RFID: Revolution oder ein Schreckgespenst ?

05.07.2007
Von Robert Schoblick
Kaum eine Technologie ist heute derartig umstritten wie Radio Frequency Identification (RFID), doch RFID ist weder eine neuartige technologische Revolution noch ein Schreckgespenst, sondern hat ein ausgereiftes Stadium erreicht, wie RFID-Spezialist Robert Schoblick erklärt.

Kritiker der RFID-Technologie postulieren den gläsernen Menschen und sehen darüber hinaus schädliche Einflüsse auf die Umwelt. Wie viel Sondermüll gäbe es, wenn jeder Joghurtbecher mit einem RFID-Tag ausgerüstet wäre? Nicht alle Bedenken sind freilich unbegründet, doch es ist im Interesse der Branche, gemeinsam mit Kritikern daran zu arbeiten und die Risiken zu minimieren. Beispiel Umwelt: Hersteller von Transpondern forschen unentwegt auch an neuen geeigneten Materialien für die Herstellung der Tags und tragen somit sowohl zur besseren Umweltverträglichkeit als auch zur Kostensenkung bei. Besonders im Bereich der Logistik setzen moderne RFID-Lösungen deutliche Zeichen: Frachtrouten können effektiver ausgelastet und damit Umweltbeeinträchtigungen durch den Transport der Güter minimiert, Kosten durch effektive Disposition und Wartezeiten an den Ladestellen für das oft unter hohem Druck stehende Personal deutlich gesenkt werden. Hinsichtlich der Datenschutzbedenken ist also Aufklärung von großer Wichtigkeit. Einen ersten Schritt dahingehend wird dieser Beitrag sein, der darstellt, was RFID eigentlich ist und wo diese Technologie bereits heute sinnvoll zum Einsatz kommt.

Die Sache mit den Reichweiten

Einige Tagesmedien haben in den letzten Jahren spektakuläre Meldungen publiziert: "Es sei gelungen, einen Transponder in einem Sicherheitsausweis auf eine Distanz von 50 Metern auszulesen." Noch vieles mehr schürte - ohne Hintergrundwissen - unnötige Ängste in der Bevölkerung und damit letztlich auch bei potenziellen Nutzern der RFID-Technologie. Auf rein passive Transponder bezogen, kann die oben genannte Meldung aus technischen Gründen bereits gar nicht den Tatsachen entsprechen, denn Zugangssicherungsausweise und auch RFID-Tags in fälschungssicheren Reisepässen et cetera sind ausschließlich für den Nahfeldeinsatz (Close Coupling Tags) konzipiert. Es ist also eine direkte und wissentliche Interaktion erforderlich, um die auf dem Tag gespeicherten Daten auszulesen. Ein unbemerktes Auslesen der Passdaten, die auf dem Chip gespeichert sind, ist somit - zumal diese zusätzlich verschlüsselt darauf abgelegt sind - unmöglich.

Für elektronische Kassensysteme und für die Diebstahlsicherung kommen dagegen Remote Coupling Tags zum Einsatz. Sie arbeiten im Bereich bis zirka 1,50 Meter. Es handelt sich hierbei - ebenso wie bei den Close Coupling Tags - um rein passive Transponder. Sie beziehen ihre Energie ausschließlich aus dem Feld der Leserspulen beziehungsweise Antennen, haben aber selbst keine eigene Batterie.

In der Logistik haben diese im Fokus der Kritik stehenden Close- und Remote-Coupling-Systeme jedoch keine beziehungsweise nur eine untergeordnete Bedeutung. Hier kommen sogenannte Long-Range-RFID-Systeme zum Einsatz, die durchaus über vergleichsweise große Distanzen gelesen und beschrieben werden können. Auf diese Weise können ganze Container und Eisenbahnwaggons automatisch verwaltet und die Warenumschläge erheblich beschleunigt werden. Insbesondere an den Ladetoren lassen sich die Arbeitsprozesse durch RFID enorm beschleunigen. Angelieferte Waren können - noch auf den Paletten liegend - im Pulk von der IT erfasst und im Wareneingang verbucht werden. Ebenso lassen sich Warenausgänge auf die Sekunde genau erfassen und dem Spediteur beziehungsweise nach der Auslieferung dem Empfänger zuschreiben.

