Was muss der Chef bezahlen?

28.06.2007
Von Markus Laumann
Die Unterschiede der Gratifikationsarten liegen jeweils im Detail und können verschiedene Auswirkungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben. Rechtsanwalt Markus W. Laumann über die dazugehörigen Rechte und Pflichten.

Unter dem Überbegriff Gratifikation ist eine Zuwendung des Arbeitgebers an Arbeitnehmer aus bestimmten Anlässen zu verstehen. Darunter werden sowohl Bonuszahlungen, die Zahlung eines 13. Monatsgehalts, das Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, (Leistungs-) Prämienzahlungen sowie Zahlungen aufgrund von individuellen Zielvereinbarungen zusammengefasst. Die Unterschiede bei der Ausgestaltung der einzelnen Gratifikationsarten liegen jeweils im Detail und können verschiedene Auswirkungen sowohl für den Arbeitnehmer als auch den Arbeitgeber haben.

Die Gratifikationen finden ihre rechtliche Grundlage regelmäßig in den Arbeitsverträgen, aufgrund von Individualvereinbarungen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber, in Betriebsvereinbarungen sowie bei tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien hier aufgrund der möglichen Regelungen innerhalb eines Tarifvertrages. Darüber hinaus kann es zu einem Anspruch der Arbeitnehmer auf entsprechende Gratifikationszahlungen durch die sogenannte "betriebliche Übung" kommen.

Ein Anspruch aufgrund der "betrieblichen Übung" besteht regelmäßig dann, wenn der Arbeitgeber dreimal in Folge ohne Vorbehalt die Gratifikation an den Arbeitnehmer geleistet hat. Sämtliche Gratifikationszahlungen, unabhängig von ihrer Bezeichnung oder der Art und Weise der Leistung, sind als Lohnbestandteile anzusehen, unterliegen der Lohnsteuerpflicht und sind sozialversicherungspflichtig.

Über die Anwendung der "März-Klausel" bei der Lohnabrechnung können Gratifikationen, die auf das Vorjahr bezogen sind, allerdings erst im Folgejahr bis einschließlich März durch den Arbeitgeber gezahlt und mit einer Korrekturrechnung noch in die Jahresbruttosumme eingerechnet werden. Oftmals ist die Berechnung für sozialversicherungs- oder versicherungsrechtliche Sachverhalte für den Arbeitnehmer günstig.

I. Die verschiedenen Gratifikationsarten

Zur inhaltlichen Unterscheidung der einzelnen Gratifikationsarten und der Änderungsmöglichkeiten durch den Arbeitgeber soll die nachfolgende Darstellung dienen:

1. Das Weihnachtsgeld ist eine Art Treueprämie, die sowohl die bereits erbrachte als auch die zukünftige Betriebstreue des Arbeitnehmers belohnen soll. Regelmäßig wird das Weihnachtsgeld mit dem November-Gehalt des jeweiligen Jahres ausgezahlt. Ausnahmsweise erfolgt in manchen Unternehmen eine Aufteilung auf zwei Auszahlungstermine. Damit wird dann eine Hälfte des Weihnachtsgeldes im November des einen Jahres gezahlt, die andere Hälfte wird dann als "Urlaubsgeld" im Mai oder Juni des folgenden Jahres ausgezahlt. Unabhängig von der Art und Weise der Auszahlung und der Bezeichnung dieser Art Gratifikation ist ein einseitiger Widerruf der Leistung durch den Arbeitgeber nahezu unmöglich, da der Arbeitnehmer nach dreimaliger wiederholter und vorbehaltloser Auszahlung des Weihnachtsgeldes einen Vertrauensschutz erlangt hat und ein einseitiger Widerruf aufgrund der "betrieblichen Übung" durch den Arbeitgeber nicht möglich ist. Zu beachten ist hier, dass auch eine sogenannte umgekehrte "betriebliche Übung" eintreten kann. Dieses ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer ebenfalls bei dreimaliger Nichtzahlung des Weihnachtsgeldes durch den Arbeitgeber dieses vorbehalts- und widerspruchslos hingenommen hat. In diesem Fall wird unterstellt, dass der Vertrauensschutz keinen Bestand mehr hat und aufgrund der stillschweigenden Zustimmung des Arbeitnehmers der Anspruch entfallen ist.

