Gerade die Führungsarbeit, das Vorangehen und Leiten innerhalb des eigenen Unternehmens bedarf Menschen, die mit Mut, Entschlossenheit, Wissen und guter Ausbildung diese Herausforderung angehen. Doch wie kann diese zweifelsohne hohe Anforderung erfüllt, wie kann die fachlich-persönliche Qualifikation dafür erworben werden? Hinzu kommt die Entwicklung, immer mehr in virtuellen Teams zu arbeiten und diese zu führen.
Virtuell, das bedeutet häufig: zeitlich begrenzt, die Mitarbeiter auf verschiedene Orte verteilt, fachliche, jedoch nicht disziplinarische Verantwortung, Matrixbeziehungen im Team und auf Führungsebene - kurzum eine wirkliche knifflige Aufgabe. Dementgegen steht die Tatsache, dass in vielen Unternehmen nach wie vor nach Alter oder Kompetenz auf Sachebene (bester Verkäufer, zuverlässigster Buchhalter, kreativster Projektmanager) anstatt vor allem die benötigten Führungsqualitäten in den Beförderungsprozess aufzunehmen. Doch der erfolgreichste, smarteste Verkäufer ist eben noch lange nicht automatisch der beste Manager. Im Gegenteil. Was vorher vielleicht als persönliche Motivation wunderbar funktionierte (Erster sein), kann danach zum besonders dicken Fallstrick werden.
"First class manager hire first class people. Second class manager hire third class people." Gute Führungskräfte verstehen es, sowohl leistungsschwächere, als auch im Vergleich mit sich selbst leistungsstärkere Mitarbeiter zu integrieren und zu entwickeln und in besonderen Fällen für das Unternehmen an sich vorbeiziehen zu lassen. Nicht einfach, doch weniger ist nicht akzeptabel. Egoistische Manager, die das eigene Wohl, die eigene Macht über das Wohl und die Interessen des Unternehmens stellen, gibt es in der Wirtschaft bereits zur Genüge. Gemeinsinn vor Eigensinn - dieser alte Grundsatz sollte von der negativen Last der Zeit vor 1945 befreit und zu einem neuen Leitbild für das Denken, Fühlen und Handeln in den Führungsetagen werden.
Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten den Individualismus derart kultiviert, dass er beinahe zum alleinigen Maßstab für Erfolg und Status geworden ist. Anderssein können und so akzeptiert werden ist gut. Doch sich für andere einzusetzen, seine Kraft und Kreativität in den Dienst des Unternehmens zu stellen, stellt einen mindestens ebenso hohen Wert dar. Beförderung, Belohnungs- und Incentivesysteme sollten diese Aspekte unbedingt berücksichtigen. Hier sind ganz konkrete Änderungen in den derzeitigen Unternehmensstrukturen und (gelebten) Leitlinien erforderlich.
Erfolg braucht Ziele
Führungskräfte sollten noch mehr als ihre Mitarbeiter wissen, wo sie hin wollen. Klare, sichtbare Ziele geben die Orientierung, positive Ziele motivieren. Dazu gehört in der täglichen Führungsarbeit vor allem die Vermittlung und Darstellung dieser Ziele. Gute Führungskräfte sorgen dafür, dass ihre Mitarbeiter wissen, wohin die gemeinsame Reise geht. Sie halten das Team nicht im Dunkeln, sondern sorgen für einen hohen, angemessenen Informationsstand. Dazu gehört einerseits eine Portion Vertrauen und andererseits der Verzicht auf ein Stück Informationsmacht, den allzu großen Informationsvorsprung vor den Mitarbeitern. Besonders am Anfang eines Geschäftsjahres, einer Kampagne oder eines Projekts sollten Ziele präsentiert und besprochen werden.
Idealerweise erfolgt eine Visualisierung der Ziele und des aktuellen Stands während des Geschäftsjahres oder der zeitlich begrenzten Kampagne. So weiß jeder, an welcher Stelle des Wegs sich das Team befindet, was bereits geschafft wurde und was noch zu tun ist, die Ziele zu erreichen oder sogar zu übertreffen.
Je mehr ein Manager es nun schafft, die persönlichen Ziele der Menschen in seinem Team (Sicherheit, soziale Aspekte, Gewinnstreben und Anerkennung) mit den Unternehmenszielen in Deckungsgleichheit zu bringen, desto eher kann er gewiss sein, diese zu erreichen. Für die einzelnen Mitarbeiter gehören darüber hinaus motivierende Entwicklungsziele zum Instrumentarium der Motivation auf individueller Ebene.
Mindestens einmal im Jahr gehört ein ordentliches, formelles Mitarbeitergespräch (Performance Review) in den gemeinsamen Terminkalender von Vorgesetztem und Mitarbeiter. Das Vergangene wird aufgearbeitet und bewertet, der aktuelle Stand transparent gemacht und Möglichkeiten der Förderung und Entwicklung diskutiert und eingeleitet. Solange Menschen einen hohen Fortschritt der eigenen Persönlichkeit und Kompetenz verspüren, neigen sie umso weniger dazu, sich bei alternativen Arbeitgebern, im Zweifelsfall beim Wettbewerb, umzusehen.
Professionelle Kommunikation
Das alltägliche Mittel, sich als Führungskraft in die Dynamik des Alltags einzubringen, ist die Kommunikation. Professionalität in diesem Zusammenhang bedeutet die Fähigkeit, andere schnell und gut zu verstehen und sich selbst klar und wirkungsvoll auszudrücken. Sprachsicherheit, Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis tragen gleichermaßen dazu bei, diese Fähigkeit zu bestimmen, zu entwickeln. Gute Manager nutzen alle heute zur Verfügung stehenden Medien in wohl abgewogener Weise, um sich mit ihrer Umwelt auszutauschen und um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Grundsätzlich gilt: So klar wie möglich ausdrücken, sachliche Informationen mündlich und schriftlich kommunizieren, emotionale Aspekte der Führungsarbeit (ganz besonders bei Konflikten) stets im persönlichen Gespräch angehen, in vertrauensvoller Atmosphäre und ohne Menschen "vorzuführen".
