Partners-in-Europe-Forum: Streit um hohe Zertifizierungskosten

02.10.2003
Oft sind kostspielige Qualifizierungen und Zertifizierungen notwendig, wenn ein Fachhändler an den PremiumProgrammen der Hersteller teilnehmen will. Kein Wunder, dass beim Partners-in-Europe-Forum zum Thema "Qualifizierung und Zertifizierung" die Frage im Mittelpunkt stand, wer die teure Aus- und Weiterbildung der Partner bezahlen soll.

"Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld" - das alte Schunkellied hätte gut zum erstem Partnersin-Europe-Forum "Qualifizierung und Zertifizierung des ITK-Fachhandels" gepasst, das der TK-Distributor in München veranstaltete. "Wir wollen mehr kommunizieren und weniger interpretieren", gab PIE-Vorstandsvorsitzender Michael Padberg als Motto aus.

Die Kommunikation der elf Diskussionsteilnehmer über das Thema gestaltete sich zunächst wenig kontrovers. Für ein Streitgespräch vor rund 80 Fachhändlern aus ganz Deutschland und aus Österreich waren sich die Damen und Herren viel zu einig. "Es gibt niemanden, der Qualifizierung und Zertifizierung nicht für notwendig hielte", brachte es Günter Pruner auf den Punkt. Er ist bei Siemens ICN Enterprise Networks weltweit für Qualifizierung und Zertifizierung verantwortlich. Vor allem der "Konvergenzboom", den Pruner ausgemacht haben wollte, mache die Weiterbildung so wichtig: "Der klassische TK-Fachmann muss die IT-Welt kennen lernen und umgekehrt."

Dem wollten die Fachhändler auf dem Podium auch gar nicht widersprechen. "Es fehlt an der Ausbildung", sagte Roland Holzinger, Geschäftsführer von H&W Protel. In dieselbe Kerbe schlug Horst Keitel, Chef von MTG-Kommunikations-Technik und Vorsitzender des VAF (Verband für Aufbaufirmen von Fernmeldeanlagen): "Die Händler müssen Farbe bekennen, sich zertifizieren lassen und sich für ein Produkt entscheiden."

Doch woher das Geld nehmen, um die meist kostspieligen Qualifizierungsprogramme der Hersteller zu bezahlen? Juergen Kirchmann, Vertriebsleiter bei Alcatel, hatte für diese Frage prinzipiell kein Verständnis: "Qualifizierung und deren Nachweis sind wichtige Leistungsmerkmale, um dem Kunden Qualität garantieren zu können." Dem pflichtete auch Pruner bei: "Das sind keine Kosten, sondern Investitionen!"

Das sahen die Fachhändler im Publikum dann doch anders: "Investition heißt für mich, ich kann die Kosten weitergeben", so ein Zuhörer. Und genau dies sei derzeit nicht der Fall. "Es wird nur auf den Preis geschaut", gab auch Holzinger zu. Eine Zertifizierung von Kunden forderte gar ein Besucher: "Das sind alles Mitglieder von Kammern, und trotzdem sind sie sehr schlecht geschult." Doch an den Kammern liege das nicht, wie Peter Driessen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK München und Oberbayern, betonte: "Wir sind den Leuten mit unseren Bildungsangeboten nachgelaufen, haben uns fast prostituiert." Mit offensichtlich wenig Erfolg: "Uns ging es wie den ersten Missionaren, wir mussten froh sein, dass wird nicht gefressen wurden."

Schwere Vorwürfe gegen Direktvertrieb

Kurz vor Schluss der Diskussion brachte ein Zuhörer aus dem Publikum ein ganz anderes Thema aufs Programm: "Ich wundere mich, dass hier nicht über die wirklichen Probleme gesprochen wird", sagte der Mitarbeiter eines Distributors. Täglich höre er Klagen von den Fachhändlern: "Wir machen Angebote, und dann kommt der Direktvertrieb und unterbietet uns um 30 Prozent."

Natürlich wollten die auf dem Podium vertretenen Hersteller dies so nicht stehen lassen. "Wir haben in Deutschland gar keinen Direktvertrieb mehr", erklärte Kirchmann. Der Hersteller hatte 2002 seine gesamte Vertriebs- und Serviceorganisation verkauft, die nun als Nextira One firmiert. Dass Nextira als größter Partner aber bessere Preise bekommt, gab auch der Alcatel-Vertriebsleiter zu: "Die Preise sind unterschiedlich, weil die Volumina unterschiedlich sind." Man werde aber keinen Partner so positionieren, dass er andere dauerhaft um 30 Prozent unterbieten könne. Schließlich versprach er den Händlern noch, sich persönlich für den gerechten Wettbewerb einzusetzen: "Jeder kann meine Visitenkarte bekommen und mir Fälle von Dumping-Preisen melden."

Stellvertretend für den Siemens-Vertrieb machte Pruner das gleiche Angebot: "Das ist nicht Teil unseres Konzeptes, wir werden solchen Dingen nachgehen", sagte er. Den Siemens-Direktvertrieb in Schutz nahm der MTG-Chef Keitel: "Wir haben diese Vorwürfe untersucht und haben festgestellt, dass der Direktvertrieb mehr als drei Viertel aller Aufträge nach den Vorgaben des Stammhauses abwickelt." Verantwortlich für Dumping-Angebote seien die Niederlassungsleiter, die Nachlässe über Service- und Wartungsverträge finanzierten.

www.partners-in-europe.de

ComputerPartner-Meinung

Dass man nie gut genug ausgebildet, qualifiziert und zertifiziert sein kann, ist klar. Den Fachhändlern wachsen jedoch die Kosten für immer neue "Gold"-, "Premium-" und "Super-Premium"-Programme über den Kopf. Die Hersteller müssen deshalb wenigstens den umsatzstarken Partnern eine Zertifizierung zu geringen Kosten ermöglichen, wenn sie diese nicht kaputt qualifizieren wollen. (haf)

Zur Startseite