"2001 beabsichtigen wir wieder Gewinne vorzuweisen"

25.01.2001
Ingram Macrotron hat unter dem neuen Vertriebsgeschäftsführer Gerhard Schulz eine umfassende Reorganisation durchgeführt: Eine einheitliche Vertriebsorganisation ist das Ergebnis, die auch das Geschäft mit den großen Systemhäusern forcieren soll. Was sich Vorstandsvorsitzender Michael Kaack und Vertriebschef Schulz davon versprechen, und welche weiteren Ziele der Müncher Broadliner für 2001 hat, erläuterten die beiden Manager im Interview mit ComputerPartner-Redakteurin Cornelia Hefer.

Herr Schulz, seit rund einem Jahr sind Sie jetzt bei Ingram Macrotron als Vertriebsvorstand. Wie lautet Ihr Resümee nach einem insgesamt schwachen Jahr 2000 für die deutsche IT-Branche?

Schulz: Für mich persönlich fällt das Fazit sehr positiv aus: Ich konnte hier bei Ingram Macrotron etliches bewirken. Wir haben jetzt Vertriebsstrukturen, die es uns ermöglichen 2001 wesentlich systematischer vorzugehen.

Weniger erfreulich ist, dass der gesamte Geschäftsverlauf schwächer als erwartet ausfiel. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 2000 im Wesentlichen von den beiden Faktoren Marktsättigung und Investionsskepsis geprägt war - was nach vielen Jahren stetigen Wachstums zu einer Stagnation in der ganzen IT-Branche geführt hat.

Welche neuen Grundlagen haben Sie denn auf der Vertriebsseite im letzten Jahr geschaffen?

Schulz: Macrotron ist sehr schnell im zweistelligen Bereich gewachsen, was dazu geführt hat, dass die unterschiedlichsten Vertriebsformen und -organisationen entstanden sind: zum Beispiel ein separater Lizenzvertrieb, ein eigener Vertrieb für Komponenten, für Apple-Produkte und für Projekte. Unseren 30.000 aktiven Kunden die verschiedenen Vertriebsformen der Broadline-Distribution zu erklären, fällt schwer. Gleichzeitig hatten wir Doppel- und Dreifachaufwendungen bei einem Kunden, während andere Zielgruppen gar nicht adressiert wurden.

Das heißt, wir haben unseren Kundenstamm erst mal nach bestimmten Kriterien segmentiert. Wichtig war dabei insbesondere der Bereich Key-Account: Wir haben die 340 größten deutschen Systemhäuser jetzt nicht mehr nach historischen Zahlen, sondern nach ihrem aktuellen Marktpotential definiert, basierend auf Studien, Wettbewerbsinformationen und eigenen Erfahrungen. Damit kann unser Vertrieb heute ermitteln, welches Distributions-Einkaufsvolumen machbar ist. Gemeinsam mit Außen- und Innendienst sowie Customer-Service, die wir jetzt in einer Organisation integriert haben, haben wir Betreuungskonzepte für die einzelnen Kunden aufgestellt und Business-Pläne für die jeweiligen Systemhäuser erstellt (Anmerkung der Redaktion: zur neuen Kundenorganisation siehe Grafik, Seite 40).

Hat die Reorganisation des Vertriebs bereits Früchte getragen?

Schulz: Ja. Ingram Macrotron war schon immer stark im kleinen und mittleren Kundensegment vertreten. Von der Infrastruktur, dem Produktportfolio, der Lagerreichweite oder Verfügbarkeit der Ware waren wir auch vor 2000 bereits wettbewerbsfähig im Key-Account-Bereich aufgestellt, allerdings unterproportional repräsentiert. Laut Umfragen waren wir nur Nummer zwei oder drei bei den großen Sys-temhäusern. Im vergangenen Jahr konnten wir im Segment der großen Systemhäuser um über 30 Prozent wachsen. Das ist ein klarer Erfolg.

Bei der Neuaufstellung des Key-Account-Bereichs, der Top-Sys-temhauskunden, kam Ihnen doch sicher Ihre Computer-2000-Erfahrung zugute.

