56k-Modem-Standard: U.S. Robotics und Rockwell weiterhin auf Konfrontationskurs

09.05.1997
MÜNCHEN: Es geht um die Vormachtstellung im aussichtsreichen Marktsegment der Modem-Produkte. Grund genug für Hersteller U.S. Robotics und Modem-Chip-Produzent Rockwell, sich einen massiven Marketing-Krieg um einen neuen, schnellen 56K-Modem-Standard zu liefern. Ein Blick hinter die Kulissen wirft allerdings die Frage auf, ob das mit großem Aufwand geführte Duell nicht eher unter dem Motto "Viel Lärm um nichts" steht.Im Sog der fortschreitenden Entwicklung des Internet mit seinen vielfältigen Anwendungsbereichen vom Electronic Banking über Electronic Mail bis zum Electronic Commerce, wächst der Bedarf an schnellen Online-Verbindungen. Ausschlaggebend hierfür sind die Inhalte der Internet-Anwendungen, die verstärkt multimediale Elemente wie hochauflösende Bilder sowie Audio- und Videosequenzen enthalten. In der Vergangenheit gab es unter den Anwendern eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Auf der einen Seite die Besitzer analoger Telefonanschlüsse, die über Modems eine Datenübertragungsraten von maximal 33,6 Kilobit pro Sekunde (kbps) erreichten (V.34+ Standard). Auf der anderen Seite die Benutzer digitaler ISDN-Anschlüsse, die Geschwindigkeiten bis zu 64 kbps realisieren konnten.

MÜNCHEN: Es geht um die Vormachtstellung im aussichtsreichen Marktsegment der Modem-Produkte. Grund genug für Hersteller U.S. Robotics und Modem-Chip-Produzent Rockwell, sich einen massiven Marketing-Krieg um einen neuen, schnellen 56K-Modem-Standard zu liefern. Ein Blick hinter die Kulissen wirft allerdings die Frage auf, ob das mit großem Aufwand geführte Duell nicht eher unter dem Motto "Viel Lärm um nichts" steht.Im Sog der fortschreitenden Entwicklung des Internet mit seinen vielfältigen Anwendungsbereichen vom Electronic Banking über Electronic Mail bis zum Electronic Commerce, wächst der Bedarf an schnellen Online-Verbindungen. Ausschlaggebend hierfür sind die Inhalte der Internet-Anwendungen, die verstärkt multimediale Elemente wie hochauflösende Bilder sowie Audio- und Videosequenzen enthalten. In der Vergangenheit gab es unter den Anwendern eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Auf der einen Seite die Besitzer analoger Telefonanschlüsse, die über Modems eine Datenübertragungsraten von maximal 33,6 Kilobit pro Sekunde (kbps) erreichten (V.34+ Standard). Auf der anderen Seite die Benutzer digitaler ISDN-Anschlüsse, die Geschwindigkeiten bis zu 64 kbps realisieren konnten.

Die bestehende Kluft zwischen Analog- und ISDN-Leitungen zu verringern, ist das erklärte Ziel im Lager der Befürworter des neuen 56K-Modem-Standards. Obwohl sich alle beteiligten Unternehmen über den Lösungsansatz zum schnelleren Datentransfer einig sind, gibt es unterschiedliche Ansichten über Details bei der Realisierung. Statt auf Kooperation zu setzen und durch Verhandlungen Kompromisse bei bestehenden Differenzen zu finden, setzte man auf Konfrontation und begann mit der Produktion untereinander inkompatibler Produkte.

"Wir wollten die Situation nicht", erklärt Alberto Mantovani, European Marketing Manager der Rockwell Multimedia Communications Division, und sieht die Ursachen der derzeitigen Misere beim Rivalen U.S. Robotics. "Unser Plan war es, abzuwarten bis ein gemeinsamer Standard gefunden wird. In den USA gerieten wir jedoch unter Druck unserer Kunden, nachdem U.S. Robotics erste Produkte präsentiert hatte. Große Modem-Hersteller wie Hayes, Xircom und andere forderten von uns 56K-Chips weil sie Angst hatten, ihre Kunden an U.S. Robotics zu verlieren. In Europa sind die Kunden konservativer, aber sobald wir die Chips produziert hatten, waren sie natürlich auch für Europa verfügbar."