2. Das 13. Gehalt versteht man als einen Zusatzlohn für die erbrachte Jahresleistung des Arbeitnehmers. Der Schwerpunkt bei dieser Gratifikation liegt auf der zusätzlichen Vergütung der erbrachten Arbeitsleistung. Das 13. Gehalt kann sowohl mit einer Zielvereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber, wie auch durch eine Bewertungsvereinbarung, beispielsweise dem "MBO" (management by objective) geleistet werden.

Denkbar ist auch eine Koppelung von Elementen der Betriebstreue mit einer Leistungsprämie. Eine Änderung beziehungsweise die Nichtzahlung des 13. Gehalts durch den Arbeitgeber erfordert regelmäßig den Ausspruch einer Änderungskündigung und kann nicht durch einfachen Widerruf erfolgen. Im Gegensatz zum Weihnachtsgeld als Treueprämie, welches als Voraussetzung beinhaltet, dass das Arbeitsverhältnis im Auszahlungszeitpunkt noch besteht, kann der Anspruch auf das 13. Gehalt bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers à quota zu berechnen sein und somit auch bei unterjährigem Ausscheiden des Arbeitnehmers ein Teilanspruch zu vergüten sein.

3. Die Bonuszahlung ist eine Leistungsprämie durch den Arbeitgeber für die geleistete Arbeit und das Engagement des Arbeitnehmers in seinem Verantwortungsbereich. Regelmäßig wird die Bonuszahlung im Rahmen von Zielvereinbarungen und Quotenvereinbarungen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber oder oftmals auch kombiniert mit der jeweiligen Umsatzziel- und der Gewinnzielerreichung des Unternehmens kombiniert und dementsprechend nach dem jeweiligen Erreichen der einzelnen Zielarten in ihrer Höhe definiert.

4. Unter Prämienzahlungen, (Sonder-) Prämien, Ausschüttungen oder Zusatzleistungen zum Lohn im Rahmen von Incentive-Vergütungsplänen versteht man Lohnregelungen des Arbeitnehmers, bei denen sowohl ein fixer Gehaltsbestandteil als auch ein variabler Gehaltsbestandteil geregelt ist. Hierbei kommt es insbesondere auf die arbeitsvertragliche Ausgestaltung der Regelungen an. Grundsätzlich ist hier zu beachten, dass eine überobligatorische Belastung beziehungsweise eine Übertragung des Betriebs- und Wirtschaftsrisikos auf den Arbeitnehmer durch solche Kompensationspläne nicht erfolgen darf. Dieser muss einen gewissen Mindestgehaltsbestandteil als festen Lohn einplanen können und darauf vertrauen dürfen, diesen zu erhalten. Feste Regelgrößen sind hierbei nicht vorgegeben, es kommt immer auf die Betrachtung des Einzelfalls und des speziellen wirtschaftlichen Umfeldes bei der vertraglichen Ausgestaltung an.

II. Rechtliche Grundlagen

Rechtliche Grundlage der jeweiligen Gratifikationszahlungen, unabhängig von ihrer Bezeichnung, sind regelmäßig die Arbeitsverträge, zusätzliche Individualvereinbarungen zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Richtlinien der Unternehmen mit allgemeiner Gültigkeit für alle Arbeitnehmer, Betriebsvereinbarungen sowie tarifvertragliche Regelungen. Darüber hinaus kann durch betriebliche Übung ein weiterer Anspruch der Arbeitnehmer entstehen. Der Widerruf beziehungsweise die Änderung dieser rechtlichen Anspruchsgrundlagen der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber kann nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen. Regelmäßig ist sowohl bei Arbeitsverträgen als auch bei Individualvereinbarungen nur eine Aufkündigung oder Änderungskündigung durch den Arbeitgeber möglich. Die Änderung einer Betriebsvereinbarung ist nur unter Beteiligung des Betriebsrates mit dessen Zustimmung unter Erfüllung weiterer Voraussetzungen möglich. Die Änderung eines Tarifvertrages ist den Tarifvertragsparteien nur dann gestattet, wenn Öffnungsklauseln vorhanden sind und die in den Öffnungsklauseln beinhalteten tatsächlichen rechtlichen Voraussetzungen, wie etwa eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens oder drohende Insolvenz objektiv erfüllt sind.

