AID-Chef Herrmann: "Die großen Hersteller haben uns nichts zu bieten"

04.04.2002
Als Bull-Distributor ist heute sicherlich nicht mehr groß Staat zu machen. Doch anstatt auf den Vertrieb von Mainstream-Produkten umzusatteln und aktuellen Trends hinterherzurennen, setzen die Kölner auch weiterhin bewusst auf Nischenmärkte, die andere links liegen lassen.

Die Entwicklung ist immer noch sehr positiv." Mit diesen Worten umschreibt Hans Herrmann, Vorstand der AID Computers AG, eines der Wachstumsfelder des Value-Added-Distributors mit Sitz in Köln. Das 1996 als eigenständige Aktiengesellschaft gegründete Unternehmen (Herrmann hält daran zwei Drittel) hat sich unter anderem auf den Vertrieb von IT-Equipment für den Einsatz im medizinischen Umfeld spezialisiert.

Etwa 60 Kunden als fester Stamm

Seit 1998 gibt es das Medizin-Produkte-Gesetz (MPG), das die Beschaffenheit und Ausstattung von PCs und Peripherie in Arztpraxen, Krankenhäusern und anderen medizinischen Bereichen regelt. Doch nach wie vor ist eine Übergangsregelung in Kraft, herkömmliche Hardware wird somit peu à peu durch MPG-konforme Geräte ersetzt. Zwar reagiert auch in den Krankenhäusern zwischenzeitlich der Rotstift, doch in die IT-Ausstattung wird weiter investiert. "Die Gelder sind da", bestätigte Herrmann gegenüber ComputerPartner. Vor allem das Ersatzgeschäft komme zusehends ins Laufen.

Etwa 700 Systemhäuser, so die Schätzung von Herrmann, bieten in Deutschland Lösungen für den Einsatz im medizinischen Umfeld an. Diese reichen von der Verwaltungssoftware für Krankenhäuser über Grafiksysteme für die bildgebende Diagnose (zum Beispiel Röntgen, Computertomografie oder Magnetspintomografie) bis hin zur rechnergestützten Ausstattung von Operationssälen. Etwa 60 Systemhäuser davon zählt AID eigenen Angaben zufolge zu seinem Kundenstamm.

Was MPG-konforme PCs anbelangt, arbeiten die Kölner - nach dem Ausstieg von Acer aus diesem Geschäftsbereich - vorwiegend mit Tulip zusammen. "Wir schätzen die Zusammenarbeit mit einem kleineren Hersteller, denn in unserem Geschäft ist Flexibilität gefragt. Oft benötigen wir spezielle Konfigurationen, also ganz bestimmte Prozessoren oder Schnittstellen", erklärt Herrmann.

Hohe Nachfrage nach Thin Clients

Um den strengen gesetzlichen Auflagen zu genügen, setzt AID auch auf Thin Clients (TCs) als Alternative zu den MPG-PCs. Das Unternehmen arbeitet hierfür mit der Bremer Traditionsfirma Melchers zusammen und bietet deren "Igel"-Modellreihe an. "Die MPG-zertifizierten Thin Clients haben sich als wahres Erfolgsprodukt im medizinischen Umfeld entpuppt", weiß Herrmann zu berichten. Zudem handle es sich bei Melchers um einen Hersteller, der seine Produkte in Deutschland entwickelt, ergänzt der AID-Vorstand. "Das ist wichtig für eine reibungslose Zusammenarbeit, denn wir verkaufen eben keine Produkte von der Stange. Die kurzen Wege und der direkte Kontakt zur Entwicklungsabteilung zahlen sich aus", unterstreicht Herrmann die Wahl von Melchers als Lieferanten von Thin-Client-Technologie.

Neuerdings versucht sich AID auch mit dem Vertrieb von TCs für das SAP-Umfeld. Melchers hat mittlerweile ein entsprechend zertifiziertes Gerät im Produktportfolio.

Linux soll das Server-Geschäft ankurbeln

Im Serverbereich vertraut der VAD nach wie vor auch auf die Produkte des Fabrikanten Bull. "Wir sind der letzte Distributor in Deutschland, der Bull anbietet", erzählt der Unternehmenslenker nicht ohne Stolz. Auf dieser Plattform kann AID nun eine Hochverfügbarkeitslösung offerieren. Anders als bei üblichen Systemen dieser Art kommen hier nur Standardkomponenten zum Einsatz, sprich Intel-Prozessoren und das Betriebssystem Windows 2000 Advanced Server. Der IT-Großhändler glaubt, damit nun einen neuen Preispunkt bei den fehlertoleranten Systemen, die einen ausfallsicheren Betrieb rund um Uhr gewährleisten sollen, setzen zu können. Ab 26.000 Euro ist der "Bull Express5800 320La" bei AID zu bekommen.

Seine Wurzeln hat das Unternehmen allerdings im Unix-Umfeld, und nach wie vor werden rund 40 Prozent der Server mit diesem Betriebssystem ausgeliefert. Doch so recht zufrieden ist Herrmann mit dieser Quote nicht, und so schloss er vor wenigen Wochen einen Distributionsvertrag mit dem Linux-Lieferanten Suse. "Damit werden wir das Unix-Geschäft deutlich steigern können", ist sich der Firmenchef sicher.

Wachstum über dem Branchendurchschnitt

So sieht sich der Vorstand der AID Computers AG in seiner Marktstellung als VAD gut positioniert. Für das Jahr 2002 rechnet er mit einer Wachstumsrate von 20 Prozent. Der Vorjahresumsatz lag nach eigenem Bekunden bei rund 7,6 Millionen Euro. Die Monate Januar und Februar sind laut Herrmann allerdings nicht besonders gut gelaufen. "Aber ab Ende März liegen wir wieder voll im Plan. Auf der Cebit konnten wir jede Menge Geschäftsabschlüsse verbuchen. Das stimmt mich wieder positiv und lässt mich daran glauben, dass wir richtig liegen."

www.aid-ag.com

ComputerPartner-Meinung:

Bei der AID Computers AG handelt es sich um einen Value-Added-Distributor, der sein Geschäft bewusst in Nischenmärk- ten sucht - nicht ohne Erfolg. Das Produktportfolio ist konsequent auf die Hauptgeschäftsfelder ausgerichtet. Als letzter verbliebener Bull-Distributor ist AID sicherlich ein Unikat. Aber dieses Alleinstellungsmerkmal erlaubt auch eine klare Differenzierung zum Mitbewerb. Mit der neuen Hochverfügbarkeitslösung von Bull oder den SAP-zertifizierten Thin Clients haben die Kölner sicherlich interessante Produkte im Lieferprogramm, mit denen neue Absatzmärkte adressiert werden können. Bleibt zu hoffen, dass AID-Chef Herrmann ausreichend Handelspartner findet, die ebenfalls genügend Mut besitzen, abseits der ausgetretenen Pfade ihr Geld zu verdienen. (cm)

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