Anwender reagieren zurückhaltend

Durch den Aufbau strategischer Allianzen mit Modem-Herstellern und Internet-Providern versuchen zur Zeit die beiden Kontrahenten, sich eine günstige Ausgangsposition für zukünftige Verhandlungen zu schaffen. Obwohl sich inzwischen eine Vielzahl von Großunternehmen mit unverbindlichen Absichtserklärungen für den X2-Standard von U.S. Robotics beziehungsweise für den K56flex-Standard von Rockwell ausgesprochen haben, halten sich die Unternehmen mit konkreten Investitionen trotz erster verfügbarer Produkte spürbar zurück.

Geht es nach der Meinung der beiden Kontrahenten, ist die abwartende Haltung sowohl der Internet Service Provider als auch des Fachhandels jedoch unbegründet. Oliver Schwartz, Sprecher der 3Com Client Access Business Unit (wie U.S. Robotics nach der Übernahme durch 3Com inzwischen offiziell heißt), verweist auf die seit jeher von U.S. Robotics verwendete Modem-Architektur mit flexiblen Software-Update per Flash-ROM. "Wir können unseren Kunden notfalls garantieren, daß sie durch einen Software-Update eine Anpassung an einen künftigen 56K-Modem-Standard realisieren können. Wenn er denn nicht sowieso kompatibel zu unserem jetzigen ist." Hier sieht Schwartz die Kontrahenten von Rockwell in einer schlechteren Position, da Rockwell in der Vergangenheit viele Modem-Optionen hardwaremäßig (maskenprogrammiert) in seinen Chips festgeschrieben hatte. Daß diese Einschränkung auch für die neuen K56flex-Chips gilt, dementiert Alberto Mantovani von Rockwell energisch. "Aufgrund der bestehenden Situation sind wir dazu übergegangen, unseren Kunden, sprich den Modem-Herstellern, neben maskenprogrammierten DSPs (Digitale Signal Prozessoren) auch Software-DSPs anzubieten. Nur wenige Anbieter aus Fernost verzichten aus Kostengründen auf Flash-ROMs und die damit verbundenen Update-Möglichkeiten. Das Gros der renommierten Modem-Herstellern, die bereits K56flex-Modems anbieten, verwenden genau wie U.S. Robotics Flash-ROMs."

Deutschland nur ein Nebenkriegsschauplatz

Betrachtet man die konfuse Situation unter dem Blickwinkel des deutschen Marktes, stellt sich die Frage: Warum nicht gleich ISDN für alle? Schwartz sieht dafür keine Notwendigkeit. "Wir sind keine ISDN-Gegner, wir haben selbst ISDN-Produkte. Aber wir sind der Meinung, daß es ein Fehler ist, der breiten Masse zu suggerieren, ihr müßt auf Teufel komm raus auf ISDN umsteigen! ISDN ist toll für Firmen, Freiberufler und Leute, die die erweiterten Telekommunikations-möglichkeiten nutzen möchten. Wer nur einen schnellen Internet-Zugang braucht, für den ist unsere 56K X2-Technologie die bessere Lösung." Außerdem, so Schwartz, sei die Situation in Deutschland, wo ISDN inzwischen flächendeckend angeboten wird und dank massiver Förderaktionen auch im Privatsektor weit verbreitet ist, sicher nicht repräsentativ für den Rest der Welt. "In den USA steht ISDN oft nur in den Großstädten zur Verfügung, ist wesentlich teurer und wird fast ausschließlich von Firmenkunden benutzt. Der Bedarf an schnellen Modem-Verbindungen ist daher deutlich größer als in Deutschland."

Das erklärt zum einen das enorme Marketing-Engagement der beiden rivalisierenden Lager, zum anderen die Tatsache, daß Deutschland in diesem Marketing-Krieg einen eher unbedeutenden Nebenkriegsschauplatz darstellt. Auch Branchenkenner in Deutschland bestätigen, daß die Bedeutung der 56K-Modem-Technologie für den amerikanischen Markt fraglos größer ist, als für den hiesigen Markt.

Daß man das Geplänkel um einen neuen Modem-Standard aufgrund flächendeckendem ISDN-Angebot eher lächelnd betrachtet, meint Marc Gebhardt, Vertriebsleiter des Connect Service Riedlbauer in Krefeld, einem der größten deutschen ISDN- und Modem-Distributoren. Auswirkungen der aktuellen Situation auf das Kaufverhalten sieht er im Augenblick nicht. "Es gibt drei Kundengruppen. Den einen reicht der Datendurchsatz aktueller V.34 Modems, sie sind an 56 kbps nicht interessiert. Die zweite Gruppe hat bereits ISDN beziehungsweise plant fest bei der nächsten Grundgebührensenkung, die früher oder später ansteht, auf ISDN umzusteigen. Nur die dritte Gruppe möchte ihren Analoganschluß behalten und mit neuen schnellen Modems den Datendurchsatz erhöhen." Doch solange nur wenige kleine Internet Service Provider, wie zum Beispiel Metronet, 56 kbps unterstützen und sich große Provider wie Compuserve oder T-Online zurückhalten, wird sich seiner Meinung nach an der relativ geringen Nachfrage nichts ändern.

