ABB wird neuer Player unter den Systemintegratoren

20.02.1998

HEIDELBERG: Aus der Gebäudetechnik kommend will die ABB AG zunehmend als Systemintegrator Fuß fassen und Datennetze in Gebäuden nicht nur planen und installieren, sondern auch betreiben. Dazu gründete ABB, die in Deutschland schon aus mehr als 60 Einzelfirmen besteht, wieder einmal ein neues Unternehmen.

An das Geschäft mit Daten- und Kommunikationsnetzen hat ABB hohe Erwartungen. Deshalb gründete das Unternehmen bereits zum 1. Januar 1998 die ABB Netserv Daten- und Kommunikationsnetze GmbH. Darin soll die im Konzern verstreute Kompetenz in diesem Bereich gebündelt werden. Und so soll die neue Netserv als Tochtergesellschaft der ABB Gebäudetechnik AG künftig dafür sorgen, daß in Gebäuden alles über ein Netz läuft und auch dessen Betrieb verantworten.

"In erster Linie verstehen wir uns als Competence Center für die ABB Gebäudetechnik", erklärt Netserv-Geschäftsführer Christian Schulz. Ein eigenständiges Auftreten am Markt als Systemintegrator wird nach seinen Aussagen die Ausnahme bleiben. Derzeit beschäftigt die neue Firma 44 Mitarbeiter, die aus verschiedenen ABB-Bereichen zusammengezogen wurden, hinzu kommen etwa 100 Datentechniker in den regionalen Niederlassungen der ABB-Gebäudetechnik. Allgemein rechnet ABB für Installation und Betrieb von Netzwerken mit einem jährlichen Umsatzwachstum von etwa 25 Prozent in Deutschland auf insgesamt 6,7 Milliarden Mark im Jahr 2000. Die Netserv hat derzeit einen Auftragsbestand von gut 20 Millionen Mark und plant in diesem Jahr einen Umsatz von 100 Millionen Mark. Zur Jahrtausendwende sollen es 250 Millionen Mark sein.

Dazu will das Unternehmen "herstellerunabhängig Komplettlösungen für Highspeed-Netzwerke in Gebäuden" realisieren. "Bisher finden Datennetze bei Planung und Ausbau von Gebäuden zu wenig Beachtung", so Karl Kommissari, Vorstandssprecher der ABB Gebäudetechnik. Deshalb soll Planern bewußt gemacht werden, daß Datennetze zur frühzeitigen Optimierung von Gebäuden gehören. Motto: "Alles über ein Kabel". Das heißt, Datennetze sollen nicht nur die Telekommunikations- und Datenwelt zusammenführen, sondern auch intelligente Komponenten aus anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Lichttechnik oder der Lufttechnik. Das Ziel: Das komplette technische Innenleben eines Gebäudes soll in Zukunft miteinander vernetzt werden. "Warum soll man die Raumtemperatur nicht am PC über ein Fenster in Windows steuern?", zeigt Kommissari die Richtung auf, an der Bill Gates bestimmt seine Freude haben wird.

Neben der technischen Generalunternehmerschaft bei Neubau und Modernisierung von Gebäuden verspricht sich die Netserv auch durch den Betrieb von Netzen gute Geschäfte. Das Netzwerkmanagement soll remote vom Rechenzentrum der Netserv aus erfolgen, ein Helpdesk dem Kunden rund um die Uhr einen Ansprechpartner garantieren. Drittes Standbein ist die regelmäßige Pflege der Netze: "Zum Beispiel muß man mindestens alle drei bis fünf Jahre die Übertragungsrate auf den neuesten Stand bringen", erklärt Kommissari, sonst wären alle Bemühungen um mehr Geschwindigkeit im WAN oder am einzelnen Arbeitsplatz vergebens. "Das Gebäude droht ein Flaschenhals zu werden", assistiert Schulz.

Allerdings scheint in dieser Situation die Positionierung der Netserv nicht ganz einfach zu sein. So will das Unternehmen beispielsweise auch das Anwendungsmanagement von Betriebs- und Mailsystemen übernehmen. Doch im fast selben Atemzug gesteht Schulz, daß die Netserv auf Windows NT und auf Lotus Notes setze. Ob er damit aber beispielsweise große SAP R/3-Anwender überzeugen kann, erscheint fraglich, auch wenn er schnell hinterherschiebt: "Die SNA-Anbindung von Unix für R/3 ist für uns natürlich kein Neuland." Im Zweifel soll dann doch ein klassischer Outsourcing-Partner hinzugezogen werden.

Christian Schulz leitet die Geschäfte der neugegründeten ABB-Tochtergesellschaft.

*Thomas Pleil Der Autor ist freier Journalist in Stuttgart.

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