INTERVIEW/Evotec sieht gute Chancen für weitere Partnerschaften 2010

17.06.2010
Von Heide Oberhauser-Aslan DOW JONES NEWSWIRES

Von Heide Oberhauser-Aslan DOW JONES NEWSWIRES

FRANKFURT (Dow Jones)--Das Hamburger Biotechunternehmen Evotec sieht gute Chancen, im zweiten Halbjahr noch weitere strategische Allianzen mit Pharmafirmen in seinem Kerngeschäft der Wirkstoffforschung abschließen zu können. "Wenn wir Kapazitäten haben, sehen wir wenige Faktoren, die dagegen sprechen, noch weitere Partnerschaften in diesem Jahr abzuschließen", sagte Vorstandsvorsitzender Werner Lanthaler im Interview mit Dow Jones Newswires. Erst im Mai hatte das im TecDAX gelistete Unternehmen eine Forschungsallianz mit der Roche-Tochter Genentech zur Identifizierung von neuartigen niedermolekularen Wirkstoffkandidaten bekannt gegeben.

Damit habe das Unternehmen das für 2010 in Aussicht gestellte Mindestziel einer neuen Partnerschaft zwar bereits erfüllt, sagte Lanthaler. "Wenn sie in der ersten Halbzeit ein Tor schießen, heißt das aber nicht, dass sie in der zweiten Halbzeit nicht auch noch ein Tor schießen dürfen", meinte er.

Der 2009 bei dem seinerzeit hoch defizitären Unternehmen angetretene Manager hatte Evotec im vergangenen Jahr einen harten Sparkurs verordnet mit dem Ziel, spätestens 2012 die Gewinnzone zu erreichen. Dabei war das risikobehaftete und kostenträchtige Engagement von Evotec bei der Entwicklung eigener Medikamente stark zurückgefahren worden und stattdessen das alte Kerngeschäft, die Wirkstoffsuche für große Pharmafirmen, deutlich ausgebaut worden.

Zwar verfügt das Unternehmen derzeit immer noch über vier bis sechs Projekte in der präklinischen Phase, die es alleine ohne Partner voranbringt. Die Pipeline sei aber im Unterschied zu früher strategisch immer für Partner offen, sagte Lanthaler. Evotec habe damit aufgehört, Konkurrent der eigenen Allianzpartner zu sein, sondern verstehe sich als strategischer Allianzpartner für alle Produkte, die das Unternehmen anbieten könne, sagte Lanthaler.

Einen ersten Erfolg kann der Manager bereits bei der im Herbst 2009 geschlossenen Onkologie-Alllianz mit Boehringer Ingelheim verbuchen. Wie an diesem Donnerstag bekannt wurde, erhält Evotec eine erste Meilensteinzahlung über 2,5 Mio EUR von dem Ingelheimer Pharmakonzern. Die Partnerschaft mit Boehringer Ingelheim wurde 2004 gestartet und 2009 um das Onkologie-Programm erweitert. Mittlerweile arbeiten nach Lanthalers Angaben bei beiden Unternehmen je mehr als 50 Wissenschaftler an frühen Projekten.

Doch nicht nur mit Boehringer Ingelheim und Genentech unterhält Evotec Allianzen. Auch beispielsweise Pfizer, Roche und Ono Pharmaceutical sind mittlerweile Partnerunternehmen. "Wir haben mittlerweile ein sehr großes Portfolio an Partnerschaften und Allianzen geschaffen, die das Unternehmen aus den verschiedensten Richtungen nach oben heben können", erklärte der Manager. Evotec sei dabei auf gutem Weg, die Profitabilität wie geplant spätestens 2012 zu erreichen, sagte Lanthaler. Das Unternehmen wolle doppelt so schnell wachsen wie der Markt und strebe ein jährliches Umsatzwachstum von mindestens 15% an, bekräftigte er. 2010 sollen Erlöse von 48 Mio bis 50 Mio EUR erzielt werden. Das operative Ergebnis soll sich im Vergleich zum vorjährigen Minus von 42 Mio EUR "signifikant" verbessern. "Es schaut derzeit sehr gut aus, dass wir die Jahresprognose auf jeden Fall erreichen werden", sagte Lanthaler. Die positive Entwicklung aus dem ersten Quartal habe sich im zweiten Quartal fortgesetzt.

