UPDATE2: Siemens-AR macht Weg für tiefgreifenden Konzernumbau frei

29.11.2007
(Wiederholung von Mittwochabend) Von Alexander Becker Dow Jones Newswires

(Wiederholung von Mittwochabend) Von Alexander Becker Dow Jones Newswires

MÜNCHEN (Dow Jones)--Der Aufsichtsrat der Siemens AG hat die Pläne des Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher für die neue Konzernstruktur abgenickt und damit den größten Umbau des Unternehmens seit knapp 20 Jahren beschlossen. Wie der DAX-Konzern am Mittwoch mitteilte, genehmigte das Aufsichtsgremium die Aufteilung des operativen Geschäfts in die drei Sectors Industry, Energy und Healthcare. Für die neue Konzernstruktur wird auch der Vorstand grundlegend neu aufgestellt und dabei verjüngt und verkleinert.

Die Verantwortlichkeiten werden dabei entsprechend der neuen Konzernstruktur neu verteilt. Der wesentliche Baustein dieser Neuordnung ist die Aufteilung des operativen Geschäfts in drei Sectors mit jeweils einem dafür verantwortlichen CEO. Dieser Sector-CEO ist auch Mitglied im Konzernvorstand. Siemens hatte im Oktober angekündigt, die bisherige Bereichsstruktur aufzubrechen und das operative Geschäft komplett neu zu ordnen. Analysten und Investoren hatten bereits seit längerer Zeit gefordert, das Management direkter am operativen Geschäft auszurichten und die Verantwortlichkeiten im Management klarer zu definieren.

Mit der neuen Struktur will Siemens auch die Transparenz für das operative Geschäft erhöhen. So werden die drei Sectors in insgesamt 15 Divisions unterteilt. Industry und Energy bestehen aus jeweils sechs Divisions, Healthcare aus drei Divisions. "Durch die neue fokussierte Unternehmensstruktur werden wir unsere Ertragskraft und Transparenz weiter steigern. Klare Verantwortlichkeiten stellen sicher, dass wir schneller und kundennäher im Markt auftreten", wird Löscher in der Mitteilung zitiert.

Der Energy-Sector wird künftig von Wolfgang Dehen geführt. Der 53-jährige war bisher Bereichsvorstand der vor dem Verkauf stehenden Automotivetochter Siemens VDO. Die einzelnen Divisonen seines Sectors sind Fossil Power Generation, Renewable Energy, Oil & Gas, Service Rotating Equipment, Power Transmission und Power Distribution. In dem Energy-Sector werden die bisherigen Bereiche Power Generation (PG) und Power Transmission & Distribution (PTD) zusammengefasst. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2006/07 erwirtschafteten PG und PTD zusammen einen Umsatz von rund 20 Mrd EUR.

CEO des Healthcare-Sector wird Erich Reinhardt. Der 61-jährige hatte bisher bereits als Bereichsvorstand Medical Solutions geleitet und war auch im Konzernvorstand vertreten. Sein bisheriger Bereich wird nun als Sector in die drei Divisionen Imaging & IT, Workflow & Solutions und Diagnostics aufgeteilt. Med verzeichente zuletzt einen Jahresumsatz von rund 10 Mrd EUR.

Den mit Abstand größten Sector Industry wird den Angaben zufolge der ursprünglich als neuer Personalvorstand vorgesehene Heinrich Hiesinger führen. Der Sektor besteht im Wesentlichen aus Geschäftsaktivitäten der bisherigen Bereiche Automation and Drives (A&D), Industrial Solutions and Services (I&S), Transportation Systems (TS), Siemens Building Technologies (SBT) und Osram.

Durch die Zusammenfassung dieser Geschäftsaktivitäten ergeben sich den Angaben zufolge vor allem Synergien bei Hard- und Software-Plattformen sowie im Vertrieb. Die künftigen Divisionen des Industry-Sectors heißen Industry Automation, Motion Control, Building Technologies, Industry Solutions, Mobility und Osram.

