Acer, kannst Du mich hören?

27.04.2000

Acer hat das Internet entdeckt. Im Zeitalter des World Wide Web ist das für einen PC-Hersteller sicher nicht gerade ein bahnbrechender Schritt. Allerdings tun es die Insel-Chinsesen nicht ganz in der Konsequenz, mit der andere Große das Web in ihr Geschäft einbinden. Während Anbieter wie Compaq, IBM und natürlich allen voran Dell das zukünftige Heil im Direktvertrieb ihrer Produkte über das Internet suchen, geht Acer einen anderen Weg. So haben bald alle Produkte, welche die Produktionsstätten der Taiwaner verlassenen, mit dem Internet zu tun. Sei es der Walkman mit MP3-Download-Funktion, das Telefon mit Internet- und E-Mail-Zugang oder natürlich der Web-PC - neudeutsch Internet-Appliance genannt. Damit wird das Internet integraler Bestandteil aller Produkte. Vom Direktvertrieb an Endkunden wollen die Insulaner nichts wissen. "Natürlich gibt es unsere Produkte auch im Internet zu kaufen, der Direktvertrieb ist für uns jedoch kein Thema", schwört Simon Lin, zuständig für das PC-Business bei Acer.

Aus dem Werbeslogan "We hear you" wird nun also "Stop browsing, start living". Angefangen zu leben wird allerdings vorerst nur in den östlichen Breitengraden. Europa und sogar die sonst immer an vorderster Front mitmischenden Vereinigten Staaten schauen bei Acers groß angelegter Internet-Strategie erst mal in die Röhre. Einen Termin zum Launch der neuen Kampagne im Rest der Welt gibt es nach eigenen Angaben bisher nicht. Bündelung der Kräfte auf Asien, lautet die Marschroute. Im Klartext heißt das wohl eher Bündelung der Aktivitäten auf den chinesischen Markt. Schließlich gehört Acer bereits jetzt zu den größten Investoren in dem hass-geliebten Heimatstaat. Nicht nur, dass in der Volksrepublik die extrem niedrigen Arbeitslöhne locken. Auch den sich dort gerade öffnenden PC-Markt will sich natürlich kein asiatischer Hersteller entgehen lassen.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, eine so tief greifende Änderung im Produktsortiment und in der Vermarktungsstrategie weltweit einheitlich und damit transparent für alle Partner und Kunden aufzuziehen.

Neben dem Direktvertrieb will man vom Retailgeschäft ebenfalls nichts wissen. So hat sich Acer in den USA Mitte letzten Jahres aus dem Volumengeschäft zurückgezogen. Auch Deutschlandchef Hans-Peter Andresen macht sein Business lieber mit dem margenfreundlicheren Fachhandelsprogramm und Dienstleistungsgeschäft. Den deutschen Wiederverkäufer freut es, doch ob Acer damit das hoch gesteckte Ziel, Nummer eins bei den PC-Herstellern zu werden, erreichen kann (siehe Artikel auf Seite 10), erscheint fraglich.

Compaq und Dell backen nun nicht gerade kleine Brötchen, und auch Fujitsu-Siemens ist, trotz aller momentanen Probleme in den Führungsetagen, speziell im europäischen Markt nicht wegzudiskutieren. Wie soll dieses Ziel also ohne die Frequenzbringer Retail- und Direktgeschäft erreicht werden? Aber vielleicht wird der Weltmarkt ja tatsächlich von Asien her aufgerollt, und wenn nur etwa jeder Hunderste der 1,2 Milliarden Chinesen sich einen PC von Acer kauft, ist das Ziel schon erreicht.

Andreas Klett

aklett@computerpartner.de

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