Kaack: Herr Schulz war bei Computer 2000 in der Holding für internationalen Vertrieb und Service zuständig. Ergänzen möchte ich noch, dass ich Herrn Schulz eingestellt habe, weil er gute Vertriebserfahrungen vorzuweisen hat. Nicht, weil er seine ehemaligen Kunden von Computer 2000 mitbringt.

Herr Kaack, wo lagen denn Ihrer Meinung nach die internen Defizite?

Kaack: Macrotron war immer sehr marketinglastig. Das berührt den allgemeinen Konflikt der Distribution: Einerseits haben Sie den Händler, dem Sie etwas verkaufen wollen. Auf der anderen Seite den Hersteller, der ebenfalls wie ein Kunde behandelt werden möchte. Wir haben in der Vergangenheit - meines Erachtens nach - zuviel am Thema Hersteller gearbeitet. Erst mit der Einstellung von Herrn Schulz haben wir alle Vertriebsabteilungen unter einem Geschäftsführer für Vertrieb konsolidiert.

Herr Schulz, was wollen Sie im laufenden Geschäftsjahr noch verbessern oder verändern? Wie lauten die Ziele für Ihren Geschäftsbereich?

Schulz: Für die Top-Systemhäuser wollen wir künftig ein Backoffice darstellen: bestimmte Funktionen wie Lagerhaltung, Konfiguration von PCs, Management von Retouren übernehmen. Und das erfordert einen konsultativen, projektorientierten Ansatz. Denn gerade das Projektgeschäft, was die Kundenbindung zu den großen Sys-temhäusern natürlich beinhaltet und verstärkt, soll drastisch ausgebaut werden.

Was heißt drastisch ausbauen - mehr Mitarbeiter, Investitionen?

Kaack: Mehr Kunden.

Wieviele Kunden sollen das im Laufe von 2001 werden?

Schulz: Wir arbeiten jetzt mit zehn der Top-Systemhauskunden sehr intensiv zusammen. Bis Jahresende sollen es dann zwischen zwanzig bis dreißig werden. Speziell für die Betreuung unserer Key Accounts haben wir einen neuen Bereich ins Leben gerufen, E-Business Solutions & Services. Das Team bietet E-Consulting für Großkunden, damit diese ihre Geschäftsprozesse effizient mit unseren verbinden können. Ziel ist es, in diesem Jahr den Key-Accounts ein spezifisches Online-Bestellangebot zu bieten, das sich an den individuellen Anforderungen des einzelnen Kunden ausrichtet. Schnelligkeit, Effizienzsteigerung und dadurch Kostenreduktion stehen dabei im Vordergrund.

Leidiges Thema: schlechte Erreichbarkeit bei den Broadlinern. Wie beurteilen Sie Ihr Unternehmen hier?

Kaack: Online sind wir rund um die Uhr erreichbar - und im Web kann jeder Händler die Produkte und ihre Daten, Preise sowie Verfügbarkeit abfragen und seine Bestellungen aufgeben. Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft letztes Jahr haben wir auch beim Online-Einkauf Staffelpreise eingeführt, um noch mehr Händler vom Kauf über das Web überzeugen zu können. Bei den engen Margen in der Broadline-Distribution spielt der Kostenfaktor des Telesales nämlich eine große Rolle. Wir möchten erreichen, dass die Kunden lernen, Anfragen der Art, wie ich das gerade aufgeführt habe, online abzuklären. Das spart ihnen und uns Zeit und damit Geld. Unsere Telesales-Mitarbeiter sollen den Kunden bei einer Kaufentscheidung beraten. Sie sollen aber kein telefonisches Auskunftsbüro sein. Allerdings haben wir auch noch ein paar Telefone herumstehen (lacht).

Wieviel Prozent Ihres Jahresumsatzes generieren Sie denn über das Internet?

Schulz: Knapp 40 Prozent unseres Umsatzes, den wir über den klassischen Fachhandel generieren.

Herr Schulz, Sie genießen in der Branche den Ruf eines "Hardliners", den Sie schon von Computer 2000 mitgebracht haben. Wie würden Sie sich selbst als Manager charakterisieren?

