird im Macrotron-Katalog angeboten.

Komplexere Lösungen bieten wir hingegen ausschließlich selbst an. Oft entscheidet sich der Kunde ohnehin für diese Direktbetreuung, da Macrotron nur die Standardpalette an Diensten zu leisten imstande ist.

Welche Rolle spielen die Wiederverkäufer bei Macrotron?

Haaga: Wer da schlussendlich der Kunde von Macrotron wird, ist uns egal.

Trauen Sie dem indirekten Kanal keine komplexere Implementierungen zu?

Haaga: Es ist schwierig, Artikel ohne festen Leistungsumfang und endgültige Preisangaben über den Channel zu verkaufen. Unsere Partner erstellen für ihre Kunden keine individuellen Lösungen, sie verkaufen ausschließlich Box-Produkte mit Standard-Support-Verträgen. Und diesen Support leisten dann wir. Kunden im Training- und Support-Bereich akquirieren wir ohnehin selbst. Da hilft uns die Distribution auch nicht weiter. Für Serviceleistungen ist der Channel einfach zu unflexibel. Er kann unsere Produkte nicht zur vollsten Kundenzufriedenheit variieren.

Leisten Sie den gesamten Service?

Haaga: Diese Aufgabe übernehmen für uns zum Teil Dienstleister wie ID Pro AG, die selbst Training- und Consulting-Leistungen anbietet. Ein derartiger Servicepartner kann dies ohnehin viel besser als die alteingesessen Broadline-Distributoren. Diese sind einfach zu schwerfällig, sie sind noch dabei, sich in das neue Betriebssystem Linux einzuarbeiten. Ohnehin stehen die Umsätze, die Macrotron mit Linux verbucht, in keinem Verhältnis zu den Erlösen aus den Vertrieb von Microsoft-Produkten. Ich hoffe trotzdem, dass Broadline-Distributoren irgendwann eigene Linux-Abteilungen ins Leben rufen.

Gibt es neben der Zusammenarbeit mit ID Pro weitere Pläne für derartige Partnerschaften?

Haaga: ID Pro bleibt unser wichtigster Dienstleistungspartner. Anfang September stößt noch ein weiterer hinzu. Da unsere Ressourcen in Europa jedoch begrenzt sind, müssen wir uns auf zwei bis drei Servicepartner konzentrieren.

www.europe.redhat.com/partners/

RED-HAT-KURZPORTRÄT

Einziger Wettbewerber von Suse

Red Hat wurde von Bob Young und Mark Ewing 1994 gegründet. Das Ziel lautete damals, das noch relativ junge Betriebssystem Linux bekannt zu machen. Schon ein Jahr später kam die erste Red-Hat-Linux-Distribution auf den Markt. Mittlerweile erschien deren Version 6.2, und Red Hat konkurriert mit der Nürnberger Suse AG um die Vorherrschaft im weltweiten Linux-Markt. (rw)

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