Ältere IT-Mitarbeiter fühlen sich diskriminiert

06.09.2001
"Graue IT-Panther erhalten die Arschkarte", titelt der Online-Dienst Silicon.de und beschreibt damit die Situation, dass ältere IT-Mitarbeiter immer öfter diskriminiert, gemobbt oder bei Entlassungen als Erste dran glauben müssen. Das ergab eine Umfrage unter 1.000 IT-Fachleuten.

Einer Umfrage des Online-Dienstes Silicon.de unter 1.000 IT-Fachleuten zufolge hat jeder Dritte, 42,6 Prozent aus der "kritischen" Altersgruppe 46+, schon einmal erlebt, dass auf ihn selbst oder auf Kollegen aus Altergründen Druck ausgeübt wurde. Mal erhalten sie keine Weiterbildungsmaßnahmen mehr, mal werden sie in unattraktive Jobs abgedrängt, von der Karriereleiter gestoßen oder schlicht so lange gemobbt, bis sie von alleine gehen.

Bei Bewerbungen mussten in den vergangenen fünf Jahren schon 13 Prozent die Erfahrung machen, dass sie wegen ihres Alters nicht in Frage kamen. Fast 30 Prozent gewannen bei einer Ablehnung zumindest den Eindruck, dass sie wegen ihres Alters übergangen wurden, ohne dass der potenzielle Arbeitgeber dies explizit so ausgedrückt hat.

Großunternehmen sind nicht zimperlich

Je größer die Unternehmen sind, desto größer ist offenbar der Druck auf die älteren Mitarbeiter. In Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern haben nur 50 Prozent die Beobachtung gemacht, dass ältere IT-Fachleute aufs Abstellgleis geschoben werden. Anders in Großunternehmen mit mehr als 5.000 Arbeitern und Angestellten: Hier haben hingegen 40 Prozent der Befragten erfahren oder hegen zumindest den Verdacht, dass die älteren IT-Fachleute abgeschrieben sind oder nicht ernst genommen werden.

Viele jüngere Mitarbeiter sprechen ihren älteren Kollegen einfach die Qualifikation ab und eine Beamtenmentalität zu. Wie stark der Generationenkonflikt in der jugendversessenen IT-Welt sein kann, zeigt sich auch in dem Urteil eines 37-Jährigen über seine älteren Kollegen: "Mitarbeiter ab 50 können eigentlich keine IT-Fachleute sein, weil es zu der Zeit noch keine Computer in der Form gab."

Weibliche IT-Experten haben es noch schwerer: Sind sie unter 40, wird ihnen unterstellt, dass sie früher oder später Kinder bekommen und dem Betrieb dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Sind sie über 40, gelten sie als zu alt oder nicht mehr up-to-date.

Besonders kritisch wird es laut Silicon.de für IT-Fachleute ab 50. Denn viele von ihnen fallen der Welle von Massenentlassungen, die derzeit über die IT-Branche hinwegrollt, als Erste zum Opfer. 350.000 Stellen sollen laut Spiegel in diesem Jahr schon gestrichen worden sein. Vier von zehn IT-Fachleuten über 50 sind inzwischen arbeitslos - und das bei einem angeblichen Bedarf von 90.000. Im Schnitt sind bei den Arbeitsämtern 33.000 IT-Fachleute als arbeitslos gemeldet, viele davon im Alter von 50 und höher.

Aber auch immer mehr arbeitslose IT-ler um die 40 bekommen zu spüren, dass sie gegen die Jüngeren oft keine Chance haben. Denn die gelten nicht nur als "biegsamer", sondern sind meist auch wesentlich billiger. Bertram S. (Name von der Redaktion geändert) kann ein Lied davon singen. Als ehemaliger Senior-Product-Manager war der heute 38-Jährige Jahresgehälter von rund 200.000 Mark und einen dementsprechend hohen Lebensstil gewöhnt.

Da ein Teil seines Gehaltes auf Kommissionsbasis lief, erhält er nur knapp 3.500 Mark Arbeitslosengeld. Das geht schon schwer ans Eingemachte. Ein halbes Jahr bemüht er sich schon um eine neue Stelle. Doch je mehr Absagen er erhält, desto mehr verstärkt sich in ihm das Gefühl, "zu alt für die Branche" zu sein.

Aber ganz hoffnungslos ist die Lage für ältere IT-Mitarbeiter nicht. So müssen IT-Fachleute, die sich um Weiterbildungsmöglichkeiten bemühen oder von vornherein einen höheren Bildungsgrad mitbringen, laut Silicon.de im Alter meist weniger um ihren Job bangen als ihre gleichaltrigen Kollegen.

Befragt, was sie an ihren älteren Mitarbeitern schätzen, antworteten viele IT-Fachleute, dass sie, abgesehen von dem Erfahrungsvorsprung, meist "zuverlässiger, pünktlicher und engagierter" seien. "Nicht die grau melierten IT-Experten sind Dinosaurier, sondern die deutschen Personalchefs", resümiert Silicon.de und fügt hinzu: "Eine solche Altersdiskriminierung ist andernorts nicht üblich, in den USA sogar verboten. Das Mutterland der IT macht mit den Älteren beste Erfahrungen."

www.silicon.de

www.spiegel.de

ComputerPartner-Meinung:

Dem Resümee der Umfrage von Silicon.de kann man nur zustimmen. Abgesehen davon sind die heute 40-Jährigen die größte Altersgruppe in Deutschland. Wenn Unternehmen die "alten Säcke" loswerden wollen, graben sie sich langfristig nur ihr eigenes Grab. (kh)

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