CeBIT-Chef Oliver Frese

"Wir wachsen erstmals wieder"

Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Die CeBIT hat sich seit ihrem ersten Auftritt 1986 mehrmals gehäutet. Seit dem vergangenen Jahr richtet sich die Messe ausschließlich auf die Business-Klientel aus. Wir sprachen mit Messechef Oliver Frese über die Zukunft der nach wie vor weltweit größten IT-Fachmesse.

2001 besuchten sage und schreibe 830.000 Menschen die CeBIT, über 7.500 Aussteller waren vor Ort. Jetzt liegen die Besucherzahlen – im Vergleich zum Allzeithoch – nur mehr bei einem Viertel dieses Werts, die Zahl der Aussteller hat sich fast halbiert.
Oliver Frese: Das liegt 14 Jahre zurück – und ich denke, wer nach so langer Zeit in der IT-Branche die nackten Zahlen nebeneinanderlegt, blendet gravierende Verschiebungen in der gesamten IT-Welt aus. Das wäre etwa so, als würden Sie einen VW Golf von damals mit einem aktuellen Modell vergleichen und sagen, der alte ist ja technisch nicht so gut ausgestattet. Vor 15 Jahren gab es weder Google noch Facebook. Andererseits sind eine ganze Reihe Player von damals in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, haben fusioniert oder existieren nicht mehr. Ich denke, mit unserer neuen Positionierung im vergangenen Jahr können wir mit Recht sagen: Die neue Zeitrechnung der CeBIT beginnt 2014. Mit der Ausrichtung konsequent auf das Business tragen wir der Marktentwicklung Rechnung. Das trägt dieses Jahr schon Früchte. Wir haben mehr Aussteller und Ausstellungsfläche als 2014. Erstmals seit zehn Jahren werden wir wieder wachsen.

Sie sagen: CeBIT ist gleich Business. Das war in der Vergangenheit auch schon anders. Da wurden Privatkonsumenten durch Gaming-Hallen, Musikbühnen und Entertainment-Angebote angelockt. Wird es jetzt bei der ausschließlichen Hinwendung zu den Geschäftskunden bleiben?
Frese: Wir richten uns konsequent auf Unternehmen aus. Im Internet der Dinge werden über 90 Prozent der Umsätze zwischen Unternehmen erwirtschaftet. Deshalb orientieren wir die CeBIT unter dem diesjährigen Topthema "d!conomy" auch konsequent auf das Internet der Dinge aus. Denn dort steckt für Unternehmen auch künftig das Potenzial für Wachstum und Margen. Mit diesem Profil ist die CeBIT einzigartig, weil wir in Hannover die gesamte digitale Wertschöpfungskette des Internets der Dinge abbilden, eben nicht nur einen Ausschnitt. Es reicht bei uns von der Datenentstehung über den Transport über die Netzwerke und Big Data Analytics bis hin zum hoch performanten Rechenzentrum.
Andere Veranstaltungen zeigen nur ein Endprodukt. Das ist vielleicht bunter und lauter, aber entscheidend ist doch vielmehr, das Internet der Dinge auszurüsten und seine Potenziale zu verstehen. Deshalb zeigen angestammte Aussteller wie Microsoft, IBM, SAP, Samsung, Vodafone oder die Deutsche Telekom eine solch eindrucksvolle Präsenz auf der CeBIT. Andere Konzerne wie Huawei, ZTE oder Hewlett-Packard bauen ihre Präsenz aus. Daneben kommen Firmen, die schon teilweise lange nicht mehr auf der CeBIT waren, wie etwa Konica Minolta, Alcatel-Lucent, Schneider Electric oder Rittal, zurück. Sie alle sind überzeugt von der klaren Ausrichtung auf Business-Kunden.

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Den Deutschen werden ja gerne Technologiefeindlichkeit, Bedenkenträgerei und Sicherheitswahn unterstellt – übrigens gern auch von deutschen Kritikern. Wie sehen Sie als Industriebeobachter diese Assoziationen?
Frese: Deutschland ist definitiv nicht technologiefeindlich. Im Maschinen- und Anlagenbau oder in der Elektroindustrie ist Deutschland weltweit führend. Da gibt es eine große Innovationsfreude. Etwas mutiger könnten wir sein, wenn es um das unternehmerische Risiko geht. Wer mit seinem Start-up Erfolg haben und etwas aufbauen möchte, braucht eine gewisse Risikobereitschaft. Da herrscht an anderen Plätzen der Welt – natürlich vor allem im Silicon Valley – eine andere Gründerkultur. Da ist es aber auch viel einfacher, an Kapital zu kommen.
Das ändert sich in Deutschland aber mittlerweile. Das wird man auch auf dieser CeBIT sehen. Nehmen Sie CODE_n in Halle 16. Da präsentieren sich lauter junge Menschen – übrigens mehr als die Hälfte aus Deutschland –, die bereit sind, etwas zu wagen. Oder auch unser neues Angebot SCALE 11, in dessen Rahmen wir das gesamte Ökosystem rund um junge und innovative Unternehmen abbilden.

Wie sehen Sie die Fortschritte in Sachen Digitalisierung und Internet der Dinge? Ist der Mittelstand entschlossen genug, die Herausforderungen anzunehmen?
Frese: Der deutsche Mittelstand ist bisweilen noch zurückhaltend, wenn es gilt, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Aus meiner Sicht sagen noch zu viele, das hat mit meinem Geschäft nichts zu tun. Das ist gefährlich, denn es ist zwingend nötig, sich neu aufzustellen. Jeder muss sich fragen, ob sein Geschäftsmodell und seine Wertschöpfungsketten angesichts der Digitalisierung auch morgen noch tragfähig sind. Der deutsche Mittelstand ist ja weltweit bekannt als Träger von Innovationen und als Arbeitsplatzmotor. Um diese Stellung zu behalten, müssen kleine und mittlere Betriebe auf den Pfad der Digitalisierung einschwenken – auch in solchen Bereichen wie Marketing, Vertrieb, Controlling, Buchhaltung, Logistik.

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