Um nachhaltig profitabel zu werden hat das Unternehmen im Zuge der Aufgabe der meisten eigenen Forschungsprojekte auch seine Aufwendungen für Forschung- und Entwicklung stark zurückgeführt. 2009 war der Aufwand bereits auf 20,9 (42,5) Mio EUR halbiert worden, 2010 ist eine erneute Halbierung auf etwa 10 Mio EUR vorgesehen. Das sei immer noch viel Geld, meinte Lanthaler. "In einer ganz frühen wissenschaftlichen Phase 10 Mio EUR auszugeben kann signifikant mehr Fortschritt bedeuten als 40 Mio EUR in ein Phase-III-Projekt zustecken".

Aus der eigenen Pipeline von Evotec stammt beispielsweise das Wirkstoffprogramm EVT-100, das mittlerweile in eine strategische Produktentwicklungsallianz mit Roche überführt wurde. Mit dem Start der klinischen Phase II in der Indikation Behandlungsresistente Depressionen rechnet Lanthaler Ende Juni. Derzeit würden die ersten Patienten rekrutiert, erklärte er. Die Studie wird von Evotec durchgeführt, Roche übernimmt jedoch die gesamten Kosten der Phase-II-Entwicklung. "Wenn wir die gesamten Kosten der Phase-II-Entwicklung hätten alleine stemmen müssen, wäre nur noch sehr wenig Geld für andere Forschungsgebiete übrig gewesen", sagte Lanthaler.

Auch bei den 4 bis 6 eigenen Entwicklungsprojekten strebt Evotec Partnerschaften an, sieht sich dabei aber nicht unter Zeitdruck. Das Unternehmen habe in den letzten Quartalen seine Performance deutlich verbessert. "Wir können jetzt auf gleicher Augenhöhe und aus einer strategisch starken Situation über unsere Assets mit Partnern verhandeln", so der Manager. "Ich stehe dabei nicht unter Zeitdruck, habe es aber gerne, wenn ich Erfolge liefere", meinte er.

Akquisitionen wollte der Manager für die Zukunft nicht ausschließen. "Um langfristig Wachstum zu generieren, müssen wir auch Akquisitionen tätigen", sagte er. Zwar wolle Evotec vor allem organisch wachsen, das Unternehmen habe aber bereits im letzten Jahr mit zwei kleineren Zukäufen bewiesen, dass es akquirieren und integrieren könne. Das Unternehmen habe die Verpflichtung, alles was im Hochtechnologie-Servicebereich und im Wissenschaftsbereich zu neuen strategischen Allianzen führen könne oder die Möglichkeit biete noch schneller targets zu finden, zu prüfen, erklärte er. "Wir sind immer aktiv auf der Suche", ergänzte er.

Dass Evotec selbst zum Übernahmeziel werden könnte, wollte Lanthaler nicht gänzlich ausschließen. "Diese Industrie zeichnet sich derzeit durch einen relativ hohen Konsolidierungstrend aus", erklärte er. So sei beispielsweise der Marktführer Wuxi PharmaTech mit Sitz in Schanghai kürzlich von Charles River übernommen worden. "Ich glaube aber, es wäre für uns nicht shareholder-optimal bevor man überhaupt an den Punkt der Profitabilität nachhaltig gekommen ist, das Unternehmen wieder in andere Hände zu geben", sagte er.

Webseite: www.evotec.com - Von Heide Oberhauser-Aslan, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 29 725 113, heide.oberhauser@dowjones.com DJG/hoa/kla

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