Michael Kaack: "der Patriarch" in Dornach

21.02.2002
Ingram Macrotron feiert: Deutschlands führender IT-Großhändler wurde 30 Jahre alt. Die Erfolgsgeschichte des Dornacher Distributors und die Karriere des Vorstandsvorsitzenden sind eins: Seit 22 Jahren leitet Michael Kaack die Geschicke des Unternehmens. Höchste Zeit für einen Blick hinter die Kulissen.

Am 18. Februar knallten bei Deutschlands führendem IT-Großhändler die Korken: Ingram Macrotron feierte seinen 30. Geburtstag. Schulterklopfen gab es vor allem für Michael Kaack, denn die Erfolgsgeschichte des Distributors ist untrennbar mit seinem Namen verbunden. Seine Mitarbeiter bezeichnen ihn entweder als "den Patriarchen" oder als "Herz des Unternehmens". Kennen tun sie ihn alle. Die meisten sogar persönlich. "Machen Sie doch ein Foto von ihm vor unserem Gebäude", sagt einer, "ohne Kaack gäbe es diese Firma in der Form nämlich nicht."

Das hört der Vorstandsvorsitzende gern. An der Wand in seinem Büro hängt der "IM Azubi-Oskar", eine Auszeichnung, die Kaack von seinen Lehrlingen für "die Unterstützung bei der beruflichen Ausbildung" bekommen hat. Auf dem Regal gegenüber stehen die Bierkrüge, die sich bei den jährlichen Isar-Floßfahrten mit der Crew angesammelt haben. Das Bunteste in dem Raum ist ein modernes Gemälde: Es zeigt zwei Füße in weißen Turnschuhen. Sie liegen über Kreuz auf einem Schreibtisch.

Entspannung von den Verrücktheiten dieser Branche

Entspannung und Ruhe - beides holt sich der Manager bei seiner Familie. Mit Frau und Kindern pflegt er ein "Frühstücksritual", die gemeinsamen Wochenenden sind ihm heilig. Zwei bis drei Nächte bleibt er in München, wenn es wieder mal spät wird in der AG. Doch nur zu Hause in Bayrischzell ist er mit sich selbst im Reinen: "Viel Grün, ein rauschender Bach - wir leben da auf dem Land. Das ist eine gute Entspannung von den Verrücktheiten dieser Branche."

Waltraud Hofmann ist "Chief Executive Assis-tent", die Assistentin des Vorsitzenden und damit die wohl zweitwichtigste Frau in Michael Kaacks Leben. Mit ihr geht er jeden Morgen die anfallenden Termine, Telefongespräche und Meetings durch. Sie organisiert seinen Tag. Für die Mitarbeiter des Konzerns stehen die Türen von Kaacks Büro - zumindest symbolisch - immer offen. Wer von außen zum Vorstandsvorsitzenden will, muss aber erst an Waltraud Hofmann vorbei. Sie sagt: "Er ist der beste Chef, den ich je hatte. Er ist so menschlich."

Als Kaack anfing, verkauften sie noch Testsysteme

Zu Beginn von Kaacks Karriere bei dem Distributor im Jahr 1980 hieß der Laden noch Macrotron GmbH. Kaack hat die Entwicklung vom Halbleiter-Testsystem-Spezialisten zum Dru-cker-Disti und Broadliner mitgetragen, war beim Börsengang ebenso dabei wie bei der Übernahme durch Tech-Data und dem anschließenden Verkauf der Firma an Ingram Micro (siehe Kasten). Als Vorsitzender der AG ist er heute für die Entwicklung der zentraleuropäischen Aktivitäten und die Neuwieder Ingram-Micro-Tochter Compu-Shack verantwortlich und treibt neuerdings auch das Netzwerkgeschäft in Europa voran (siehe ComputerPartner 48/01, Seite 10).

In den Anfangszeiten hat er noch persönlich um jeden großen Lieferanten gekämpft, obwohl er eigentlich für Strategien und nicht für den Vertrieb zuständig war. Damals, als man sich unter seiner Leitung erstmals weg von den Halbleiter-Testsystemen hin zum boomenden Druckermarkt orientierte. Drei Mal sei er beispielsweise zu Hewlett-Packard gepilgert, bevor die Böblinger sich auf Macrotron als Exclusiv-Disti für ihren ersten Laserdrucker einlassen wollten, erzählt Kaack. "Ich war sehr hartnäckig. Irgendwann haben sie dann begriffen: Wir beliefern Händler, von deren Existenz sie noch nicht mal wussten." Er grinst: "Wir haben SMB (Small-Medium-Business) schon praktiziert, da gab es den Ausdruck noch gar nicht."

