Adobe-Geschäftsführer Jesse D. Young: "Wir werden uns nicht mit Gates anlegen."

14.06.1996
UNTERSCHLEISSHEIM: Im Gespräch mit ComputerPartner-Autor Frank Puscher äußert sich Adobe-Geschäftsführer Jesse D. Young zu den strategischen Zielen des Unternehmens, zum Engagement im Internet, zur Rivalität mit Microsoft und zur Situation von Apple.? Wie geht es Adobe?

UNTERSCHLEISSHEIM: Im Gespräch mit ComputerPartner-Autor Frank Puscher äußert sich Adobe-Geschäftsführer Jesse D. Young zu den strategischen Zielen des Unternehmens, zum Engagement im Internet, zur Rivalität mit Microsoft und zur Situation von Apple.? Wie geht es Adobe?

YOUNG: Uns geht es sehr gut. Wir haben im letzten Jahr 762,3 Millionen Dollar erwirtschaftet, das sind 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Es haben sich eine Reihe neuer Märkte aufgetan, zum Beispiel das Internet oder die digitale Fotografie. Dort sehen wir Möglichkeiten, Geld zu verdienen.

? Welche Rolle spielt dabei das Internet?

YOUNG: Fast unser ganzer Zuwachs resultiert aus dem Internet-Boom. Wenn Sie eine Firma suchen, die durch das Internet bereits Geld verdient - hier ist sie.

? Mit Ihrem neuen Produkt PageMill stehen Sie auf einmal in einer Face-to-face-Konkurrenz mit Microsoft und Frontpage. Das ist ein Gegner, um den Sie bisher immer einen großen Bogen gemacht haben.

YOUNG: Das stimmt. Microsoft ist ein sehr gefährlicher Gegner. Wir brauchen die PageMill zur Abrundung des Portfolios und um professionellen Kunden ganzheitliche Lösungen bieten zu können. Microsoft wird vermutlich stärker auf das Low-End zielen. Wir werden kein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Gates riskieren.

? Apple hält große Stücke auf Adobe und die Integration der Tools auf der Mac-Plattform. Wie beurteilen Sie die jetzige Apple-Lage?

YOUNG: Wir beobachten mit Zuversicht, daß sich Apple auf dem richtigen Kurs bewegt. Die Technologiefirma kehrt wieder zu ihren Kernkompetenzen zurück. Apple hat sich vom Massengeschäft locken lassen. Dafür braucht man aber eine ganz andere Firma. Man benötigt andere Vetriebspartner, man braucht andere Absatzwege und nicht zuletzt bedarf es auch eines anderen Images. Alles das fehlt Apple. Amelios Kurs ist es jetzt, diese überflüssigen Zöpfe abzuschneiden und sich wieder stärker der Apple-Domäne zu widmen.

? Hat der Adobe-Absatz unter den Apple-Problemen gelitten?

YOUNG: Oh ja! Alle Apple-Kunden haben das mitgekriegt. Kaum einer hat zwar die Plattform gewechselt, aber die meisten haben ihre Investitionen verschoben.

? Zurück zu Adobe: Neben der PageMill als neuem Produkt kam im letzten Jahr auch noch der FrameMaker hinzu. Wie verkraftet ein Unternehmen wie Ihres die dauernden Umstrukturierungen durch Neukäufe?

YOUNG: Firmenaufkäufe wie bei Frame Technologies gehen nie reibungslos über die Bühne. Es wird immer Anlaufverluste geben. In diesem Fall haben wir aber nicht nur ein Produkt gekauft, sondern auch die ganze Logistik. Letztlich bestand im Hause Adobe die Veränderung nur im Erhöhen des Headcounts.

? Das scheint nicht genug gewesen zu sein. Ende letzten Jahres hatten Sie große Lieferprobleme.

YOUNG: Die Firma Stream in Irland importiert das Produkt. Die hatten bisher so gut wie keine Qualitätskontrolle. Da gab es Pakete mit falschen Versionen, in falschen Sprachen oder ohne Handbücher. Das war wirklich schlecht. Als wir das gesehen haben, haben wir zuerst eine 100prozentige Kontrolle eingeführt. Wir haben jedes Paket auseinandergenommen und überprüft. Nach ein bis zwei Monaten lief es dann einigermaßen.