Der Entwicklung der deutschen Gesellschaft zur multikulturellen Gesellschaft und Wirtschaftsgemeinschaft sollte zunehmend Rechnung getragen werden. Führungskräfte sollten integer, glaubwürdig und ohne diesbezügliche Vorurteile in die Verantwortung gehen. Die Fähigkeit, Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu gemeinschaftlicher Leistung zu führen, wird deutlich wichtiger und ist in naher Zukunft unverzichtbar. Glaubwürdigkeit bedeutet keineswegs, die eigenen Überzeugungen über den Haufen zu werfen. Sie bedeutet vielmehr eine grundsätzliche, positive Offenheit gegenüber anderen, kombiniert mit aufgearbeiteten, transparenten, eigenen Leitlinien. Nur so zu tun, als ob, das reicht sicher nicht aus. Die heutige Welt ist global und vielfältig. Und sie erlaubt gleichzeitig Authentizität und Identität auf nationaler Ebene genauso wie auf Unternehmensebene. Schwache sind schnell in der Defensive, Starke Führungskräfte verstehen es zu begeistern und zu vereinen.
Wissen und Methodik
Gute Führungsmethodik bezieht sich heute in der westlichen Welt vor allem auf das situative Führen (nach Blanchard und Hershey). Das Wechselspiel von direktiv und kollegial, von Anweisen und Delegieren ist gefragt. Eine kompetente Führungskraft stellt sich auf die Situation des Teams und den Reifegrad des einzelnen Mitarbeiters ein. Sie ist nicht direktiv oder kollegial, sondern anpassungsfähig, also sowohl als auch, je nach Ausgangssituation und Entwicklungsziel. Die fundierte Ausbildung im situativen Führen ist heute unbedingter Standard bereits ab Teamleiterebene aufwärts. Methodisch sollten darüber hinaus gute Kenntnisse in Konfliktmanagement, in der Moderation von Meetings sowie in der Präsentation/Rhetorik aufgebaut werden. Der Aufbau von führungspsychologischem Wissen steht über viele Jahre auf dem Lehrplan auch fortgeschrittener Führungskräfte.
Persönlichkeit und Wirkung
Beinahe automatisch erfolgt ein beständiger Abgleich von Eigenbild und Fremdbild, also Klarheit über die eigene Person im Zusammenspiel mit anderen. Kluge Führungskräfte legen sich rechtzeitig Mentoren intern oder extern ("Jeder gute Manager hat einen guten Coach") zu, die in der Lage sind, ihnen qualifiziertes Feedback zu geben und das eigene Handeln auf geeignete Weise über Feedback zu reflektieren. Die häufig anzutreffenden "Erfolg gibt Recht"- oder "Der Zweck heiligt die Mittel"-Haltungen deuten dagegen eher auf eine fehlerhafte Prägung in der frühen Entwicklung hin, denn auf Reife und positive Führungskompetenz.
Die Vorbildfunktion ist in der Führungsarbeit immer noch von großer Bedeutung. Mitarbeiter dürfen zu Recht eine glaubwürdige, integre Person erwarten, die Verantwortung für einen erklecklichen Teil ihres Lebens, und Arbeit ist ein Teil des Lebens, trägt. Kommen noch eine Portion Ausstrahlung und Charisma hinzu, dann lassen sich Mitarbeiter noch besser anpacken, begeistern und mitreißen. Eine gute Mischung aus Einfühlungsvermögen und Dominanz schafft die Basis für ein gelebtes situatives Führen. Fehlen sollte keines von beiden. Im Zweifelsfall, das zeigen viele Erfahrungen und Gespräche mit Teams, werden Führungskräfte mit "Hart-aber-gerecht"-Persönlichkeit sogenannten "Weicheiern" allemal vorgezogen. Klare Ansagen ans Team oder den Einzelnen sind immer noch leichter hinzunehmen, als unkonturiertes Herumlavieren.
Der Weg ist das Ziel
Zu hohe Erwartungen? Ein kaum erreichbares Profil? Keineswegs. Selbstverständlich fallen auch Führungskräfte nicht vom Baum wie reifes Obst. Passt die grundsätzliche Persönlichkeit, sind genügend Substanz und der Wille, sich zu entwickeln, vorhanden, so lässt sich vieles von dem, was benötigt wird, über die Zeit erfahren und erlernen. Stück für Stück, Baustein für Baustein. Gute Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital unserer Unternehmen. Dieses Kapital muss sorgfältig, verantwortungsvoll und mit hoher Kompetenz gehandhabt werden.
Apropos erlernen: Wenn in unserem Lande Privatpersonen annähernd zweitausend Euro für ihren Führerschein zu bezahlen in der Lage sind, um ein Kfz durch den öffentlichen Straßenverkehr bewegen zu dürfen, so sollten Unternehmen allemal in der Lage sein, in einen "Schein für Führungskräfte" zu investieren. Diese Investition zahlt sich sehr konkret aus: zufriedene, engagierte Mitarbeiter, Teams, die Hand in Hand arbeiten, ein hoher Grad an Kreativität, Loyalität und letztendlich eine hohe Wettbewerbsfähigkeit. Überragende Produkte, gelebte Kundenorientierung und überdurchschnittliche Gewinne resultieren aus all diesen Qualitäten. Zeigt sich doch in den Unternehmen, die in puncto Führungsqualität stark aufgestellt sind: Gute Führung führt zu guter Leistung. MF