Erwarteter Showdown auf freenet-HV bleibt bislang aus

08.08.2008
Von Nico Schmidt DOW JONES NEWSWIRES

Von Nico Schmidt DOW JONES NEWSWIRES

HAMBURG (Dow Jones)--Die freent AG versucht auf ihrer Hauptversammlung am Freitag weiter, die Anleger von ihren Kurswechsel hin zum Mobilfunkanbieter zu überzeugen. Der erwartete Showdown im Machtkampf zwischen freenet und den Hauptanteilseignern United Internet und Drillisch ist allerdings auf der Aktionärsversammlung des Hamburger Telekommunikationskonzerns bislang aber ausgeblieben.

freenet-Vorstandsvorsitzender Eckhard Spoerr glaubte zu Beginn der Hauptversammlung nicht, dass es zu einem Showdown kommen wird. Vielmehr erwartete Spoerr nach eigenem Bekunden eine "produktive Kontroverse".

Branchenkenner hatten bereits im Vorfeld der Hauptversammlung einen Machtkampf zwischen freenet sowie Drillisch und United Internet erwartet. Die Voraussetzungen dafür hatte das Registergericht Kiel in der vergangenen Woche geschaffen: Dort konnte sich die MSP Holding mit ihrem Antrag durchsetzen, die Tagesordnung für die Hauptversammlung um mehrere Punkte zu ergänzen.

Gemeinsam halten United Internet und Drillisch über die MSP Holding rund 26% an freenet und sind damit größter Anteilseigner von freenet.

So gibt der Richterspruch der MSP Holding die Möglichkeit, die freenet-Aktionäre über den Entzug des Vertrauens gegenüber dem amtierenden freenet-Vorstand sowie über die Abwahl der Aufsichtsratsmitglieder abstimmen zu lassen.

Hintergrund des Streits ist die Übernahme von Debitel durch freenet, die die Ziele der freenet-Hauptaktionäre torpedierte. United Internet und Drillisch hatten sich selbst um eine freenet-Übernahme bemüht. United Internet war vor allem an dem DSL-Geschäft von freenet interessiert, Drillisch an dem Mobilfunkgeschäft. Deshalb planten beide Unternehmen eine Aufspaltung von freenet. Ende April verständigte sich die freenet-Führung aber gegen den Widerstand ihrer Hauptanteilseigner mit Debitel auf eine Übernahme.

Diese hatte freenet rund 1,65 Mrd EUR gekostet. Dabei übernahm freenet rund 1,1 Mrd EUR Schulden des Wettbewerbers. Mit der Übernahme verfolgt freenet das Ziel, den Geschäftsfokus auf den Mobilfunkbereich zu legen. Spoerr räumte auf der Hauptversammlung zwar ein, dass der Mobilfunkmarkt von einem "hohen Wettbewerbsgrad" und gleichzeitig "hoher Marktsättigung" gekennzeichnet sei. Aus der Debitel-Übernahme hätten sich aber "erhebliches" Synergiepotenzial ergeben, da es sich um eine "In-Market-Konsolidierung" gehandelt habe, sagte Spoerr, ohne eine genaue Erwartung für mögliche Einspareffekte zu beziffern.

freenet sei in der Lage, die Erosion des durchschnittlichen Erlöses pro Nutzer im Mobilfunksegment mittelfristig zu stoppen, sagte Spoerr weiter. Langfristig sei sogar eine neuerliche Steigerung dieses Wertes zu erwarten. Der durchschnittliche Erlös pro Nutzer ("Average Revenue per User"/ ARPU) gilt für Telekomunternehmen als wichtiger Maßstab für die Profitabilität. Während freenet 2006 noch einen ARPU von 27,02 erwirtschaftete, lag dieser Wert 2007 um 9% niedriger bei nur noch 24,64 EUR.

Robert Weber, der die Interessen des freenet-Großaktionärs Drillisch vertritt, kritisierte das "fehlende strategische Konzept" des freenet-Vorstandes und stellte die Frage nach der Professionalität des Vorgehens des Managements. Weber forderte einen "klaren Schnitt" und plädierte für die Abwahl von Vorstand und Aufsichtsrat.

Erst dann würde sich die Chance für einen echten Neuanfang bieten, so Weber. Der Rechtsanwalt bestritt indirekt Vorwürfe von Kleinanlegern, wonach Drillisch und United Internet den freenet-Vorstand und -Aufsichtsrat nur abwählen lassen wollen, um den Weg für eine Zerschlagung des Unternehmens zu schaffen: "Unser Interesse ist ein steigender Aktienkurs - nicht mehr und nicht weniger".

Die Aktionärsschützer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) kündigten an, sich zwar bei der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat enthalten zu wollen. Doch soll der durch die MSP gerichtlich erstrittene Antrag auf Abberufung des Aufsichtsrates und Vertrauensentzug des Vorstandes abgelehnt werden. SdK-Sprecher Thilo Freiherr von Kap-Herr sagte, die Aktionärsschützer wollten dem amtierenden Management "die letzte Möglichkeit geben", die Entwicklung des Unternehmens - und damit auch des freenet-Aktienkurses - voranzutreiben.

Der Finanzinvestor Hermes, der mit über 5% an freenet beteiligt ist, könnte nach Einschätzung von Branchenkennern zum "Zünglein an der Waage" im Machtkampf zwischen freenet, United Internet und Drillisch werden. In der Fragerunde der Aktionäre forderte ein Vertreter der britischen Private-Equity-Gesellschaft, dass sich das freenet-Management mehr auf das operative Geschäft konzentrieren müsse.

In der jüngeren Vergangenheit hätten sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat mehr mit aktienrechtlichen Themen auseinanderzusetzen gehabt als mit der Geschäftsentwicklung. Einen Hinweis darauf, ob Hermes für oder gegen Vorstand und Aufsichtsrat stimmen wird, lieferte der Vertreter des Finanzinvestors nicht.

Das Interesse der freenet-Aktionäre an der Hauptversammlung ist groß: 73,35% des Grundkapitals der freenet AG sind in Hamburg vertreten. Mit Spannung erwartet werden nun Ausführungen von United Internet und MSP Holding erwartet.

Webseite: http://www.freenet.de -Von Nico Schmidt, Dow Jones Newswires; +49 - (0)69 297 25 102; nico.schmidt@dowjones.com DJG/ncs/cbr

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