Eine ähnliche Ansicht vertritt Jacques den Toom, Marketingleiter der BinTec Communications GmbH in Nürnberg. Auch er sieht keine negative Beeinflussung des Handels durch die Querelen um einen neuen Standard. "U.S. Robotics fährt zwar eine sehr aggressive Kampagne unter dem Motto: Die 56K-Technologie ist jetzt verfügbar. Aber solange die Unterstützung der Provider fehlt, sind das pure Marketingsprüche. Potentielle Kunden, die sich mit der Materie beschäftigen, wissen das." Im Gegensatz zu Gebhardt, der U.S. Robotics aufgrund des hohen Marktanteils Pluspunkte beim Kampf um den neuen Standard einräumt, sieht Toom Vorteile im Rockwell-Lager. "Mit Ascend, Lucent-Technology und Cisco hat Rockwell die Riesen der Branche auf seiner Seite. Es würde mich wundern, wenn der zukünftige von der ITU beschlossene Standard nicht mehr Elemente von K56flex als von X2 enthält."

Sicherheit für den Fachhandel

Bedenken und Unsicherheiten im Fachhandelskanal will Schwartz von vornherein im Keim ersticken. "Es ist heute leider so, daß der Händler egal mit welchen Produkten immer auf einer Lagerwert-Zeitbombe sitzt. Mit unsere Flash-ROM-Strategie hat nicht nur der Händler, sondern auch der Kunde ein hohes Maß an Sicherheit. In einem Markt, wo sich der Endkunde permanent in einer Spirale der Neuerung befindet und sich permanent über den Tisch gezogen fühlt, wird der Kunde es einem Händler danken, wenn er ihm zukunftsichere Produkte empfohlen hat."

Auswirkungen auf die Fachhandelskanäle durch die Übernahme von U.S. Robotics durch 3Com schließt Schwartz aus. "Der Handel in Deutschland muß gar nichts befürchten. Es wird sich an bewährten U.S. Robotics Vertriebsstrukturen nicht ändern. Es wird weder Distributoren gekündigt, noch eine andere Politik gefahren."

Bedingt grünes Licht für den Fachhandel gibt allerdings Rockwell-Manager Mantovani: "Wer sich jetzt entscheiden will oder entscheiden muß, sollte darauf achten, daß das Modem, das er verkauft, über Update-Möglichkeiten verfügt. Wer Zeit hat, kann abwarten, jedoch spätestens im September muß der Fachhändler seine Entscheidung treffen. Das letzte Quartal dieses Jahres wird für die Marktentwicklung von sehr großer Bedeutung sein."

Verbindlicher gemeinsamer Standard bis Ende des Jahres erwartet

Die ITU (International Telecommunication Union), das Standardisierungs-Komitee, in dem beide Kontrahenten als führende Mitglieder vertreten sind, ist gefordert, einen für beide Seiten vertretbaren Kompromiß zu formulieren. Daß die ITU noch dieses Jahr einen verbindlichen Standard für 56K Modems beschließen wird, daran zweifeln weder Marktbeobachter noch die beiden Kontrahenten U.S. Robotics und Rockwell. "Es wird noch einige Sitzungen der ITU geben. So ein Gremium ist langsam. Aber wir sind guter Hoffnung, daß es vielleicht schon im Herbst, auf jeden Fall aber bis Ende des Jahres einen Konsens geben wird", äußerte sich Schwartz optimistisch. Mantovani, rät Händlern zum Abwarten. "Es ist Juli, und meine Empfehlung ist es, erst einmal Ferien zu machen. Im September ist die richtige Zeit zu entscheiden, mit welchem Produkt man in den Markt gehen möchte. Zu diesem Zeitpunkt werden viele Internet Service Provider 56K-Services anbieten und wir werden eine klare Aussage der ITU haben."

Nach Informationen, die Marktforscher Dataquest Ende Juni diesen Jahres veröffentlichte, gibt es inzwischen halboffizielle Aussagen aus ITU-Kreisen, die auf einen gemeinsamen, international verbindlichen Standard für 56K-Modems ab Januar 1998 hindeuten. Spätestens dann wird es nicht mehr darauf ankommen, wer die besseren Sprüche klopft, sondern Produkte anbietet, die der Markt auch haben will. (sd)

Zur Startseite