Noch immer weiß keiner genau, warum am Dienstagabend und Mittwochmorgen mindestens neun Stunden lang keine E-Mails an US-amerikanische "BlackBerry"-Geräte weitergeleitet wurden. Der Anbieter RIM hüllt sich dezent in Schweigen.
Man "untersuche die Ursache" des Ausfalls, teilten die Kanadier lakonisch mit. Eine Firmensprecherin ließ offen, ob und gegebenenfalls wann es eine detaillierte Erklärung geben soll. Experten sind sich derweil zumindest einig, dass Research in Motion die alleinige Schuld an den Zustellungsproblemen trifft. Denn nur Datendienste (darunter E-Mail und mobiler Web-Zugriff) auf den BlackBerry-Geräten waren ausgefallen; die über Mobilfunk-Carrier bereitgestellten Services wie Telefonie und SMS funktionierten weiterhin.
Das Problem muss mithin in RIMs Network Operations Centers (NOC) gelegen haben, die als Vermittler zwischen Unternehmens-Mailservern und den Empfängern sitzen. Es beweist ferner, wie verletzlich das Netz der Kanadier geworden ist, insbesondere angesichts der wachsenden BlackBerry-Nutzerschaft. Allein im zuletzt abgeschlossenen Quartal gewann RIM gut eine Million neue Abonnenten hinzu. Die Firma aus Waterloo, Ontario, bedient nun acht Millionen BlackBerry-Nutzer - vier Mal so viele wie vor einem Jahr. Im laufenden Vierteljahr sollen bereits wieder weitere 1,125 bis 1,15 Millionen neue "CrackBerry"-Anwender gewonnen werden.
Da drängt sich der Verdacht auf, dass RIMs Netz nicht ausreichend mitgewachsen ("skaliert") ist. "Mit all dem jüngsten Nutzerwachstum wäre es nicht weiter verwunderlich, wenn sie Netzprobleme bekämen", mutmaßt Dan Taylor, Managing Director der Mobile Enterprise Alliance, einer nicht gewinnorientierten Brancheninitiative für die Mobilisierung von Unternehmensanwendungen. "Sie haben ihre Nutzerschaft in den letzten zwölf bis 16 Monaten etwa vervierfacht. Da konnte man eigentlich auf eine Panne warten. Ich bin aber sicher, dass die Leute, die das NOC fahren, auf so etwas vorbereitet waren, und dass sie daran arbeiten, das wieder zu fixen."
RIM arbeitet mit einer prinzipbedingt verletzlichen zentralisierten Infrastruktur, bei der jede BlackBerry-Mail über eines von zwei Haupt-NOCs geroutet wird, letztlich nichts anderes als große Rechenzentren. Das eine NOC steht in Kanada und versorgt die Westhalbkugel und Teile von Asien; das andere befindet sich in Großbritannien und ist zuständig für die EMEA-Region (Europa, Nahost und Afrika).
Firmen oder Carrier installieren sich einen "BlackBerry Enterprise Server", der E-Mails aus ihren Exchange- oder Domino-Mailservern über einen verschlüsselten Tunnel an eines der beiden NOCs weiterleitet. Von dort aus werden die Nutzer mit ihren Endgeräten authentifiziert und bekommen die für sie bestimmten Nachrichten auf ihren BlackBerry "gepusht".
Weil RIM die Nutzerauthentifizierung außerhalb der Firmennetze übernimmt, bleiben diese geschützt vor Hackern, die versuchen. Mailserver hinter der Firewall anzugreifen. Die IT-Abteilungen in Unternehmen müssen sich auch nicht mit mehreren Mobilfunkanbietern herumschlagen, weil RIM das mit seinen NOCs übernimmt.
Nur zwei NOCs für acht Millionen Nutzer sind auf der anderen Seite zwei zentrale mögliche Fehlerquellen. Sobald in einem oder gar beiden Rechenzentren etwas schief geht, kann es zu Ausfällen wie dem von (vor)gestern kommen. "Wann immer Traffic durch ein einziges Data Center fließt, gibt es die Möglichkeit eines katastrophalen Ausfalls", konzediert Gene Signorini, Vice President of Enterprise Research bei der Yankee Group. "Allerdings bietet RIMs Architektur für Unternehmenskunden auch jede Menge Vorteile. Das ist halt die Natur der Bestie."
Todd Kort von Gartner geht jedenfalls davon aus, dass RIM seine Probleme schnell wieder in den Griff bekommt. "RIM hat sich rasch wieder von der Zahlung der 600 Millionen Dollar im Patentvergleich mit NTP erholt", sagt der Analyst. "Sie haben rund 1,4 Milliarden Dollar Cash. Ich bin daher sicher, dass sie sich das State-of-the-art-Equipment leisten können, dass sie brauchen, um ihr Netz solide zu halten."
Übrigens: Wie der eine oder andere BlackBerry-Abhängige in New York mit dem Ausfall klarkam, zeigt ein Video des "Wall Street Journal" auf unserem "Messeschnellweg". (Computerwoche/haf)