Die Leiter dieser Divisons werden laut Siemens Anfang Dezember benannt. Die neue Struktur werde ab Januar 2008 implementiert. Dazu gehört auch die weitere Aufgliederung der Divisions in Business Units. Siemens will die externe Finanzberichterstattung ab dem dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2007/08 in der neuen Struktur berichten. Dabei sollen Finanzinformationen sowohl für die Sektoren als auch in der Ebene darunter ausgewiesen werden.

Analysten hatten die angekündigte Aufteilung des operativen Geschäfts in drei Sektoren zuvor einhellig begrüßt. So bezeichneten die Experten von JP Morgan die neue Konzernstruktur als "großen Schritt nach vorne für Siemens". So sei die bisherige "langsame und bürokratische" Organisation wohl die "größte Schwäche" des Konzerns gewesen und für die meisten verpassten Geschäftschancen und Fehler in der Vergangenheit verantwortlich gewesen.

Unterhalb der Zentrale waren bislang die einzelnen operativen Geschäftsbereiche mit eigenen Vorständen aufgestellt. Die Mitglieder des Konzernvorstands hatten zwar eine Betreuungsfunktionen aber keine direkte Verantwortung für das operative Geschäft in den Bereichen. Die nun beschlossene neue Konzernstruktur ist der größte Umbau des Unternehmens seit dem Jahr 1989, in dem sich Siemens die derzeitige Bereichsstruktur gab. Im Zuge des Umbaus werden auch ein paar langjährige Vorstände des "alten" Siemens-Konzerns den Vorstand verlassen.

Insgesamt verkleinert sich der Vorstand künftig auf acht von derzeit elf Mitgliedern. Der 67-jährige Jürgen Radomski wird den Angaben zufolge wie geplant zum Jahreswechsel in den Ruhestand gehen. Als neuer Personalverantwortlicher des Siemens-Konzerns ist nun der 44-jährige bisherige Med-Bereichsvorstands Siegfried Russwurm vorgesehen.

Mit Radomski verlassen den Vorstand zum Jahreswechsel Rudi Lamprecht, Uriel Sharef, Eduardo Montes und Klaus Wucherer. Sie werden dem Vorstandsvorsitzenden künftig noch beratend zur Seite stehen. Die Verträge von Sharef und Wucherer, beide 63 Jahre alt, enden am 31.3.2008. Die Verträge von Lamprecht (59) und Montes (56) laufen noch bis 2009 bzw 2011. Ob sie noch für die gesamte Vertragslaufzeit für Siemens tätig sein werden, dazu äußerte sich Siemens nicht.

Künftig wird der Vorstand neben Löscher aus den drei Sector-CEOs sowie den Vorständen für die Querschnittsfunktionen Finanzen, Technologie, Personal und Compliance bestehen. Joe Kaeser bleibt in der neuen Struktur Finanzvorstand und Hermann Requardt weiterhin Technologievorstand. Peter Solmssen wird weiterhin das erst kürzlich geschaffene Vorstandsressort Recht und Compliance verantworten.

Im Zuge der Neuordnung wird auch die Verantwortlichkeiten für die einzelnen Geschäftsregionen neu verteilt. Demnach wird Solmssen die Region Amerika, Reqardt Asien, Australien und Mittleren Osten und Russwurm Europa, GUS und Afrika betreuen. Alle Berufungen gelten ab dem 1. Januar 2008.

Die grundlegende Struktur der Matrix von weltweit operierenden Geschäftseinheiten und Regionalgesellschaften wird Siemens den Angaben beibehalten, aber die so genannte Vorfahrtsregelung der Weltunternehmer wird wieder stärker betont. Das Konzept für die künftige regionale Ausrichtung werde das Unternehmen 2008 implementieren.

Die Siemens-Aktie reagierte mit einem leichten Kursanstieg auf die Beschlüsse des Aufsichtsrats, nachdem sich die Aktie im Tagesverlauf wie der Gesamtmarkt bereits sehr fest entwickelt hatte. Das Siemens-Papier beendete den Handel 2,8% im Plus bei 100,48 EUR.

Webseite: http://www.siemens.com - Von Alexander Becker, Dow Jones Newswires, +49 (0)89 5521 40 30 industry.de@dowjones.com DJG/abe/cbr

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