Und weil "damals" so ein Drucker noch um die 14.000 Mark gekostet und die Ausmaße eines Fernsehers sogar noch übertroffen hat, ist man geneigt, Kaack als ein "Urgestein" der Branche zu bezeichnen. Das hört er nicht so gern. Es klingt schließlich irgendwie auch nach "altem Eisen": "Ich gehe noch lange nicht in Rente. Schließlich habe ich gerade zwei große Projekte übernommen."

Ende 2001 hat er den IM-Newcomer Gerhard Schulz als neuen Sprecher der Geschäftsführung vorgeschlagen. Dass man ihm das süffisant als ersten Schritt in den eigenen Ruhestand ausgelegt hat, ärgert ihn: "Sie müssen nun mal Aufgaben aus der Hand geben, wenn Sie weiter sicher auf zwei Beinen stehen wollen."

Der Chef lässt die Crew warten

Ohne den Vorstandsvorsitzenden geht bei Ingram Macrotron nichts, er ist der Boss, den niemand in Frage stellt. Der "Patriarch" lässt die Crew beim Planungsmeeting 20 Minuten warten. Er kommt mit Krawatte, ohne Jackett, scherzt mit dem Finanzchef und dem Hausjuristen. Es geht um die Veröffentlichung der vorläufigen Zahlen, die Zeitplanung für die Hauptversammlung 2002. Kaack bittet um Vorschläge zu den einzelnen Punkten, hört aufmerksam zu, unterbricht keinen der Mitarbeiter, lächelt. Und dann schweigt er. Die Anwesenden nehmen Haltung an. Schon dass er irgendwann etwas sagt, ist für die anderen eine Erlösung.

Raucherpause der Mitarbeiter auf der Terrasse. "Wissen Sie, früher, vor ein paar Jahren noch, da wurde er schon mal laut, wenn was schiefgelaufen ist", sagt ein Vertriebsmitarbeiter. "Aber heute kann ihn nichts mehr erschüttern." Es klingt fast wie eine Entschuldigung. Weil es doch eigentlich nicht wahr sein kann, dass dieser Mann auch mal einen schwachen Moment hatte.

Immerhin: Laster hat er ganz sicher keine. Kaack hat das Rauchen schon vor Jahren aufgegeben. Auch ein Glas Wein erlaubt er sich nur selten. Stattdessen trinkt er Apfelschorle und hängt an der Strippe: "Wenn ich hier bin, laufen 80 Prozent der Gespräche übers Telefon." Er telefoniert mit der "Claudia" und dem "Toni", man verabredet sich locker für Brüssel oder Warschau, man kennt sich, man sieht sich. Seit sich Michael Kaack um das europaweite Netzwerkgeschäft und den Markt in Osteuropa kümmert, ist er viel unterwegs. "Die Konkurrenz schwächelt, wir wollen das auffangen", sagt Kaack.

Alle zwei Wochen kontaktiert er die einzelnen Geschäftsführer, alle zwei Monate fährt er persönlich hin, um über Ergebnisse und Strategien zu sprechen. Kontrolle will er das nicht nennen: "Ich versuche, meinen Geschäftsführern zu helfen. Es ist mein Job, sie zu unterstützen. Wenn es profitabel läuft, nützt das auch mir."

Der Vorstandsvorsitzende gibt das Ruder nicht aus der Hand - er scheint weiter davon entfernt denn je. Denn andere Angebote, die hat es reichlich gegeben in den zurückliegenden 22 Jahren, bestätigt Kaack. Und sagt: "Eines davon, das hat mich wirklich gereizt." In der Branche ist es ein offenes Geheimnis, dass es 1997 der Otto Versand war, der an Kaacks Tür klopfte. Damals wurde Macrotron von Tech Data übernommen. "Es war eine Zeit des Umbruchs. Da wollte ich nicht gehen. Ich wollte nicht, dass irgendjemand den Eindruck bekommt, ich verlasse ein instabiles Schiff."

Nie wieder abhängig sein

Das erste richtige Straucheln, das hat dem Distributor seinerzeit der große Partner Hewlett-Packard verpasst: "Es gab Zeiten, da machten wir 60 Prozent unseres Umsatzes mit HP." Der Hersteller kam auf den Geschmack und nahm überraschend vier beziehungsweise fünf weitere Kontrahenten aus der Disti-Szene mit an Bord, erzählt Kaack. Natürlich habe man da einen Einbruch erlitten. "Ich habe daraus gelernt: Wir werden nie wieder von einem großen Lieferanten oder einem großen Kunden abhängig sein. Man muss jede Krise einfach nutzen, um in die Zukunft zu schauen." (mf)

www.ingram-macrotron.de

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