? Hat Adobe mit Frame seine Kernkompetenzen verlassen?

YOUNG: Frame war auf jeden Fall das Verlassen der Kernkompetenz, wenn man Postscript als unseren angestammten Markt ansieht. Vergleicht man das hingegen mit Acrobat, also mit dem Marktsegment "Strukturierte Dokumente", sieht das ganz anders aus. Dann wird die Logik des Schritts klar. Frame setzt diesem Portfolio die Spitze auf...

? ... und dient als Absatzplattform für Acrobat?

YOUNG: Ja. Wir mußten erkennen, daß sich Acrobat nicht allein verkaufen läßt. Nicht wie Photoshop. Photoshop ist ein Stand-alone-Produkt. Das sind zwei völlig verschiedene Märkte. Wenn ich mit Coca Cola oder Daimler Benz über Acrobat rede, sprechen wir über die Veränderungen des gesamten Dokumentenmanagements in einem Unternehmen. Genauso wie bei Frame.

? Sie benutzen also die illustre Kundenschar des FrameMaker, um Acrobat zu verkaufen?

YOUNG: Sehen Sie: Wir haben mit Frame ein bißchen Produkt und viel Kanal gekauft. Wir brauchten dringend Systemintegratoren, die für unsere Kunden Gesamtlösungen entwickeln. Acrobat ist mehr eine Technologie und weniger ein Produkt. Heute sprechen wir mit Kunden wie VW und Daimler Benz über dieses Thema. Und dann ist da noch die Unix-Plattform, auf der wir fast keine Erfahrung haben. FrameMaker ist zu 70 Prozent auf Unix und zu 30 Prozent auf Windows vertreten.

? Welche Strategie verfolgen Sie mit diesem Produkt?

YOUNG: Mit FrameMaker und Acrobat bedienen wir den Markt für strukturierte Dokumente. Das sind vor allem technische Dokumentationen. Insbesondere in der Automobilindustrie sehen wir derzeit einen großen Markt. Interessant ist auch, daß viele Software-Entwickler den FrameMaker zur Dokumentation und Dokumentenverwaltung des Sourcecodes benutzen.

? Der breite Markt hat aber vom FrameMaker bisher nicht viel gehört.

YOUNG: Bisher fehlte vor allem in Deutschland die Marketingpower hinter diesem Produkt. Die haben wir. Zu den spezialisierten Absatzkanälen, die Magirus und Sietec ansprechen, können wir jetzt unsere flexiblen unspezialisierten Kanäle hinzufügen.

Früher war Magirus ja quasi Exklusivvertreiber für Deutschland. Inzwischen verkaufen auch einige unserer Händler den FrameMaker, aber wir hatten große Schwierigkeiten, die Boxen-Schieber mit diesem Produkt anzufreunden.

? Heißt das, Sie werden den FrameMaker in Zukunft auch direkt vertreiben?

YOUNG: Nein. Wir verkaufen nicht direkt und haben das auch nicht vor. Wir setzen gezielt Systemintegratoren ein, die die Unternehmen beraten. Bereits auf dieser Ebene sind die Händler involviert. Die Abwicklung der Geschäfte geht dann nur über den Handel. ? Ist die Verlockung zum Direktvertrieb nicht dennoch groß? Es gehören viele illustre Großkunden wie Daimler Benz zur Frame-Referenzliste.

YOUNG: Fakt ist: Adobe als Hersteller hat keine Kompetenz im Vertrieb. Was ist ein Distributor letztendlich? Wir als Hersteller müssen Nachfrage erzeugen, die Händler müssen sie bedienen. Deshalb halten wir auch am Konzept der Frame-Center fest. Unsere größte Herausforderung derzeit ist das Finden neuer, zuverlässiger Partner.

? Wie wird man denn Frame-Händler?

YOUNG: Da müssen Sie in Stuttgart anrufen. Wer den FrameMaker verkaufen will, muß zu Magirus gehen.

? Wieviel verdienen Sie derzeit mit dem FrameMaker?

YOUNG: Zehn Prozent unseres Umsatzes.

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