Schulz: Wir haben laut einer aktuellen Mitarbeiterbefragung jetzt die höchste Zufriedenheit im Bereich Vertrieb und das erreicht man nicht, wenn man ein Hardliner ist. Ich sehe meine Aufgabe darin, für meine Mitarbeiter, die für die verschiedenen Absatzkanäle verantwortlich sind, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der sie praktisch als Unternehmer agieren - und natürlich ihre Ziele und Vorgaben erreichen können.

Wie schätzen Sie die Stellung von Ingram Macrotron im Vergleich zu den beiden Wettbewerbern Computer 2000 und Actebis im deutschen Markt ein?

Kaack: Wir sind die Nummer eins. Das wollen wir bleiben und unseren Vorsprung weiter ausbauen. Vor allem wollen wir auch in der Profitabilität unseren Wettbewerbern bald voraus sein.

Im PC-Segment sind wir mit einigen unserer Hersteller auf Platz eins; in anderen nicht. Hier haben wir noch Nachholbedarf, was aber auch mit unserer schwächeren Position bei den Key-Accounts und den Systemhäusern in der Vergangenheit zu tun hat. Außerdem soll der Retail-Bereich verstärkt werden, von der Produkt- und Marketingseite sowie dem Dienstleis-tungsangebot. Denn gerade Re- tailer brauchen einen vernünfti-gen Service, zum Beispiel im Konvergenz-Segment. Unser Ziel ist es, den Flächenmärkten ein breites Sortiment schnell zur Verfügung zu stellen und so zu liefern, wie sie es haben wollen. Denn dann kann man auch im Retail-Kanal mit akzeptablen, kostendeckenden Margen arbeiten - unter Einkaufspreis verkaufen wir auch hier nichts.

Lohnt sich das Geschäft denn - zumal wenn Sie noch zusätzlichen Service drauflegen?

Kaack: Große Gewinne kann man im Retail-Kanal sicherlich nicht machen, das ist richtig. Aber das sind Volumengeschäfte, die auch helfen Kosten zu sparen.

Wie hoch ist denn bei Ihnen der Retail-Anteil am Gesamtumsatz?

Kaack: Knapp über zehn Prozent und mehr soll es auch gar nicht werden. Denn sonst macht man sich von Kunden abhängig.

Schulz: Wir haben auch im Vertrieb der Consumer Channels - alle Kanäle die an den Privatverbraucher verkaufen - eine Reorgani- sation vorgenommen: Die Bereiche Retail, Direct-Marketing-Mail-Order und E-Reseller - das heißt, Wiederverkäufer, die vor Ihr Lager einfach eine Website spannen - haben wir neu unter der Leitung von Frau Xochilt Balzola zusammengefasst. Die drei Absatzkanäle werden jetzt von einer Abteilung auch gegenüber den Herstellern vertreten. Für uns bedeutet das Synergieeffekte und eine höhere Effizienz.

Der PC-Markt hat 2000 stark geschwächelt. C2-Chef Ronald Apelt sagte uns im November, sie könnten nicht klagen, denn sie hätten 2000 zweistellige Wachstumsraten erwirtschaftet. Wie lief das PC-Geschäft bei Ihnen?

Schulz: Sagen wir mal so: Das schwache Geschäftsjahr 2000 kam uns entgegen, da wir während des laufenden Geschäfts unser Logistik-Zentrum erheblich umgerüstet haben. Das heißt, wir haben acht Lager in eines integriert. Das PC-Segment war gar nicht mal so schwach ...

Kaack: ... bei den PCs lagen wir deutlich im zweistelligen Bereich.

Schulz: Deutlich schwächer war dagegen das Komponenten- und PC-Zubehörgeschäft.

Herr Kaack, werden Sie auf der diesjährigen Bilanzpressekonferenz von Ingram Macrotron ein schwarzes oder rotes Ergebnis verkünden?

Kaack: Wir sind derzeit mitten im Jahresabschluss, weshalb ich zu den Ergebnissen 2000 momentan noch nichts sagen kann. 2001 wollen wir selbstverständlich wieder Gewinne vorweisen.

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