von Hadi Stiel, freier Journalist aus Bad Camberg
Die IT-Strukturen in den Unternehmen stehen aktuell unter hohem Druck: Mobile, Social Media, Cloud Computing und Big Data sind nur die wichtigsten Technologien der Quadriga, die zu Umbrüchen in den IT-Landschaften führen. Das Analystenhaus Gartner sieht mit dem Eindringen neuer Technologien in die Unternehmens-IT eine wahre Explosion an Daten, Zugriffen und Nutzungsweisen einhergehen. Was angesichts dieses gravierenden Wandels in den Unternehmen meist vernachlässigt wird, sind die Managementwerkzeuge, die konvergierenden Technologien und Prozesse als Ganzes in den Griff zu bekommen und auf Dauer im Griff zu behalten.
TechConsult alarmiert in seiner aktuellen Studie. Danach waren 75 Prozent aller untersuchten deutschen Unternehmen von signifikanten Ausfällen innerhalb ihrer zusehends komplexeren IT betroffen. "Wenn sich nicht mehr zusammenfügt, was zusammengehört, droht die IT-Infrastruktur als unmittelbare Basis für die Geschäftsprozesse und damit für die Wertschöpfung in eine gefährliche Schieflage zu geraten", warnt Joachim Hörnle, Geschäftsführer von Blue Elephant Systems. Er kann sich das Sparen am falschen Ende, einem umfassenden IT-Management, nur dadurch erklären, dass in vielen Unternehmen die Kostenfolgen von Ausfällen und geschäftsprozesshemmenden Performance-Verlusten weiterhin nicht analysiert und quantifiziert werden. "Und dies, obwohl der Markt leistungsfähige Werkzeuge bietet, um zumindest die theoretischen Kosten dingfest zu machen", fügt er hinzu.
Marktforscher Gartner räumt angesichts des Wandels innerhalb der Unternehmens-IT dem IT-Infrastruktur- und Operations-Management eine stark wachsende Bedeutung bei. Die strategische Stoßrichtung eines solchen IT-Managements haben die Gartner-Strategen gleich mit ausgemacht: Sie helfe den Entscheidern, eine höhere Wertschöpfung aus bestehenden Technologien und Prozessen zu ziehen, gleichzeitig neue, notwendige Technologien und Prozesse zu implementieren. Das Analystenhaus IDC macht einen weiteren Treiber zur vorsorglichen Errichtung eines umfassenden IT-Managements aus, dass sich eng am Bedarf der Fachabteilungen orientieren sollte: Es sei vonnöten, um die Standardisierung und Automatisierung nicht nur auf Infrastruktur- und Applikationsebene, sondern bis tief hinein in die Organisation voranzutreiben. Besonders gefordert ist nach IDC ein professionelles IT-Management von Prozessen und Service Level Agreements (SLAs), aber auch von anstehenden Umstrukturierungen.
Unternehmen auf die Cloud nicht vorbereitet
Die Realität in den meisten Unternehmen sieht anders aus. "Die bestehenden IT-Management-Werkzeuge sind nur selten ganzheitlich auf die Überwachung und Steuerung von dynamischen virtuellen Umgebungen und Cloud Services ausgerichtet", stellt Hörnle ernüchtert fest. Die Folgen: "SLAs werden nicht eingehalten, allseits gibt es Integrationsschwächen, externe Cloud basierende Services interagieren nur unzureichend mit internen IT-Systemen, Fehlerfälle bis hin zu Ausfällen in dynamischen virtuellen Umgebungen häufen sich." In solche Risiken liefen die Unternehmen schon deshalb vermehrt hinein, weil der IT-Vernetzungsgrad und somit die Komplexität der IT und aller damit verbundenen Prozesse zunähme. Hörnle rüttelt die Entscheider angesichts der heraufziehenden Gefahren und Risiken auf: "Die IT und die Unterstützungsprozesse werden mit dem Reifegrad der Überwachung stehen oder aber fallen."
Der Herangehensweise, den anstehenden Herausforderungen wie bisher mit einer Multi-Tool-Taktik zu begegnen, erteilt er eine glatte Absage. Sie hinterlässt nach seiner Einschätzung bis auf Geschäftsebene hinauf gravierende Integrations- und Funktionslücken. "Der Einsatz vieler Teilwerkzeuge geht weder aus Kosten- und Leistungssicht noch zur Risikominimierung für das Unternehmen auf." Auch von einer kostensparenden Automatisierung ständig wiederkehrender Managementaufgaben könnten sich die Entscheider mit einer punktuellen Multi-Tool-Strategie auf Dauer verabschieden, so der Geschäftsführer von Blue Elephant Systems. Eine Absage erteilte Hörnle zudem IT-Management-Werkzeugen aus der Open Source-Ecke. "Sie erscheinen nur auf den ersten Blick aufgrund der Offenheit des Quell-Codes und der fehlenden oder geringen Lizenzkosten als interessante Alternative." In der Summe sieht er bei diesen Managementwerkzeugen mehr Nach- als Vorteile: "Eine aufwendigere Administration, lange Fehlerzyklen, eine teils schlechte Dokumentation, ein komplexer, langwieriger Wissenstransfer, hohe Supportkosten sowie aufwendige funktionale Erweiterungen und Anpassungen."