III. Rechte des Arbeitnehmers

Bei allen Gratifikationen, die als Zweck auf die zusätzliche Vergütung der Arbeitsleistung gerichtet sind, besteht der allgemeine Grundsatz, dass jede Leistung gleich zu vergüten ist. Im Einzelnen bedeutet dieses für die betroffenen Arbeitnehmer, dass ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber besteht, welche Kriterien bei der Bewertung und Berechnung des Bonusses zugrunde gelegt wurden und in welchem Zusammenhang die Bewertung des jeweiligen Arbeitnehmers im Vergleich zu anderen Kollegen auf vergleichbaren Positionen oder Stellen erfolgte.

Bei Zielvereinbarungen oder Bonuszahlungen nach den Grundsätzen des "MBO" hat der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, dass die Zielvorgaben und deren Bewertung genau definiert sind und die Bewertung durch den Arbeitnehmer überprüfbar und nachvollziehbar vorgenommen wurde. Insbesondere vor dem Hintergrund des im August 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und dem bereits seit Langem bestehenden "betrieblichen Gleichbehandlungsgrundsatz" ist das Verbot der Ungleichbehandlung durch den Arbeitgeber stark ausgeprägt. Eine Ungleichbehandlung darf nur aufgrund eines sachlichen Grundes erfolgen und nicht willkürlich sein. Der einfache Sachvortrag des Arbeitnehmers und die entsprechende Beschwerde bei seinem Vorgesetzten führt dazu, dass dieser die Bewertung der Leistung und die Berechnung des Bonusses darlegen muss und im Falle eines gerichtlichen Verfahrens bei einfachem Sachvortrag die volle Beweislast und Darlegungslast der Behauptung des Arbeitnehmers beim Arbeitgeber liegt.

IV. Rückzahlungsklauseln

Schließlich sollen noch Rückzahlungsklauseln in Arbeitsverträgen und sogenannte "Rückzahlungsvereinbarungen" dargestellt werden. Regelmäßig ist es so, dass eine Rückzahlung bereits geleisteter Gratifikationen in Arbeitsverträgen nur wirksam bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers vereinbart werden kann. Bei einer betriebsbedingten ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber sind solche Rückzahlungsklauseln regelmäßig unwirksam. Im Einzelnen ist dabei noch zu unterscheiden, welche Regelungen in den jeweiligen Arbeitsverträgen getroffen sind, ob Betriebsvereinbarungen oder Regelungen in anwendbaren Tarifverträgen vorhanden sind. Im Grundsatz sind sämtliche Zahlungen unter 100 Euro nicht zurückzuzahlen. Bei Zahlungen unter einem Monatsgehalt kann eine Rückzahlungsklausel wirksam vereinbart werden, wenn der Arbeitnehmer bis zum März des Folgejahres aus dem Unternehmen ausscheidet.

Bei Zahlungen von mindestens einem Monatsgehalt oder darüber, unabhängig von der dann erreichten Höhe der Zahlung, kann keine längere Bindungsfrist für den Arbeitnehmer als über den 30. Juni des Folgejahres wirksam vereinbart werden. Teilweise vorhandene Rückzahlungs- oder Anrechnungsklauseln in Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen sind aufgrund der Anwendungen des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen in den §§ 305 ff. BGB auf arbeitsvertragliche Regelungen regelmäßig unwirksam, da hier oftmals eine überraschende Klausel oder ein Verstoß gegen den Vertrauensschutz des Arbeitnehmers vorliegen kann. MF

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