Funktionsweise von RFID - ein Beispiel

In der Logistik oder bei elektronischen Mautsystemen wie beispielsweise in Österreich kommt man mit den begrenzten Reichweiten der technisch einfach realisierbaren Remote-Coupling-Lösungen nicht mehr aus, denn es werden größere Reichweiten von bis zu mehreren zehn Metern benötigt. Neben den sogenannten aktiven Transpondern, die mit einer eigenen Stromversorgung arbeiten, jedoch recht aufwendig und teuer sind, kommen hier vorzugsweise passive Transponder mit bedarfsweise aktivierten Stützbatterien zum Einsatz. Beide Modelle sind deshalb nicht auf die Energie des Reader-Feldes angewiesen. In der Logistik erweisen sich insbesondere die letzteren - passiven - Typen als wirtschaftlichste und dennoch langlebige Lösung, weshalb auch Intermec auf passive Transponder setzt. Um die in der Logistik geforderten großen Reichweiten zu überwinden, erinnert man sich an die Grundlagen der Radartechnologie und setzt auf das Modulated Backscatter-Verfahren.

Das Prinzip: Ist ein Körper mindestens halb so groß wie die Wellenlänge, werden elektromagnetische Wellen an ihm reflektiert. Ideale Reflektoren sind darüber hinaus in Resonanz mit der Betriebsfrequenz befindliche Schwingkreise. Ähnlich der Lastmodulation lassen sich also auch durch gezielte Verstimmungen eines Schwingkreises unterschiedlich starke Reflexionen bewirken.

Allerdings ist beim Backscatter-Verfahren der Aufbau des Readers recht komplex. Dieser muss trotz seines eigenen Sendesignals, welches einen sehr hohen Pegel aufweist, das extrem schwach reflektierte Signal des Transponders erkennen und isolieren können. Hier kommen sogenannte Richtkoppler zum Einsatz, mit denen das eigene Sendesignal im Empfänger nahezu vollständig unterdrückt wird. Übrig bleibt am Ausgang des Richtkopplers ausschließlich das vom Transponder reflektierte modulierte Signal. Allein hier wird deutlich, welch komplexe Technologie beispielsweise in den vergleichsweise kleinformatigen Geräten von Intermec steckt.

Der Nachteil dieser Technologie ist allerdings, dass der Transponder nicht direkt aus dem Reader-Feld mit Energie gespeist werden kann. Es handelt sich in diesen Fällen entweder direkt um aktive Tags oder um Transponder mit einer Stützbatterie, mit der lediglich die Verstimmung des Schwingkreises beziehungsweise die Datenübermittlung gesteuert wird. Damit diese Stützbatterie eine möglichst große Lebensdauer hat, sorgt eine Sparschaltung dafür, dass der als Tag bezeichnete Transponder in der Umgebung eines geeigneten Reader-Feldes aktiviert wird.

RFID-System

Ein Reader und ein Transponder, der an einer Ware klebt, machen zusammen noch kein RFID-System. Es fehlt noch eine dritte sehr wichtige Komponente: ein Datenverarbeitungssystem. Zwar können RFID-Transponder, die in der Logistik eingesetzt werden, heute bereits ein gewisses Datenvolumen speichern, jedoch ist für eine effektive Arbeit eine umfangreiche IT-Infrastruktur das A und O. Wichtig ist dabei im Besonderen, dass die Daten möglichst in Echtzeit verarbeitet werden.

In der vordersten Linie stehen in der Logistik mobile Computer wie beispielsweise Handhelds mit einem RFID-Reader. Intermec hat entsprechend den Anforderungen der Logistikbranche spezielle mobile Computer entwickelt, die wie der CN3 und die Intermec-700er-Serie handlich klein und tragbar sind oder wie der CV30 direkt an einen Gabelstapler adaptiert werden können und per WLAN in das zentrale IT-System integriert sind. Der Lagerarbeiter kann seine Aufgaben so sehr flexibel verrichten, und der Warenumschlag wird nahezu automatisch im System erfasst.