Ulrich Pöhler, Principal Consultant bei Materna, weiß aus der Projektierungspraxis: "Open-Source-Lösungen sind in einigen spezialisierten Teilbereichen angebracht, somit, Stand heute, nur Nischenlösungen." Als Beispiel dafür nennt er Nagios für das Monitoring, das nur einen kleinen Ausschnitt der rechenzentrumsnahen Prozesse abdecke. Auch Hypervisoren auf Open-Source-Basis seien als Teillösungen durchaus verbreitet. "Kommerzielle Plattformen, beispielsweise von Microsoft, BMC, HP oder NetApp, sind in der Regel besser geeignet, die wachsenden Managementanforderungen innerhalb der Unternehmens-IT besser zu erfüllen", unterstreicht Pöhler. Solche eher ganzheitlich aufgestellten Integrationsplattformen seien schon deshalb die bessere Managementlösung, weil nur über sie die vermehrt hoch integrierten Prozesse innerhalb der Unternehmens-IT abgebildet und gemanagt werden könnten.
Rüdiger Both, mit mehr als dreißig Jahren Consulting-Praxis und zuletzt Geschäftsstellenleiter bei Komteamer in München, sieht allerdings auch umfassende IT-Management-Ansätze teils an ihre Grenzen stoßen. "Sie haben zwar den Vorteil, dass sie alle so genannten Standard-(Software-)Produkte eines Unternehmens bedienen." Dieser Vorteil käme aber nur dann zum Tragen, wenn zur Einsatzreife und danach über die Zeit kaum etwas am IT-Management-System modifiziert werden müsse. Beispielsweise sind Automobilhersteller nach Both besser beraten, für jeden Fahrzeugtyp eine separate Managementplattform einzurichten. "Mit dieser Strategie sind die eingesetzten Managementtechnologien und -funktionen einfacher, schneller und besser anpassbar", weiß Both aus seiner langjährigen Consulting-Praxis. Ebenso wenig sei eine umfassende IT-Management-Plattformen für Unternehmen mit Niederlassungen geeignet, in denen stark divergierende Planungs- und Fertigungsprozesse abliefen.
Management hybrider Konstellationen
Blue Elephant Systems-Geschäftsführer Joachim Hörnle sieht auch durch den Trend Cloud-Computing und Outsourcing den Bedarf an ein umfassendes IT-Management, speziell an ein umfassendes IT-Monitoring wachsen. "Unabhängig davon, ob ein IT-Dienst aus dem Serverraum nebenan oder von einem Drittanbieter Tausende von Kilometern entfernt erbracht wird: Was zählt, ist die Fähigkeit, die Anwendungs- und Systemleistungen mit wenig Aufwand zielgerichtet zu überwachen und zu analysieren", erklärt er. Unabhängig davon, ob es sich um Installationen im Unternehmen oder Cloud-basierende Komponenten beim Dienstleister handele: "Der Betrieb über alle Server, Anwendungen und Dienste muss ganzheitlich und damit effektiv und effizient zugleich sichergestellt werden."
"Solche hybriden Konstellationen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen gut darstellbar", schränkt Ulrich Pöhler, Principal Consultant bei Materna ein. So ließen sich nur Dienste in eine externe Cloud auslagern, wenn der Dienstleister selbst über die geeigneten Mechanismen verfüge, die ausgelagerten Dienste vollständig zu managen. Darüber hinaus müsse auch auf Dienstleistungsseite sichergestellt sein, dass die erbrachten Dienste hinreichend definiert, auf den Unternehmenseinsatz hin designt und für die Übernahme der Dienste in die unternehmenseigene IT-Infrastruktur verbindliche Übergabepunkte definiert sind. "Als adäquate Übergabeschnittstellen eignen sich beispielsweise Building Blocks", so Pöhler. Er verweist zudem auf einen für beide Seiten verbindlichen Servicekatalog mit der Dienstebeschreibung, der vorhanden sein muss und an den sich beide Seiten halten müssen. "Beide Aufgabenstellungen, Übergabepunkte mittels Building Blocks und Servicekatalog, können mit Hilfe TOGAF (The Open Group Architecture Framework) umgesetzt werden."
Rüdiger Both macht weitere Voraussetzungen für ein funktionierendes Zusammenspiel zwischen unternehmenseigener IT und der IT des Cloud-Dienstleisters aus: Nur bestimmte kompetente Personen dürfen nachweislich Zugriff auf die Cloud haben, um sie mit Inhalten zu befüllen und diese Inhalte freizugeben." Ein Zusammenspiel von interner IT und extern bezogenen Cloud-Diensten sei per se nicht gegeben. Es kann nach Both abseits von den installierten Technologien, genutzten Werkzeugen und erbrachten Diensten nur durch geeignete Know-how-Träger sichergestellt werden. (rw)