RFID-Frequenzen

Einen einheitlichen Standard für RFID gibt es nicht. Vielmehr sind verschiedene Systeme am Markt erhältlich, die nach unterschiedlichen Verfahren in unterschiedlichen Frequenzbereichen arbeiten. Auch müssen diesbezüglich die jeweiligen Grenzen der nationalen Frequenzhoheiten beachtet werden.

Man kann RFID-Technologien bezüglich der Betriebsfrequenz grob in folgende Bereiche unterscheiden:

Low Frequency (30 kHz bis 500 kHz) für Kfz-Wegfahrsperren und Tieridentifikation etc.

High Frequency (10 MHz bis 15 MHz) für Smart Label an Waren im Einzelhandel

Ultra High Frequency (865 MHz bis 956 MHz) in der Logistik

Super Ultra High Frequency (2,4 GHz bis 2,5 GHz sowie 5,8 GHz) für Mautsysteme etc.

In der Logistik haben sich RFID-Lösungen im UHF-Band etabliert. Allerdings ist dieser Bereich für die Konzeption international einsetzbarer Systeme besonders kritisch. Beispielsweise wird in Europa eine Betriebsfrequenz von 865 MHz beziehungsweise 868 MHz genutzt, in den USA dagegen 915 MHz. Die Frequenz 866 MHz hier zu Lande ist für messtechnische Anwendungen (zum Beispiel Funk-Wetterstationen) reserviert, was für einen Störnebel sorgt. Intermec bietet seine Lösungen für den internationalen Einsatz an - also auch in den USA - und unterstützt beide Frequenzbänder. Interoperabilitätsprobleme im globalen Warenverkehr sind damit von vornherein ausgeschlossen.

UHF-RFID-Lösungen haben verschiedene Vorteile: Sie lassen ausgesprochen schnelle Schreib- und Lesevorgänge zu. Damit lassen sich auch Lese- und Schreibvorgänge im Pulk ermöglichen und die Transponder während der schnellen Lade- und Entladevorgänge lesen. So ist beispielsweise der Hochleistungs-Netzwerk-Reader IF30 von Intermec in der Lage, Transponder an Gütern auszulesen, die sich in einer Entfernung von bis zu 4,6 Meter am Lesegerät mit einer Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h vorbei bewegen. Darüber hinaus kann dieser Reader in Dense Reader Environments - Umgebungen, in denen sehr viele RFID-Lesegeräte betrieben werden - zuverlässig eingesetzt werden, wie sie beispielsweise an Laderampen mit sehr eng beieinander stehenden Ladetoren zu finden ist.

Standards

"Den" RFID-Standard gibt es nicht, so viel darf man bereits sagen. Das leuchtet bei der Vielfalt der verwendeten Frequenzen, der verschiedenen Betriebsreichweiten und Anwendungsgebiete auch ein. Allerdings: Insbesondere Einsatzbereiche wie die Logistik mit globaler Reichweite müssen auf Standards setzen. So werden Teilbereiche im gesamten Spektrum der RFID-Technologie standardisiert. Zwei Institutionen haben hier maßgeblichen Einfluss:

ISO - International Standardisation Organisation

EPCglobal - Electronic Product Code global

Die ISO definiert in ihrem Kompetenzbereich liegende technische Eigenschaften. Hier sind unter anderem die zu verwendenden Frequenzen und die Übertragungsprotokolle auf der Sicherungsebene zu nennen.

EPCglobal beschäftigt sich mit der Problematik der einheitlichen Produktidentifikation im internationalen Handel. Insbesondere sind hier die Anforderungen der verschiedenen Branchen - beginnend bei der Herstellung über den Transport und die Lagerung bis hin zum Verkauf der Waren zu berücksichtigen. EPCglobal liefert mit deren Definitionen vereinheitlichte Vorgaben für Produktkennzeichnungen, die in der ganzen Versorgungskette Gültigkeit haben. Damit ist es beispielsweise Hersteller A, Spediteur B und Händler C möglich, mit ein und demselben Transponder den Warenumschlag zu verwalten. Die aktuellste Definition ist EPCglobal Gen 2. HAF

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